Verlagschef Gerrit Klein im Interview: Wie der Ebner Verlag redaktionelle Inhalte neu denkt

04.08.2016
 
 

Das Modell des Shop-zentrierten Medienhauses favorisiert Gerrit Klein, Geschäftsführer des Ebner Verlags in Ulm. Was dahinter steckt, warum er nichts von einer Paywall hält und warum er fordert, dass gedruckte Inhalte mehrfach verwendet werden müssen.

kress: Vor fünf Jahren haben Sie die "New Ebner"-Strategie ausgerufen - und damit den Verlag neu erfunden?

Gerrit Klein: Ja, ich glaube, das kann man so sagen. Wir haben zwar nicht unsere Wurzeln gekappt, aber unser Selbstverständnis als Medienunternehmen, das sich in klar definierten Nischenmärkten bewegt, infrage gestellt. Dabei haben wir erkannt, dass das bisherige Geschäftsmodell nicht zukunftstauglich ist.

War das Ihre Antwort auf bereits spürbare Krisensymptome?

Gerrit Klein: Gar nicht. Im Kern war unser Geschäft auch vor fünf Jahren gesund. Der Ebner Verlag hat in schrumpfenden Printmärkten ordentlich Umsatz erwirtschaftet und Geld verdient. Aber wer unsere Branche mit offenen Augen und scharfem Verstand betrachtet, dem muss klar sein: Die Digitalisierung durchdringt alles und ist so dynamisch, dass es grob fahrlässig wäre, wenn Verlage einfach so weitermachten wie bisher.

Woran lässt sich das konkret sehen?

Gerrit Klein: Ein Beispiel: Unsere Uhren-Zeitschrift "Chronos", die top positioniert ist und wirtschaftlich gut dasteht, kommt auf eine verbreitete Auflage von gut 10.000 Exemplaren. Gleichzeitig tummeln sich auf Chrono24, einem Online-Marktplatz für Luxusuhren, täglich mehr als 350.000 Besucher, und mehr als zwei Millionen Nutzer haben deren Apps geladen. Oder nehmen wir unser eigenes Portal watchtime.net, das fast 200.000 Unique User im Monat hat - solche relevanten Reichweiten können wir doch nicht ausblenden und gebetsmühlenartig wiederholen, wie toll Print ist.

Mit den gedruckten Zeitschriften erwirtschaftet aber auch der Ebner Verlag heute noch rund 80 Prozent seines Umsatzes. Sollten Sie Zeitschriften da nicht ein bisschen mehr mögen?

Gerrit Klein: Ich mag Zeitschriften! Und ja, sie sind bis heute enorme Erlösbringer, etablierte Werbeträger und der Ursprung starker Medienmarken. Aber das darf nicht den Blick auf die Realität vernebeln. Gedruckte Magazine sind durch ihre analoge Beschaffenheit limitiert und erreichen nur einen kleinen Teil der sich für ein Thema interessierenden Zielgruppe. Verlage beschäftigen sich tagein, tagaus damit, Inhalte für ihr Publikum zu schaffen. Aber die Frage ist, ob sie genügend aus diesem Content herausholen.

Und, tun sie es?

Gerrit Klein: Natürlich nicht. Wenn Sie sehen, welch ein Aufwand getrieben wird, um Inhalte zu erstellen, zu produzieren und zu einem bestimmten Erscheinungstermin zu veröffentlichen, damit das alles wenig später im Altpapier und im Archiv landet. Was für eine Verschwendung!

Sie nennen dieses verlagstypische Phänomen "Print and forget" und haben es bei Ebner ersetzt durch "Write and reuse".

Gerrit Klein: Wir gehen noch einen Schritt weiter: "Write and market it". Das bedeutet, dass wir mit unseren Inhalten nicht nur Hefte füllen und sie dann ignorieren, sondern ganz gezielt mehrfach nutzen und nach einem bestimmten Plan über verschiedene Plattformen ausspielen. Sprich: Wir produzieren keine Magazine, sondern wir produzieren vermarktungsfähigen, wertschöpfenden Content.

An diesem Punkt unterscheidet sich der Ebner Verlag wohl am deutlichsten von herkömmlichen Verlagen. Was machen Sie anders?

Gerrit Klein: Das Wichtigste: Wir haben uns von der Produktdenke verabschiedet und sehen uns als Content-Spezialist und Dienstleister für unsere Zielgruppen. In der digitalen Welt sind die Möglichkeiten zu kommunizieren geradezu explodiert. Leser interessieren sich für Inhalte, konsumieren diese aber individuell unterschiedlich und immer öfter digital. Längst sind die digitalen Reichweiten unserer Medienmarken um ein Vielfaches höher als die Print-Reichweiten. Entsprechend werden auch die Erlöse für Content und Werbung, die über digitale Kanäle ausgespielt werden, kräftig wachsen.

Viele Verlage suchen intensiv nach Wegen und testen, wie sie ihre Inhalte über digitale Wege verkaufen und vermarkten können. Der Ebner Verlag schenkt den Großteil seiner Inhalte dem Publikum. Wie wird daraus ein Geschäft?

Gerrit Klein: Richtig ist, dass wir unsere Inhalte einer größtmöglichen Nutzerschaft zugänglich machen. Falsch ist, dass wir unsere Inhalte einfach so verschenken. Ganz im Gegenteil: Jede Veröffentlichung folgt einem klaren Plan. Bei uns orientiert sich Content an quantifizierbaren Zielen, also zum Beispiel: Wie oft wurde ein Text auf der Website geklickt, welches Engagement hat eine Nachricht im Social Net ausgelöst, wie hoch sind die Öffnungsraten eines Newsletters? Inhalte zu erzeugen ohne konkrete Zielsetzung betrachten wir als Ressourcenverschwendung.

Paid Content und Bezahlschranken sind für Sie keine Option?

Gerrit Klein: Wir verlangen nicht erst Eintrittsgeld, damit jemand zu uns kommt - oder, was wahrscheinlich ist, dann doch lieber draußen bleibt. Bei uns ist der Eintritt frei, da kann sich jeder Interessent umschauen und, je nach Bedürfnis und Angebot, kommen wir ins Geschäft. Das ist die Idee hinter unserem Konzept des Shop-zentrierten Medienhauses.

Mit Gerrit Klein sprach Roland Karle.

Hintergrund

Das Interview ist ein Auszug aus dem "kress pro"-Dossier "Transformation im Fachverlag - Wie sich Ebner Digital neu erfindet". Wer mehr wissen will über die digitale und strukturelle Transformation im Ebner Verlag, sollte am 26. September nach Ulm kommen: Im Rahmen der kresstour stehen neben Gerrit Klein auch Ebner-COO Martin Metzger, CIO Dominik Grau, CMO Simon Geisler, Head of Social Media Michael Klöpper, Head of Audience Development Carina Friedrich und Head of Trade and Distribution Management Sema Torun als Gesprächspartner bereit. Hier gibt es Hintergrundinfos zur kresstour beim Ebner Verlag.  Das Anmeldeformular (ganz klassisch zum Ausdrucken und Faxen) gibt es hier.

 

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