kress.de: Wir haben Sie lange nicht im Fernsehen gesehen. Nun kehren Sie mit der Moderation einer Kultursendung zurück. War das immer schon Ihr Ziel?
Thomas Hermanns: Sagen wir mal so: Ich habe Comedy immer als Kultur angesehen. Ich wechsele jetzt sozusagen von einer spezialisierten Sparte in die übergeordnete. Und ja, es war immer mein Traum, so etwas zu tun. Von diesen Sendungen wie "Westart live" gibt es nicht mehr viele im deutschen Fernsehen: 80 Minuten live mit interessanten Gästen. Ich empfand es als Glück, als der Anruf vom WDR kam. Gerade dieses allumfassende Kulturgeschäft verbinde ich mit dem Sender, gerade auch, wenn ich an "Bio's Bahnhof" zurückdenke.
Sie gelten als kulturell extrem vielseitig. Mit welcher Art von Kultur haben Sie vielleicht doch ein kleines Problem? Worauf mögen Sie sich nicht wirklich einlassen?
Thomas Hermanns: Ich habe höchstens ein Problem mit der Aufteilung zwischen E und U. Schon als Kind habe ich die "Muppet Show" und Kunstsendungen geschaut. Und neben dem Studium habe ich Kleinkunst gemacht. Besonders prägend waren dann meine zwei Jahre in New York. Fragen Sie da mal jemanden, was das Gegenteil von Hochkultur ist. Niedrigkultur vielleicht? So etwas gibt es nicht.
Sie haben wirklich gar kein Problem mit irgendeiner Art von Kunst?
Thomas Hermanns: Nur dann, wenn sie ausgrenzend ist. Und das bezieht sich heute weniger auf die Macher als auf die Konsumenten. Wenn Geld und Hochkultur eine arrogante Verbindung eingehen, habe ich ein Problem. Dabei denke ich an die Besucherin der Salzburger Festspiele, die ihre Juwelen durch das Foyer trägt und die eine Kultur für das einzige Akzeptable hält, die sich seit 1910 nicht weiterentwickelt hat.
Einem Künstler, der einer breiten Öffentlichkeit vor allem durch Comedy bekannt geworden ist, trauen wenige ein ganzheitliches Kulturverständnis zu. Gab es Zeiten, wo Sie sich unterschätzt fühlten?
Thomas Hermanns: Eigentlich nicht. Ich gehöre zur Comedy-Pionierfraktion. Und wenn Sie so etwas mit aus der Taufe gehoben, wenn Sie Neuland beackert haben, bekommen Sie keinen Minderwertigkeitskomplex.
Ich meinte mehr andere, die Sie unterschätzten könnten.
Thomas Hermanns: So gesehen ja - und zwar nur von Journalisten. Da ist oft die Meinung vertreten, Comedy können man nicht machen, wenn man intelligent ist. Und dann bringen Ihre Kollegen immer noch den Vergleich zwischen den schlauen Kabarettisten und den dummen Comedians hinterher. Das ist nervig.
Sind wir wirklich so schlimm?
Thomas Hermanns: Meistens gibt sich das nach den ersten Fragen. Dann werden wir schon einig. Aber es offenbart sich eine gewisse Haltung zur Pop-Kultur, die nicht die positivste ist.
Wie waren denn die Reaktionen der Journalisten darauf, dass Sie nun "Westart live" übernehmen? Meldeten sich wieder die Zweifler, die meinen, ein Unterhaltungsmensch könne keine große Kultursendung moderieren?
Thomas Hermanns: Sie sind ja der Erste, dem ich dazu ein Interview gebe. Insofern kann ich zu den Reaktionen aus Ihrer Branche noch gar nichts sagen. Aus meinem persönlichen Umfeld kamen nur unbeschreiblich positive Reaktionen. Motto: Das passt ja wie Arsch auf Eimer! Irgendwie fanden das alle ganz normal, dass ich jetzt zu "Westart" gehe. Und da muss ich zugeben, dass ich es schon schön gefunden hätte, wenn der eine oder andere gesagt hätte: "Mensch, du steigst ja jetzt auf in den Olymp der Hochkultur".
Müssen Sie manchmal darauf hinweisen, dass Sie studierter Theaterwissenschaftler sind?
Thomas Hermanns: Auch hier wieder: Nur die Journalisten! Wenn man in Deutschland in solchen Genres arbeitet wie ich, muss man das leider betonen. Und dann kommt oft die Frage: "Haben Sie denn auch einen Abschluss?" Und da antworte ich: Jawoll! Dann möchte ich schon einen guten Eindruck machen. Aber das ist insgesamt gesehen ein reiner Pressediskurs. Den Zuschauer interessiert das alles überhaupt nicht.
Wovon viele nichts wissen, sind die zahlreichen Drehbücher und Regiearbeiten, die Sie seit mehr als 30 Jahren vorgelegt haben. Welchen Stellenwert nehmen diese Tätigkeiten in Ihrem beruflichen Portfolio ein?
Thomas Hermanns: Einen gleichwertigen. Ich arbeite oft an vielen Projekten gleichzeitig. Und für mich ist das bei aller Verschiedenheit immer ein und derselbe Schwung. Gerade bei den Inszenierungen und Regiearbeiten denke ich auch gleich immer an die Besetzungen. Wenn ich keinen finde, mache ich es im Zweifelsfall selbst. Dabei bin ich eigentlich keine Rampensau. Um Ihre Frage noch einmal anders zu beleuchten: Von diesen Tätigkeiten bekommt das Publikum natürlich nichts mit. Deswegen bezeichne ich meinen Beruf auch gern als Showmacher. Das beinhaltet alle Funktionen, die sich bei mir tatsächlich überlappen.
Ihre komödiantische Ader können Sie ja nicht verleugnen. Wird "Westart live" nun lustiger, humorvoller werden? Oder werden wir den ernsthaften Thomas Hermanns kennenlernen?
Thomas Hermanns: Das hängt vom Thema ab. Zentral sind ja die Interviews, und die finden zu ganz unterschiedlichen Arten von Kultur statt. Daher werde ich die auch unterschiedlich behandeln. Einen Beitrag über den Totenkult in Süd-Bali werde ich sicherlich nicht mit einem Witz anmoderieren. Es gibt bei "Westart" eine echte Kulturatmosphäre, die wenig auf Effekt gebürstet ist. Für Leute, die mich kennen, wird es wohl eher ein Kammerton sein, in dem ich durch die Sendung führe. "Westart" ist für mich ein Salon, und ich sehe mich als Salongeber.
Sie haben auch zwei Mal die deutsche Vorausscheidung zum Eurovision Song Contest moderiert und sind dann aus Frust über die Qualität der Beiträge ausgestiegen. Was läuft hier falsch?
Thomas Hermanns: Das stimmt so nicht, auch wenn es immer wieder geschrieben wurde. Ich war nicht über die Beiträge frustriert, sondern darüber, dass wir nicht gewinnen konnten. Und zwei Jahre, nachdem ich ausgestiegen bin, kam Lena, und wir haben gewonnen, weil viele Dinge zusammenpassten. Da hat sich in der Zwischenzeit vieles zum Guten gewendet.
Aber war Lenas Sieg nicht eine Eintagsfliege?
Thomas Hermanns: Man muss aufpassen, dass man nicht nur die Aktualität sieht, sondern längere Zeiträume. Das geht immer in Wellen. Als ich aufhörte, hatten wir eine ganz schlimme Bilanz und seit Nicole nicht mehr gewonnen. Jetzt geht es darum, wieder so etwas wie "Satellite" hinzubekommen.
Das war ein englischsprachiges Lied. Trotzdem: Sollte wieder mehr deutsch gesungen werden?
Thomas Hermanns: Es kommt auf den Song an, nicht auf die Sprache. Die ist nicht ausschlaggebend, schon gar nicht bei einem internationalen Wettbewerb. Drei Dinge sind wichtiger: Komposition und Text, dann der Interpret, die Inszenierung. Danach erst kommt die Sprache. Die ist heute eben kein Beweis mehr für Authentizität.
Woran arbeiten Sie derzeit noch, außer an Ihren Vorbereitungen für "Westart live"?
Thomas Hermanns: An einigem. Im nächsten Jahr begehen wir 25 Jahre "Quatsch Comedy Club"; das Jubiläum bereite ich vor. Dann arbeite ich an einem Drehbuch für eine Filmkomödie, die 2018 ins Kino kommt...
...darf ich kurz unterbrechen: Worum geht es und wer spielt mit?
Thomas Hermanns: Das weiß ich schon alles, werde es jetzt aber noch nicht verkünden. Ich schreibe am besten, wenn ich weiß, für wen. Die Rollen habe ich schon besetzt.
Entschuldigung, ich hatte Sie unterbrochen.
Thomas Hermanns: Kein Problem. Außer an diesen beiden Sachen arbeite ich noch an "Kein Pardon" für die musikalische Komödie in Leipzig und an einer Boyband-Revue mit allen Hits der Boygroups wie den Backstreet Boys. Das macht Spaß, da waren wirklich richtig gute Songs dabei.
Das Interview mit Thomas Hermanns führte kress.de-Autor Frank Hauke-Steller.
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