Was Medienhäuser von Spotify lernen können

 

Wie er mit Punkrock durch den Geschäftsalltag kommt und warum er sich über deutsche Verlage und Fernsehsender sowie ihre digitalen Angebote wundert, verrät Spotify-EMEA-Boss Michael Krause im großen Köpfe-Interview.

kress.de: Herr Krause, Sie sind in der klassischen Musikindustrie groß geworden. Wenn Sie die Zeit noch einmal ein Stück zurückdrehen, hätten Sie jemals geahnt, dass ein Unternehmen wie Spotify eines Tages die Strukturen der über Jahrzehnte gewachsenen Unterhaltungsbranche jemals derart radikal verändern würde?

Michael Krause: Als ich am Ende meines Studiums P2P Filesharing-Netzwerke wie Napster gesehen habe, wusste ich schon, dass solche Dienste alles verändern werden und dass diese Entwicklung nicht aufzuhalten ist. Die legalen Alternativen, ihr Erfolg und die Wachstumsmöglichkeiten waren zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht in vollem Ausmaß abzusehen. Das erste erfolgreiche, legale, digitale Produkt, das verkauft wurde und hohe Millionenbeträge eingespielt hat, waren ja zunächst die Klingeltöne Anfang der 2000er. Bereits als ich bei Arvato Mobile tätig war, war abzusehen, dass dieses Geschäftsmodell nicht sehr nachhaltig ist. Aber es zeigte, dass das Handy das zentrale Abspielgerät für Musik werden kann. Nach ersten Versuchen, wie zum Beispiel "Comes with Music" von Nokia, begann dieser Siegeszug und erreichte ab 2010 mit Smartphones, mit Android und iPhone sowie mit Apps wie Spotify eine große Masse an Kunden.

"Die Musikindustrie hatte am Ende eigentlich großes Glück, dass es sie so hart getroffen hat."

kress.de: Allgemein wird ja angenommen, dass die Musikbranche den enormen Veränderungsdruck der Digitalisierung als erstes und mit besonders weitreichenden Folgen zu spüren bekam. Was können Verlage und Fernsehunternehmen von der Musikindustrie lernen?

Michael Krause: Die Musikindustrie hatte am Ende eigentlich großes Glück, dass es sie so hart getroffen hat. Wäre in Schweden der traditionelle Tonträgermarkt nicht komplett zusammengebrochen, hätte unser Gründer Daniel Ek vermutlich gar nicht die Erlaubnis und die Lizenzen für seine Idee bekommen. Was ich häufig bei Verlagen und Fernsehunternehmen beobachte ist, dass sie noch Wege suchen, die alten Umsätze zu bewahren und trotzdem digitale Angebote zu starten.

"Wirklich erfolgreich in der digitalen Welt sind Firmen, die sich bedingungslos auf den Kundennutzen fokussieren."

kress.de: Was stört Sie daran?

Michael Krause: Es werden Kompromisse gemacht, die der Kunde wahrnimmt. Wirklich erfolgreich in der digitalen Welt sind Firmen, die sich bedingungslos auf den Kundennutzen fokussieren. Fairerweise muss man sagen, dass eine solche Transformation viele Herausforderungen mit sich bringt: Erwartungen der Anleger an Umsatz und vor allem Gewinne, veraltete und komplexe Strukturen oder Mitarbeiter, die sich in der digitalen Welt noch nicht zu Hause fühlen. Diese Themen machen es für die bestehenden Medienunternehmen ungleich schwerer mit digitalen Pure Playern, wie Amazon, DAZN oder Netflix mitzuhalten.

"Ein Spotify-Abo und eine haptische Musik-Erfahrung schließen sich nicht aus."

kress.de: Klassische Musik-Nerds galten ja lange als Sammler und Archivare meist recht umfangreicher eigener Plattenschätze. Ein Spotify-Abo wirkt auf den ersten Blick viel weniger sinnlich. Wie schwer war es, auch die leidenschaftlichen Vinyl-Fans an die Bequemlichkeiten von Playlists zu gewöhnen?

Michael Krause: Ein Spotify-Abo und eine haptische Musik-Erfahrung schließen sich nicht aus. Viele Hörer nutzen zuhause weiterhin Tonträger und unterwegs Spotify. Der Vinylmarkt wächst zwar nicht mehr wirklich, aber er ist relativ konstant geblieben. Einer der großen Vorteile von Musikstreaming ist es, Playlists anlegen und teilen zu können. Musik wird mit Plattformen wie Spotify zu einem sozialen Ereignis, und auch das Konzept des Albums lebt weiter. Anstelle von Albencovern gibt es bei uns zum Beispiel "Canvas", mit denen wir Künstlern die Möglichkeit geben, in bewegten Bildern ihre Werke zu präsentieren. Für Musikliebhaber ist es außerdem leichter als je zuvor neue und alte Musik zu entdecken, zu empfehlen und immer dabei zu haben.

kress.de: Wie sieht es eigentlich mit Ihrem eigenen Medien-Konsum aus: Welches Gerät schalten Sie in der Früh als erstes ein?

Michael Krause: Mein Smartphone ist mein ständiger Begleiter und an vielen (Arbeits-)Tagen nutze ich gar kein anderes Gerät. Das gilt für sowohl für die Arbeit (Mails, Telefonate, Chats, Videokonferenzen) als auch für meine private Unterhaltung (Bücher lesen, Musik, spielen und Podcasts hören).

kress.de: Bleibt für einen Spotify-Manager eigentlich überhaupt noch Zeit und Muse, Live-Konzerte zu besuchen oder in der Musikmetropole Berlin Entdeckungen zu machen?

Michael Krause: Der Kontakt mit Künstlern, Managern und Mitarbeitern der Plattenfirmen ist für uns sehr wichtig und fruchtbar. Daher gehe ich gerne auf Festivals oder Konzerte. Außerdem bin ich selbst leidenschaftlicher Musikfan. Während der Woche gehe ich gerne in Berlin auf Konzerte und Events, am Wochenende in Hamburg, wo ich meinen Hauptwohnsitz habe. Die letzten Konzerte, die ich privat besucht habe, waren Millencolin, Taking Back Sunday und das Hurricane Festival.

kress.de: Wenn Sie auf die Stationen Ihrer Berufslaufbahn zurückblicken: Wo haben Sie am meisten gelernt und welche Persönlichkeiten haben Sie im Rückblick entscheidend geprägt?

Michael Krause: Die frühe Zeit bei arvato Mobile/handy.de war sehr prägend für mich. Zum einen weil wir Vieles neu aufgebaut haben - Lizenzen, neue Produkte etc. aber auch weil es damals eine überschaubare, digitale Musikszene gab. Die Akteure von damals nehmen heute spannende Rollen in der Digitalwirtschaft ein und daraus sind ein gutes Netzwerk und sogar einige Freundschaften entstanden. Außerdem konnte ich bei Arvato Mobile erste Führungserfahrung sammeln und Teams leiten.

kress.de: Was bringt Sie auf die besten Ideen?

Michael Krause: Die besten Ideen entstehen meist im Dialog mit Kollegen. Die beste externe Inspiration finde ich in Podcasts, vor allem in Interviewformaten oder in Büchern, da vor allem in Biografien oder Sachbüchern.

kress.de: Wie und wo tanken Sie Ihre Kraftreserven auf?

Michael Krause: Energie tanke ich wenn ich Zeit mit meinen Kindern verbringe und beim Sport. Ich spiele Hallenfußball, und seit neuestem spielen wir bei Spotify Padel Tennis. Handyspiele sind super zum Abschalten zwischendurch, beim Warten auf den Zug oder am Flughafen. Beim Reisen höre ich häufig Podcasts und Musik, und ich fotografiere sehr gerne.

"Tagsüber höre ich gerne schnellen Punkrock."

kress.de: Welche aktuelle Playlist bringt Sie am besten durch den Tag und mit welcher läuten Sie den Feierabend ein?

Michael Krause: Ich höre vor allem die von Spotify individuell für mich erstellten Mixtapes und aktuell unsere neue OFF POP Playlist. Tagsüber höre ich gerne schnellen Punkrock oder deutschen Alternative Rock für die richtige Energie und abends alternativen deutschen Pop oder deutschen Rap ohne Autotune.

kress.de: Sie führen ein Köpfe-Profil. Wie wichtig ist das Netzwerken für Sie?

Michael Krause: Netzwerken macht mir Spaß und ist aus meiner Sicht ein wichtiger Faktor. Meine primären Plattformen neben kress sind Linkedin, wo ich auch viele Updates teile, Twitter, wo ich allerdings in letzter Zeit wenig dazu komme, Infos zu teilen und Instagram, wo ich vor allem Bilder meiner Reisen poste.

Michael Krause: : Welche Neuigkeiten und beruflichen Inspirationen ziehen Sie aus Ihrer Lektüre von kress.de und "kress pro"?

Michael Krause: Ich nutze kress, um mich über Hintergründe zu Geschehnissen in der Medienwelt oder über Geschäftspartner zu informieren. 

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