Nachdem vor zwei Jahren der erste Podcast des "Hamburger Abendblatts" online gegangen war, machte der Vertrieb bald eine Feststellung: Unerwartet viele junge Menschen schließen ein digitales Abo ab. Gibt es einen Zusammenhang? "Wir können uns vorstellen, dass unsere Podcasts dazu einen wichtigen Anteil geleistet haben", sagt Chefredakteur Lars Haider.
Der durchschnittliche Printleser des "Abendblatts" (verkaufte Auflage: rund 150.000 Exemplare täglich) ist um die 53 Jahre alt, die Nutzer der Digitalangebote (rund 40.000 verkaufte Abos) sind mindestens zehn Jahre jünger, mit einem Schwerpunkt bei den 18- bis 25-Jährigen. "Vor zwei Jahren haben wir überlegt: Wenn Hören das neue Lesen ist, dann sind Podcasts die neue Zeitung und dann müssen wir das anbieten", sagt Haider. Was einige nur für einen Hype hielten, ist inzwischen ein Trend: Mittlerweile hört ein Drittel der Deutschen Podcasts, von ihnen ist wiederum ein Drittel unter 30 Jahre alt. "Wir können eine jüngere Zielgruppe an unsere Marke heranführen und damit perspektivisch auch an Digitalabos", erklärt Haider den Anreiz.
Die Reichweiten können sich sehen lassen: Das tägliche Format "Hamburg News" hat nach Unternehmensangaben rund 72.000 Abonnenten, die Talkreihe des Chefredakteurs "Entscheider treffen Haider" 45.000 Abonnenten. Das "Abendblatt" bietet nur Podcasts an, die Bezug zum Blatt oder zu Hamburg haben. Typische Themen sind: der HSV, Schifffahrt und Elbphilharmonie. Derzeit produziert das Team 13 Podcasts.
Die Technik: Ein Smartphone oder einen Rekorder und ein bisschen Verständnis von Tonqualität, mehr braucht ein Redakteur nicht, um eine Folge aufzunehmen. Wer ein Gespräch in annehmbarer Qualität mitschneidet, kann das Material gleich mehrfach verwenden: für einen Artikel in Print und online und einen Podcast.
Das Personal: Mit seiner Gesprächsreihe "Entscheider treffen Haider" hat Lars Haider die Mehrfachverwertung anscheinend perfektioniert: Die Gesprächspartner werden zur Podiumsdiskussion vor Publikum eingeladen, das Gespräch wird zum Podcast verarbeitet und in einem Artikel ins Blatt gepackt. Durch den Ticketverkauf für die Podcast-Aufzeichnungen hatte das "Abendblatt" im vergangenen Jahr fünfstellige Einnahmen. "Wer so effizient ist, braucht sich auch gar nicht fragen, wie viel Geld die Podcasts bringen", sagt Haider. Die zusätzlichen Personalkosten für das Podcasting sind nach seinen Angaben gering: Festangestellte Redakteure und Redakteurinnen produzieren ihre Podcasts neben den regulären Aufgaben. Zusätzlich gibt es einen Mitarbeiter, der sich etwa zehn Stunden die Woche um die Technik kümmert.
Die Distribution: Für das Hosting von Podcasts gibt es verschiedene Möglichkeiten. Viele Anbieter wie Podcaster, Podigee oder Podbean bieten einen benutzerfreundlichen Service an, so dass der Podcast dort nur einmal hochgeladen werden muss und dann auf allen relevanten Streamingplattformen erscheint. "Wir benutzen Podigee und sind ganz zufrieden damit, weil wir so auf allen relevanten Plattformen sind", erklärt Lars Haider.
Autorin: Pauline Faust, freie Journalistin in Köln
Der Text ist ein Auszug aus dem kress pro-Case "Kleiner Aufwand, großer Nutzen" von Autorin Pauline Faust über die Podcast-Strategie des "Hamburger Abendblatts", erschienen in der aktuellen Ausgabe 6/2020. In dem Case lesen Sie auch, wie und mit welchem Erfolg die Regionalzeitung ihre Podcasts vermarktet und wie sie die Hörer an sich bindet. Außerdem gibt Lars Haider Tipps für das Gelingen von Podcasts. Die kress pro-Ausgabe 6/2020 können Sie in unserem Shop kaufen.
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