Selfpublishing - wie steht es um die Qualität der selbstverlegten Bücher?

Das eBook brachte die Revolution. In der digitalen Welt kann jeder dank Selfpublishing zum Verleger werden. Millionen Bücher hält die Cloud bereit. Doch was bedeutet Selfpublishing für die Literatur? Wie steht es um die Qualität der selbstverlegten Bücher?

Anke Vehmeier | 29. September 2015 um 11:24

Wolfgang Tischer, Gründer und Herausgeber des literaturcafe.de (Foto: literaturcafe.de)

Sie tauchen nicht in den bekannten Bestsellerlisten auf und sie werden auch nicht in den Feuilletons der Zeitungen besprochen. Ihre Stars heißen Nika Lubitsch, Catherine Shepherd und Poppy J. Anderson. Und sie erreichen ein Millionen-Publikum. "Poppy, wer?" fragen Sie sich jetzt vielleicht und gehören somit vermutlich nicht zu den eBook-Lesern. Bücher werden seit Jahrhunderten im Selbstverlag veröffentlicht - bislang meistens als ultima ratio, wenn sich partout kein Verlag für das eigene Werk begeistern konnte. Doch konnten sich das nur wenige Autoren finanziell leisten. Das eBook brachte die Revolution. In der digitalen Welt kann jeder dank Selfpublishing zum Verleger werden. Millionen Bücher hält die Cloud bereit.

Leichte Literatur auf Groschenromanniveau

Doch was bedeutet Selfpublishing für die Literatur? Wie steht es um die Qualität der selbstverlegten Bücher? Diese Fragen diskutierten die Teilnehmer der 14. Lektorentage im September in Bonn. "Bei den professionellen Selfpublishern, die sich bewusst für diese Form der Veröffentlichung entschieden haben, beobachte ich in der Spitze eine sehr gute Qualität", sagte Wolfgang Tischer, Journalist, Literaturkritiker und Gründer von "literaturcafe.de". Diese Autorengruppe setze auf professionelle Dienstleister wie Cover-Designer und Lektoren. "Doch bei der leichten Literatur ist die Qualität streckenweise lausig, sie erreicht nur Groschenromanniveau", kritisierte der Branchenkenner. Thriller, Krimis, Erotik und Fantasy seien die Spitzenreiter der Selfpublishing-Branche. Große Literatur hingegen sei selten. Was auch daran liegt, dass die Autoren im Selfpublishing das unternehmerische Risiko tragen, etwa die Kosten für Cover-Design und Lektorat, und das Honorar nicht kalkulierbar ist. Dann doch lieber einen Roman mit einem Schuss Sex schreiben, dessen Verkauf wahrscheinlicher ist...

"Viele Leser sind an Qualität nicht interessiert"

"Der Markt wird getrieben von Leuten, die unterhalten werden wollen, die Texte schnell weglesen und sie nicht im Bücherregal als intellektuelle Tapete stehen haben wollen", erklärte Tischer. "Viele Leser sind an Qualität nicht interessiert, die Erwartungen sind niedrig. Die Leser verzeihen sogar Rechtschreibfehler", berichtete Regina Mengel, die seit 2010 als Autorin und Selfpublisherin tätig ist. Sie ist Gründungsmitglied von "Qindie - das Autorenkorrektiv", einem Zusammenschluss von Autoren mit einer Online-Plattform. Das Q steht für Qualität, das Indie für "Indie"-Autoren, also Selfpublisher. Über sich selbst sagt das Autorenkorrektiv: "Die Initiative für Qindie entstand aus dem Gedanken heraus, eine Schneise in den kaum zu durchdringenden Dschungel aus oftmals lieblos und schlecht gemachten Indie-Publikationen zu schlagen, um dem Leser den Weg zu professionell erstellten Büchern zu weisen." "Ich habe das Gefühl, dass die Ansprüche der Leser extrem gesunken sind. Aber wir wollen das Bestmögliche, die Käufer können erwarten, dass der Autor in Qualität investiert hat", betont die Selfpublisherin.

Käufer entscheiden über Topp oder Flopp

"Wir bei 'epubli.de' sehen uns als Qualitäts-Führer. Wir wollen mehr bessere Bücher - weil die sich besser verkaufen", sagt Markus Hartmann, Interims-CEO bei der Selfpublishing-Plattform aus Berlin-Kreuzberg. Seit 2008 können Autoren, ihr Buch über die Tochter der Holtzbrinck Digital veröffentlichen und verkaufen - gedruckt und als eBook, im Buchhandel sowie bei Amazon, Apple, Google etc. Dort funktioniere das Urteil über Topp oder Flopp direkt durch die Käufer: Denn ein schlechtes Buch erhält negative Leserbewertungen und verkauft sich infolge dessen nicht mehr. Auch privatwirtschaftliche oder kommunale Unternehmen, Institutionen oder Behörden sind mit Kunden- und Mitarbeitermagazinen sowie Bilanzberichten Selbst-Verleger. "Wir haben sehr hohe Qualitätsansprüche, können und wollen uns natürlich nicht blamieren, deshalb arbeiten wir mit einer Agentur zusammen und das Lektorat ist für uns unverzichtbar", sagte Holger Klein. Der Pressesprecher des Verkehrsverbund Rhein-Sieg GmbH betonte, dass das Unternehmen sich professionalisiert habe und in der Spreche nutzerfreundlicher geworden sei: "leicht erklärend, informativ, korrekt".

Der Werbespruch alleine reicht nicht

"Unsere Auftraggeber haben sehr komplexe Inhalte, die gilt es gut zu erklären und rüberzubringen. Der Werbespruch alleine reicht da nicht", sagte Detlev Stamm, Etat Director bei der Agentur Zink und Kraemer aus Trier. Für ihn sind Qualitätsmanagement und Qualitätssicherheit ohne Lektorat nicht denkbar: "Das Lektorat schafft uns Probleme vom Hals. Ich habe Kostentransparenz für den Kunden durch die Fremdrechnung. Und dadurch hat die Leistung mehr Wert. Das Lektorat schützt uns vor Betriebsblindheit und ist ein Korrektiv für verständliche Texte." Wolfgang Tischer brachte die Regel für qualitätsvolles Selfpublishing auf eine einfache Formel: "Erstens: machen und zweitens: gut machen."

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