Bülend Ürük | 30. September 2015 um 15:07
Bülend Ürük
Eine irrsinnige Schadenersatzsumme in Höhe von 1,5 Millionen Euro hat Jörg Kachelmann von Axel Springer gefordert. Dem mochte selbst das Landgericht Köln nicht folgen. Dennoch ist der jetzt aufgerufene Betrag von insgesamt 635.000 Euro viel zu hoch. Axel Springer muss in Köln für das Recht auf freie Berichterstattung, für den Journalismus ohne Schere im Kopf kämpfen. Denn laut Gericht gibt es keine Anhaltspunkte, dass die "Bild"-Reporter "vorsätzlich und mit Schädigungsabsicht gehandelt" haben. Im Gegenteil, die Journalisten haben sich halt nicht "rücksichtslos der Grenze zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit angenähert", wie das Gericht urteilt. "Bild" und sein Team müssten aber mit dem Vorwurf leben, "auf einem außerordentlich schwierigen Gebiet der Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen die rechtliche Grenzziehung fahrlässig verfehlt zu haben." Jörg Kachelmann, in glorreichen Zeiten Wettermoderator unter anderem bei der ARD, wurde 2011 in einem aufsehenerregenden Prozess vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Eine Ex-Geliebte hatte ihn damals angezeigt. Kachelmann sieht sich durch die Prozess-Berichterstattung verleumdet. Mit dem Verlag Burda, und das muss an dieser Stelle notiert werden, hat er sich außergerichtlich geeinigt. Der Münchner Verlag wollte es offensichtlich vermeiden, öffentlichkeitswirksam vor Gericht zu stehen oder gar in den Ruf zu kommen, für die journalistische Arbeit seiner Mitarbeiter zu kämpfen. Axel Springers Entscheidung, sich mit Kachelmann und seinem Kölner Juristen Ralf Höcker nicht außergerichtlich zu einigen, ist lobenswert, egal wie negativ die Kommentare gerade heute in den Sozialen Medien ausfallen. Die Berichte von "Bild", "Bild am Sonntag" und "Bild.de" waren halt keine "Pressekampagne" gegen Kachelmann, auch wenn der frühere ARD-Moderator das natürlich anders sieht und mit dem von ihm genutzten Hashtag #fiesefriede wohl die Gefühle von Verlegerin Friede Springer treffen möchte. Nur - die Boulevard-Journalisten von "Bild" sind ihrem Auftrag nachgekommen, ihre Leser hautnah zu informieren. Fehler passieren, und dafür muss ein Verlag auch geradestehen. Wie aber Medienhäuser, die dann halt nicht Axel Springer heißen, solche absurden Beträge stemmen sollen, auch wenn die dann vielleicht in Relation zur Größe gesetzt werden, bleibt vorerst nur ein Geheimnis der Juristen. Wenn Springer jetzt in Berufung geht, dann geht es für die Freiheit in Berufung, auch weiterhin direkt berichten zu können, ohne Schere im Kopf, dass morgen der eigene Verlag eine horrende Strafe bezahlen muss, weil eventuell ein Komma nicht sitzt oder ein Vorgang fehlerhaft dargestellt wird. Wenn Medienmacher zukünftig nur noch aus Rücksicht und Angst vor Schwierigkeiten ihre Berichterstattung einschränken, bleibt als Verlierer die Pressefreiheit alleine auf dem Platz zurück.
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