Tania Witte | 13. April 2016 um 16:37
Katrin Gottschalk (Foto: Stefanie Kulisch)
Katrin Gottschalk ist freies Denken gewöhnt. Und harte Arbeit. Weitgehend parallel baute sie das Profil der feministischen Frauenzeitschrift "Missy Magazine" mit aus, machte ihren Master in Kulturjournalismus, arbeitete als studentische Hilfskraft in einer Stiftung und wuppte zwei studienbegleitende Praktika bei "taz" und "Tagesspiegel". Stieg nebenbei zur Chefredakteurin der "Missy" auf und tritt Ende April, knapp drei Jahre nach Abschluss ihres Studiums, ihren neuen Job an: als stellvertretende Chefredakteurin der "taz".
Sympathie auf den ersten Blick
Die gebürtige Dresdnerin, die zunächst Kulturwissenschaften in Frankfurt/Oder und danach Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste studierte, steht in dem Dreierteam für internetaffinen, feministischen und diversen Journalismus mit Blick auf neue Strategien und Kampagnen.
Ihre Karriere scheint linear und zielgerichtet. Nach der (obligatorischen) Schülerzeitung leitete sie bei dem Jugendmagazin "Spiesser" die Redaktion Sachsen und knüpfte schon da erste Kontakte mit der "taz".
"Das damalige Projekt hieß 'Q-rage' und war die Zeitung des Projekts Schule ohne Rassismus", erzählt sie. "Im Rahmen dessen waren wir dann auch in der 'taz'-Redaktion. Die Leute da waren ein bisschen schnodderig, aber auch so herzlich und sehr leidenschaftlich politisch. Ich habe gemerkt: Die wollen was, die haben einen Antrieb. Das fand ich sehr sympathisch und ab da war eigentlich klar, dass ich auch zur 'taz' wollte."
Wen kümmert ein Geburtsdatum?
Während ihres Studiums an der UdK in Berlin lernte Gottschalk den jetzigen "taz"-Chefredakteur Georg Löwisch kennen. "Wir haben uns gleich zu Anfang über irgendetwas gestritten", erinnert sie sich. "Worüber weiß ich nicht mehr, aber wir haben ausgiebig darüber geredet und danach war unser Verhältnis abgesteckt. Seither diskutieren wir immer über alles Mögliche. Das war und ist eine tolle Erfahrung - zu wissen, da ist eine Person mit der ein ehrlicher Austausch stattfindet."
Als Löwisch über sein Chefredaktionsteam nachdachte, war Gottschalk neben Barbara Junge sofort präsent. Zweifel bezüglich Gottschalks Alter - sie ist dreißig - kamen im Auswahlverfahren nicht zur Sprache. "Wer, wenn nicht die 'taz' sollte eine 30-Jährige in die Chefredaktion holen? Das schien selbstverständlich. Es ging eher um Kompetenzen, um Teamorientierung und um Führungskultur."
Das Erfolgsgeheimnis der "Missy"
Ein schönes Signal: Eine Dreißigjährige, die gerade ein feministisches Magazin leitet, kommt in die Chefetage einer Tageszeitung. Und das nicht, weil sie sich werbewirksam präsentiert oder in irgendwelchen Medienblättern gefeiert wurde, sondern weil sie ist, wie sie ist: Klug, teamorientiert und nicht von den klassischen Strukturen des Medienbusiness geprägt.
"Die 'Missy' ist ein großer Spielplatz. Du wirfst Ideen in den Raum und dann setzt du die einfach um. Dadurch lernst du nonlinear und breiter zu denken, was die Möglichkeiten angeht, während du in anderen Redaktionen vermutlich begrenzt worden wärst, weil alles zuerst mit den Chefs abgestimmt werden muss - oder es auch einfach mehr zu verlieren gibt und deshalb weniger gewagt wird."
Das Konzept geht auf, schließlich hält sich das "Missy Magazine" seit bald acht Jahren auf dem Markt und hat es geschafft, zu einer relevanten Stimme im deutschsprachigen Raum zu werden - mit einem Thema, von dem niemand etwas hören wollte. Das Erfolgsgeheimnis nimmt Gottschalk auch mit zur "taz": "Wir haben intern immer sehr viel diskutiert. Und weil wir Entscheidungen lange besprechen, ist 'Missy' auch so gut. Bei der 'taz' stelle ich es mir ähnlich vor."
Von Talentschmiede zu Talentschmiede
Trotz dieser Ähnlichkeiten fällt es schwer, das Magazin, das zugleich Baby und Ziehmutter ist, zu verlassen. "Die 'taz' kennt das Problem, dass andere Medien ihre Leute abwerben - als Talentschmiede zu gelten, ist ein Kompliment für die Qualität des Blattes. Und ein bisschen gilt das wohl auch für 'Missy', erst ging unsere ehemalige Chefredakteurin Chris Köver zu 'Wired', jetzt geh ich zur 'taz'. Aber auch wenn es weh tut: Das Heft ist eine starke Marke geworden und mit jeder neuen Person kommen neue Impulse."
Für die "taz" ist Gottschalk selbst so ein Impuls. Mit dem Chefredaktionsteam will sie tazeigene Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft finden statt vorgegebenen Pfaden zu folgen - immer im Zusammenspiel mit den anderen "taz"-Mitarbeitenden. "Die tazler_innen haben sehr starke Meinungen, das ist gemeinhin bekannt. Also entwickelst du zusammen, beziehst verschiedene Standpunkte und Sichtweisen mit ein und wenn dann etwas gemeinsam entschieden wird, kannst du aus Überzeugung sagen: 'Ich steh dazu.'"
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