6. Januar 2017 um 06:43
Froben Homburger, Nachrichtenchef der Deutschen Presse-Agentur. Foto: Michael Kappeler/dpa
Zwölf Tage im Juli: Ein Terrorist rast mit einem Lastwagen über die Uferpromenade von Nizza +++ In der Türkei putschen Teile des Militärs gegen Präsident Erdogan +++ In einem Regionalzug bei Würzburg geht ein Islamist mit Axt und Messer auf Fahrgäste los +++ In München erschießt ein Amokläufer neun Menschen +++ Bei einem Musikfestival in Ansbach sprengt sich ein syrischer Flüchtling in die Luft. Zwölf Tage, die Europa erschüttern und die Medien in dauerhafter Atemlosigkeit halten. Die Deutsche Presse-Agentur sendet allein zwischen dem 14. und 25. Juli vergangenen Jahres mehr als 100 Eilmeldungen. Insgesamt finden sich 2016 etwa 1.200 Breaking News im dpa-Basisdienst - und damit 240 mehr als im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2015. Selbst nach Abzug aller Medaillen-EILs der Olympischen Spiele in Rio entspricht das noch einer Steigerung um 180 Kurzmeldungen der zweithöchsten Priorität. 2016 war also tatsächlich ein außergewöhnliches Jahr. Oder gingen etwa den Redakteuren die Eilmeldungen schlicht zu locker von der Hand? 28 Eilmeldungen zum Putschversuch in der Türkei Schon zu Jahresbeginn hatte sich angedeutet, welches Großthema das mit Abstand breaking-news-stärkste werden wird: Die ersten fünf dpa-Eilmeldungen 2016 hatten allesamt das Stichwort "Terrorismus" im Meldungskopf. Bis zum 31. Dezember sollten noch knapp 170 weitere zu Anschlägen, Ermittlungen und Anti-Terror-Maßnahmen hinzukommen. Bei den Einzelereignissen stach der Putschversuch in der Türkei mit 28 Eilmeldungen innerhalb von 16 Stunden heraus, gefolgt vom Münchner Amoklauf mit 20 Eilmeldungen binnen 23 Stunden. Damit ist zumindest vorerst ein Trend gestoppt, der bis 2016 eindeutig schien: Während die größte deutsche Nachrichtenagentur in den Jahren 2000 bis 2012 im Durchschnitt rund 1.400 Ereignisse eilte, waren es danach nur noch jeweils 950 bis knapp 1.000. Dazu beigetragen haben zum einen Format-Änderungen in den dpa-Textdiensten: Mit Priorität 2 gesendet werden heute nur noch die kurzen Spots zu herausragenden Ereignissen oder zu neuen Entwicklungen innerhalb einer Top-Lage - und nicht mehr wie früher auch die etwas längeren Überblicke oder gar einzelne Zusammenfassungen. Schwellen für Eilmeldungen angehoben Zum anderen hat dpa die Schwellen für Eilmeldungen angehoben, die Kriterien schärfer gefasst. Oberstes Credo: Eine Nachrichtenagentur sollte sich keinem Alarmismus hingeben, sondern Ereignisse immer besonnen priorisieren - erst recht dann, wenn die Aufregung in den sozialen Medien besonders groß ist. Natürlich gab es auch 2016 die eine oder andere Eilmeldung, die im Nachhinein betrachtet keine war. Jeder dieser Einzelfälle ist ärgerlich, und die Kritik an jedem Einzelfall ist berechtigt - aber es sind eben Einzelfälle. Und daran hat sich im vergangenen Jahr nichts geändert. Daher: Ja, 2016 war ein in vielerlei Hinsicht außergewöhnliches Jahr - und das spiegelt sich auch in der Zahl der dpa-Eilmeldungen wider. Sehr besonders war 2016 auch in einer zweiten Hinsicht: Erstmals seit mehr als 20 Jahren sendete dpa in einem Kalenderjahr wieder zwei Blitzmeldungen zu zwei voneinander unabhängigen Ereignissen, nämlich zum Brexit-Votum in Großbritannien und zur Wahl von Donald Trump. Zuletzt war das 1995 der Fall mit Blitzen zur französischen Präsidentenwahl und zum Tod des israelischen Ministerpräsidenten Izchak Rabin. Zwar gab es auch 2005 und 2013 jeweils zwei dpa-Meldungen der Priorität 1 - aber immer zu dem gleichen Ereignis: dem Tod beziehungsweise Rücktritt des alten Papstes und der Wahl des neuen Papstes. Insgesamt sendete dpa in ihrer 67-jährigen Geschichte rund 60 Blitze, den ersten am 19. März 1951: "Montanvertrag paraphiert". Vor allem in den 1950er Jahren ging die Redaktion noch recht großzügig mit diesem Format um, das eigentlich epochalen Ereignissen vorbehalten sein sollte: Mit Priorität 1 informiert wurde beispielsweise 1952 über die Wahl der stellvertretenden DGB-Vorsitzenden Matthias Föcher und Georg Johannes Reuter oder 1953 über den Tod des evangelischen Landesbischofs von Württemberg, Theophil Wurm. Spätestens seit der Wiedervereinigung (die übrigens nicht als Blitz gemeldet wurde, sondern in dem inzwischen abgeschafften Format "EIL EIL") ist die dringendste Meldungskategorie aber eine Rarität in den dpa-Diensten: In den vergangenen 26 Jahren verschickte die Deutsche Presse-Agentur lediglich 19 Blitze an ihre Kunden. Froben Homburger
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