Thomas Schmoll | 2. Mai 2017 um 17:15
"Der Schutz von Whistleblowern, der ökonomische Niedergang vieler Medien, die Verbreitung von Fake-News - es gibt reichlich Themen, die wir in unserer Organisation anpacken müssen und werden": Lutz Kinkel
Lutz Kinkel, bis Ende Dezember 2016 Berliner Büroleiter von "Stern.de", ist zum Geschäftsführer des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig ernannt worden. Die im Juni 2015 gegründete Einrichtung versteht sich als "Alarmzentrum" bei Angriffen gegen Journalisten bei der Ausübung ihres Berufs. "Die Pressefreiheit hat hohen Wert und ist ständig bedroht. Sie jeden Tag aufs Neue zu verteidigen - das ist unser Job", beschrieb Kinkel die Aufgabe der Organisation. Der 50-Jährige sagte: "Nur wenn wir die Pressefreiheit wahren und uns auf einen faktengetriebenen politischen Diskurs besinnen, kann die Demokratie funktionieren." Dafür stehe das Zentrum.
Kinkel ist seit mehr als 20 Jahren als Journalist tätig. Er war unter anderem bei "Spiegel Online", "Tagesschau.de" und beim NDR tätig. Für "Stern" und "Stern.de" hatte er insgesamt elf Jahre gearbeitet. Philipp Jessen, der Chefredakteur von "Stern.de", hatte versucht, Kinkel von Berlin abzuziehen. Kinkel hatte einen Wechsel nach Hamburg jedoch abgelehnt und sich einen neuen Job gesucht.
Das Zentrum ist als europäische Genossenschaft organisiert. Ihr gehören zahlreiche Verbände und Gewerkschaften, Medienunternehmen, aber auch einzelne Journalisten aus Europa an. Es finanziert sich aus Mitteln der EU, des Landes Sachsen, der Stadt Leipzig und der Medienstiftung der Leipziger Sparkasse. Im ersten Jahr war nach früheren Angaben ein Budget von 1,2 Millionen Euro vorgesehen.
Das Zentrum registriert Verstöße gegen die Europäische Charta der Pressefreiheit, die 48 Chefredakteure und leitende Journalisten im Mai 2009 unterzeichnet hatten. Als Kernziel bezeichnet es die Organisation, europäische Medienfreiheitsinitiativen und -akteure zu einen und deren Aktivitäten zu unterstützen. Sie will Verletzungen der Pressefreiheit und die Verfolgung von Journalisten europaweit dokumentieren und darüber informieren.
In Vorstand und Aufsichtsrat sitzen bekannte Journalisten und Verlagsmanager, darunter Christoph Keese, bis vor wenigen Wochen Executive Vice President der Axel Springer SE, und das "Stern"-Urgestein Hans-Ulrich Jörges. "Wir wollen von Leipzig aus eine große laut vernehmbare Glocke für die Medienfreiheit läuten", hatte Jörges anlässlich der Gründung des Zentrums erklärt.
Angriffe auf die Freiheit der Medien sind inzwischen auch in Europa an der Tagesordnung. Der Europarat legte jüngst eine Studie vor, in der gut ein Drittel der befragten Journalisten aus fast 50 Staaten angaben, körperlich angegriffen worden zu sein. 69 Prozent waren eigener Aussage zufolge Opfer psychischer Gewalt in Form von Einschüchterung, Drohungen, Verleumdung und Erniedrigung.
"Die Gefahren für die Pressefreiheit sind überall zu sehen", sagte Kinkel und verwies auf die Lage in der Türkei, wo Dutzende Journalisten in Gefängnissen sitzen. "In anderen Ländern wie Ungarn wird die Arbeit von Reportern zumindest erschwert", sagte er. In Deutschland seien 2016 nach 19 Journalisten tätlich angegriffen worden, zum Beispiel im Umfeld von Pegida-Demos. "Der Schutz von Whistleblowern, der ökonomische Niedergang vieler Medien, die Verbreitung von Fake-News - es gibt reichlich Themen, die wir in unserer Organisation anpacken müssen und werden."
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