Bodo Hombach, David Schraven, Correctiv und die Brost-Stiftung

Das Recherchebüro Correctiv ist das erfolgreichste Non-Profit-Projekt im deutschen Journalismus. Um es zu etablieren, ist Macher David Schraven eine enge Verbindung zum ehemaligen Kanzleramtsminister Bodo Hombach eingegangen. Und die sorgt für Interessenkonflikte.

Markus Wiegand | 31. Mai 2017 um 10:03

Brost-Stiftungsvorstand Bodo Hombach: Er war zwei Jahre im Ethikrat von Correctiv und legte dann sein Amt nieder. Der Grund: mögliche Interessenskonflikte.

"Ich hab keine Ahnung, wer so einen Unfug verbreitet": Correctiv-Chef David Schraven

Bodo Hombach ist seit Juni 2011 stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Brost-Stiftung, die Correctiv zwischen 2014 und 2016 mit mehr als drei Millionen Euro förderte. 2014 wurde Hombach zusätzlich Vorsitzender des Ethikrates von Correctiv. Dieses Amt gab Hombach allerdings Mitte 2016 wieder auf, berichtete Marvin Oppong in "kress pro" (Ausgabe 3/2017). "Ich persönlich stehe nun in einem schwerwiegenden Interessenkonflikt, den ich aufzuheben gedenke", schrieb Hombach zu seinem Rücktritt an Correctiv. "Neben meiner inhaltlichen Identifizierung mit dem Projekt Correctiv bindet mich meine Funktion als Vorsitzender des Ethikrates in so erheblichem Maße, dass die Mitwirkung an der Willensbildung innerhalb der Stiftung, ob wir Ihren Wünschen nach zusätzlicher finanzieller Unterstützung gerecht werden können, empfindlich eingeschränkt ist."
Eine andere Erklärung für den Rückzug Hombachs aus dem Ethikrat bietet eine Quelle aus dem Umfeld, schreibt Oppong. Im Sommer vergangenen Jahres veröffentlichte Correctiv demnach die große Geschichte "Euros für Ärzte". Darin ging es um Zahlungen an Mediziner durch die Pharmaindustrie, die Correctiv aufwendig aus verschiedenen Quellen zusammentrug. Spiegel Online und Correctiv erstellten dazu eine Datenbank mit den Namen von 20.000 Ärzten. Darin sind die Mediziner und ihre Sponsoren aus der Pharma-Welt mit Name und Ort auffindbar. Zudem gab es eine Reihe von Geschichten zum Thema bei Correctiv. Update 3. Oktober 2017: Chronologisch stellt sich der Ablauf so dar: Bodo Hombach ist Ende Mai 2016 zurückgetreten, mit Wirkung zum 1. Juni. Die beschriebene "Euros für Ärzte"-Geschichte wurde gemeinsam mit Spiegel Online am 14. Juli 2016 veröffentlicht. Rund sechs Wochen später. Weitere Geschichten zum Thema wurden von Correctiv erst in Folge veröffentlicht. Kress legt Wert auf die Tatsache, dass Correctiv bereits im März gemeinsam mit dem Rechercheverbund aus NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" eine Geschichte zu "Anwendungsbeobachtungen" veröffentlicht hatte. Darin ging es um Arzneistudien, die Experten als Schmiergeld an Ärzte werten. Diese Recherche läuft ebenfalls unter dem Label "Euros für Ärzte".
Vorsitzender des Vorstands der Brost-Stiftung ist Wolfgang Heit. Der Medizinprofessor war laut Stiftung "langjähriger Freund und enger Vertrauter der Stifterin Anneliese Brost". Wie die Quelle glaubhaft berichtet, soll Heit, der als ärztlicher Direktor viele Jahre die Kliniken Essen-Süd leitete, die Recherche missfallen haben. Die Correctiv-Berichterstattung zeigte immerhin, wie sich Ärzte als Berufstand in Interessenkonflikte verstricken. Angeblich soll die Verärgerung des Brost-Stiftungschefs Heit über die "Euros für Ärzte"-Geschichte mit dazu geführt haben, dass die Brost-Stiftung Correctiv künftig mit deutlich weniger Geld fördert.
Stiftungsratschef Heit selbst und die Brost-Stiftung widersprechen dieser Darstellung auf Anfrage über eine renommierte Hamburger Medienrechtskanzlei. Correctiv-Initiant David Schraven schrieb auf Anfrage, es handele sich um "Spekulationen", die "frei erfunden" seien. "Ich hab keine Ahnung, wer so einen Unfug verbreitet", teilte Schraven mit.
Die Frage, warum weder Hombach noch Schraven zwischen 2014 und 2016 in der Doppelfunktion Hombachs als Ethikratchef bei Correctiv und im Vorstand der Brost-Stiftung einen Interessenkonflikt erkannten, blieb indes offen. Correctiv sind im Hinblick auf die obige Berichterstattung von Ende Mai 2017 folgende Punkte wichtig, zu denen kress.de sich verpflichtet hat:
  • Correctiv, Bodo Hombach und die Brost-Stiftung weisen darauf hin, dass Hombach bereits am 30. Mai 2016 durch einen Brief an David Schraven zurückgetreten sei, während die Geschichte "Euros für Ärzte" erst am 14. Juli 2016 veröffentlicht wurde.

  • Professor Heit versichert, er habe von der Recherche zu der Geschichte vor ihrer Publikation nichts gewusst und weder Recherche noch Geschichte hätte ihm missfallen.

  • Professor Heit versichert, er habe nicht auf den Rücktritt Hombachs vom Vorsitz des Correctiv-Ethikrates hingewirkt.

  • Hombach bekräftigt: "Herr Prof. Heit hat insbesondere nicht auf mich eingewirkt, dass ich wegen dieser Veröffentlichung vom Vorsitz des Ethikrates zurücktrete."

  • Schraven sieht zwischen dem Rückzug Hombachs aus dem Ethikrat und der von Correctiv publizierten Geschichte "keinerlei Zusammenhang".

  • Correctiv und Heit erklären, dass Recherche oder Geschichte nicht ursächlich dafür seien, dass die Brost-Stiftung Correctiv zukünftig mit weniger Geld fördere.

  • Correctiv ergänzt, man habe in den ersten drei Jahren eine Anschubfinanzierung erhalten; für das Jahr 2017 seien zunächst 400.000,00 Euro an Fördermitteln bewilligt worden; eine zusätzliche projektbezogene Förderung für 2017 sei beabsichtigt, könne aber derzeit noch nicht abschließend beziffert werden, weil die endgültige Höhe von der Erreichung bestimmter Ziele abhängig sei; die Brost-Stiftung bestätigte dies.
"kress pro" - das Magazin für Führungskräfte bei Medien - erscheint wie kress.de im Medienfachverlag Oberauer. "kress pro"-Chefredakteur ist Markus Wiegand, Herausgeber Johann Oberauer. "Zum "kress pro"-Abo.

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