Attila Albert | 18. Juli 2019 um 09:44
Mediencoach Attila Albert schreibt auf kress.de jede Woche über Job & Karriere - frühere Kolumnen unter dem Beitrag.
In Seminaren für junge Führungskräften, wie ich sie selbst sowohl schon wahrgenommen wie durchgeführt habe, werden grundlegende Konzepte besprochen: Was bedeutet es, Chef zu sein (oder einer werden zu wollen)? Oft entsteht dabei der Eindruck, es gebe bestimmte feste Regeln, an die man sich halten müsse, um erfolgreich zu sein oder es käme auf den privaten Geschmack an - "also, ich sehe mich eher als partnerschaftlicher Chef!".
In Wahrheit zeichnet langfristig erfolgreiche Chefs eine Fähigkeit aus: Flexibilität, also mit unterschiedlichen Situationen und Menschen auch unterschiedlich umgehen zu können. Hier einige wichtige Parameter, zwischen denen sich ein Chef bewegen können muss, um die Ziele des Unternehmens gemeinsam mit seinem Team umsetzen zu können.
Operativ oder strategisch arbeiten
Die beiden Begriffe klingen hochtrabend, meinen aber im Grunde eine einfache Sache: Umsetzend oder gestaltend arbeiten. Für eine Ressortleiterin besteht die operative Arbeit beispielsweise darin, Themenangebote zu schreiben und in der Konferenz vorzustellen, Artikel zu redigieren und selbst auch Interviews zu führen. Ihre strategische Arbeit besteht darin, große Trends zu erkennen und ihr Ressort entsprechend anzupassen, etwa durch die Umgestaltung einer bestehenden Planstelle oder eine Umschichtung in ihrem Budget.
Im Normalfall macht eine Führungskraft immer beides, wenn auch - je nach Hierarchiestufe - zu unterschiedlichen Anteilen. Es ist wichtig, beides zu können. Wer nur strategisch arbeitet, wird schnell zum Theoretiker, dessen Ideen nicht über PowerPoint hinauskommen und oft unrealistisch sind. Wer nur operativ arbeitet, ist fleissig, führt und gestaltet aber nicht. Entscheidend ist, dass operative Arbeiten oft eiliger und wichtiger erscheinen (z. B., weil der Andruck naht). Empfehlung daher: Strategische Arbeiten im Kalender als festen Termin einplanen.
Autoritär oder partnerschaftlich führen
Eine der wichtigsten Einsichten für junge Vorgesetzte, die zum ersten Mal andere führen, ist: Jeder Mitarbeiter ist tatsächlich anders in seinen Fähigkeiten und Wünschen, Individualität ist nicht nur eine Theorie. Mancher Redakteur oder Autor möchte genau gesagt bekommen, was er wie zu tun hat - und erfüllt seine Aufträge dann auch gewissenhaft. Andere würden bei solch einem Führungsstil innerhalb weniger Monate kündigen, weil sie sich eingeengt und gegängelt fühlen würden. Sie wollen selbst entscheiden und liefern nur dann gute Arbeit ab.
Ein flexibler Chef kann nicht nur damit umgehen, sondern achtet sogar darauf, dass sein Team gemischt ist: Berufseinsteiger und erfahrene Profis, jemand, der gern und präzise Planungsaufgaben erledigt (z. B. als CvD), andere für unberechenbare Sondereinsätze (z. B. als Reporter). Einige, die sich besonders im Beruf engagieren wollen, andere, für die "Dienst nach Vorschrift" das bevorzugte Lebensmodell ist und die dafür gern auch weniger spektakuläre Aufgaben ordentlich erledigen, die den Stars der Redaktion schnell zu öde wären.
Strukturiert oder agil organisieren
Wie in einer früheren Kolumne geschrieben, muss ein guter Chef nicht alle Management-Trends mitmachen, sollte sie aber zumindest einmal gehört haben. Dazu gehört auch das "agile" Arbeiten: Das Aufbrechen starrer Strukturen und Abläufe, um schneller und innovativer zu reagieren. Manche Medienhäuser arbeiten noch immer wie in den 90er Jahren, obwohl sich der Markt völlig verändert hat - ihnen kann das helfen.
Andere Redaktionen brauchen alles, aber keine Agilität - weil sie nämlich unorganisiert und chaotisch sind und, meist wegen ständiger Unterbesetzung oder zu vieler Praktikanten, jeden Tag improvisieren. Das führt zu mittelmäßigen Ergebnissen bei hoher Fluktuation und Krankmeldungen, sie brauchen mehr Struktur. Dazu gehört beispielsweise, Stellen enger zu definieren (nicht mehr "jeder macht alles") und oft überhaupt Stellenbeschreibungen einzuführen, Arbeitsabläufe in Swimlane- oder Flussdiagrammen niederzulegen und feste Tages- und Wochenstrukturen einzuführen.
Treibend oder abwartend herangehen
Mancher Chef ist besonders gut darin, seine Pläne gegen alle Widerstände zum Erfolg zu treiben. Durch besonderen Nachdruck, durch Motivierung seiner Mitarbeiter, auch durch leidenschaftliches Streiten mit allen, die sich ihm entgegen stellen. Andere Chefs können in aller Ruhe abwarten, wenn es nötig ist, auch wenn sie innerlich angespannt sind. Zuerst muss aber der Vorstand überzeugt sein, das Budget freigegeben, die neuen Mitarbeiter eingestellt.
Auch hier gilt, dass beides seine Zeit hat. Wer immer nur treibt, verschleißt sich selbst und seine Mitarbeiter, überfordert auch das Unternehmen ("organisatorisches Burnout"). Wer immer nur abwartet, hat sich im Grunde in den Umständen eingerichtet und gestaltet sie höchstens noch in Details. Damit vertreibt er leistungsstarke, engagierte Mitarbeiter, denen alles zu langsam geht, und unterstützt einen langsamen Niedergang.
Jeder dieser Punkte beschreibt gegensätzliche Modelle, die zwar gewissen Moden und persönlichen Vorlieben unterliegen, aber beide ihre Berechtigung haben. Ein flexibler Chef erkennt, was in seinem Team notwendig ist, kann beides einführen und, wenn erfolgreich, wiederum anpassen - denn zumindest der Wandel ist eine Konstante.
Zum Autor: Attila Albert (46) begleitet mit seiner Firma Media Dynamics seit mehreren Jahren Medienprofis bei der beruflichen und persönlichen Neuorientierung. Albert hat selbst mit 17 Jahren als Journalist zu arbeiten begonnen. Anfangs bei der "Freien Presse" in Chemnitz, eine der größten deutschen Regionalzeitungen, später insgesamt 23 Jahre bei Axel Springer, unter anderem als Textchef und für Sonderaufgaben bei der "Bild"-Bundesausgabe, danach als Autor bei der Ringier AG in Zürich. Berufsbegleitend hat er sich in den USA zum Coach ausbilden lassen sowie vorher ein dreijähriges Webentwickler-Studium absolviert.
Sind Sie zufrieden mit ihrem Arbeitgeber? Wir recherchieren Woche für Woche alle Jobangebote aus der Branche und machen daraus einen Job-Newsletter. Ein Blick auf Ihren Marktwert lohnt sich immer. Vielleicht stimmt ja der Job, nicht aber das Geld. Sie stellen ein? Hier können Sie Ihre Stellenanzeige aufgeben. Exklusive Storys und aktuelle Personalien aus der Medien- und Kommunikationsbranche gibt es von Montag bis Freitag in unserem kressexpress. Kostenlos unseren Newsletter abonnieren.
Was tun, wenn das Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert?
Was tun, wenn Sie im falschen Job gelandet sind?
Hoffnung auf einen neuen, besseren Job? Gibt es auch heute noch
Job-Kolumne: Kennen Sie Ihre Stärken und Schwächen?
Jobwechsel: Was Sie zu Ihrem Chef und Ihrem Team sagen
Dauerhaft belastet - wie komme ich aus einer Krise?
Ist die innere Einstellung wirklich so wichtig für den Erfolg?
Job-Kolumne: Ganz entspannt zum Vorstellungsgespräch
Job-Kolumne: Was kann ich eigentlich noch so alles?
Job-Kolumne: Wie schaffe ich es, ein ganzheitliches Leben zu führen?
Das ist nicht der Job, für den ich gekommen bin!
Cholerischer Kollege - wie kann ich mich wehren?
So bekommen Sie mehr Energie für Job und Privatleben
Kolumne: Wo gibt’s noch Jobs im Journalismus?
So nutzen Sie die letzten Monate im alten Job
Wie sich Medienprofis von Schulden, Drogen und Lebenskrisen befreien
Nach den Ferien: So leben Sie mehr im Einklang mit sich selbst
Wenn der neue Job einfach nicht zu Ihnen passt
5 Faktoren, die eine Karriere zerstören können
Kolumne: Stellenanzeigen - wichtig, aber nicht zu ernst nehmen
Wenn Medienprofis die eigene Herkunft peinlich ist
Warum so viele von Change reden, aber dagegen sind
Medienprofis mit Nebenjob - warum sich das oft lohnt
Job-Kolumne: Gerechter Zorn ist auch keine Lösung
Job-Kolumne: Wenn der Chef mal wieder nicht antwortet
Welche Inhalte Digitalabos bringen
Wie Chefredakteur Jens Ostrowski mit den „Ruhr Nachrichten“ weiter bei den Plus-Abos wächst. Dazu die neuesten Erkenntnisse des Datenprojekts Drive, in dem Zeitungen ihre Paid-Erfahrungen austauschen.
Als registrierter Nutzer erhalten Sie unbegrenzten Zugang zu exklusiven Medien-Storys, wichtigen Personalien, spannenden Debatten, relevanten Jobs, Rankings & Cases.