Attila Albert | 1. August 2019 um 14:16
Attila Albert schreibt auf kress.de eine wöchentliche Jobkolumne - frühere Beiträge unter dem Text.
Fragt man Medienprofis, worauf sie sich am meisten in den Ferien freuen, sind die Antworten oft erstaunlich unspektakulär. Das Ziel mag zwar exotisch sein, doch wirklich wichtig sind vielfach ganz einfache Dinge: Aufstehen zu einer Zeit, die man sich selbst ausgesucht hat, ein bisschen am Strand laufen oder schwimmen gehen, mal wieder ein Buch lesen, Zeit für Partner und Kindern haben, vielleicht etwas mehr Sport.
Wie sehr unterscheidet sich diese Zeit, in der Sie für zwei oder drei Wochen ziemlich selbstbestimmt leben können, von Ihrem Alltag - und welchen Unterschied macht das für Ihr Wohlbefinden? Der Vergleich zeigt Ihnen, wie sehr Sie bisher im Einklang mit sich leben, mehr noch als der Unterschied zwischen Werktagen und Wochenenden. Hier einige Gedanken, die Ihnen helfen können, mehr nach Ihren eigenen Werten zu leben.
Selten ein radikaler Wechsel gewünscht
Zuerst: Ein bisschen Freiheit kostet jeder Beruf, das ist unvermeidlich, auch wenn manche Aussteiger-Blogger und Instagram-Influencer das Gegenteil behaupten (bis sie irgendwann dann doch nicht mehr wie Studenten leben wollen). Selbst ein Surflehrer in der Karibik muss, wenn er nicht alle Kunden verlieren will, zu seinen verabredeten Kursen auftauchen, und der reisende Natur-Fotograf seine Aufnahmen aufbereiten und verkaufen.
So geht es für Medienprofis, die den Stress im Newsroom oder Büro, lange Arbeitszeiten oder zu viele Dienstreisen leid sind, meist um eine veränderte Dosierung. Gelegentlich hat ein Coaching-Klient zwar den Wunsch, sein Leben radikal zu verändern, doch auch dann geht es oft nur um einige Elemente (z. B. Wohnort). Der Blick auf das, was Sie im Urlaub am liebsten machen, zeigt Ihnen die Schwerpunkte, wenn Sie nicht sowieso schon klar sind.
Eine langjährige Chefreporterin verbrachte ihre Ferien - wenn immer möglich - in ländlichen Gasthäusern in Irland, wo fast jeden Tag reiten ging. Auswandern wollte sie, schon weil sie ihre Muttersprache und Kontakte nicht aufgeben wollte, nicht. Aber sie entschied sich, aus der Stadt aufs Land zu ziehen und mit einer anderen Frau eine Reitbeteiligung (gemeinsam gehaltenes Pferd) einzugehen. Ein Fotograf fuhr in den Ferien fast nie weg, sondern nutzte sie, um in seinem Garten zu arbeiten. Im Lauf der Zeit spezialisierte er sich auch beruflich auf Naturfotos und konnte einen Bildband zum Thema Gärten an einen Verlag verkaufen.
Führungskräfte müssen oft ganz neu planen
Insbesondere bei Führungskräften zeigt der Blick auf dem alltäglichen Kalender häufig, dass ganz normale Wünsche wie ein Kinoabend mit Freunden, zwei- bis dreimal Sport pro Woche oder ein freies Wochenende für einen Familienausflug gar nicht machbar sind. Hier gibt es selten den Befreiungsschlag, der dieses Problem sofort löst. Aber mehrere kleine Schritte können helfen, beispielsweise ein zweiwöchentlicher Home-Office-Tag, eine Begrenzung der Dienstreisen (oder feste Tage dafür), mehr Videokonferenzen, bei Pendlern ein Umzug.
Die Erfahrung zeigt, dass es nach der Rückkehr aus den Ferien meist nur wenige Tage braucht, ehe die Routine wieder eingekehrt ist - oft reicht schon der Blick auf all die E-Mails, die in der Zwischenzeit aufgelaufen sind. Die letzten Tage vor der Rückreise und das Wochenende vor dem erneuten Arbeitsbeginn sind oft die Phase, in denen die Motivation am höchsten ist. Planen Sie, wenn immer möglich, ein, zwei kleine Veränderungen.
Ein Werte-Assessment kann helfen, auf einer etwas tieferen Ebene über dieses Thema nachzudenken. Das ist eine Auflistung von Werten (z. B. Abenteuerlust, Natur, Spaß), die Sie für sich selbst jeweils auf einer Skala von 1 bis 10 bewerten - wie wichtig ist Ihnen dieser Wert und wie stark leben Sie Ihn aktuell schon. (Falls Sie solch ein Arbeitsblatt wollen, um es einmal auszuprobieren, senden Sie mir einfach eine kurze Nachricht).
Nutzen Sie also die Sommerferien, wenn Sie schon unterwegs waren oder auch, wenn Sie sich erst noch darauf freuen, um sich ein bisschen klarer zu werden: Was wollen Sie in Ihren Alltag mitnehmen, wenn die Koffer wieder ausgepackt sind? Es braucht meist gar nicht viel, um glücklicher und zufriedener zu sein. Dass sich dann jeder Tag wie Urlaub anfühlt, wäre wahrscheinlich übertrieben, eine deutliche Verbesserung ist aber auf jeden Fall möglich.
Zum Autor: Attila Albert (46) begleitet mit seiner Firma Media Dynamics seit mehreren Jahren Medienprofis bei der beruflichen und persönlichen Neuorientierung. Albert hat selbst mit 17 Jahren als Journalist zu arbeiten begonnen. Anfangs bei der "Freien Presse" in Chemnitz, eine der größten deutschen Regionalzeitungen, später insgesamt 23 Jahre bei Axel Springer, unter anderem als Textchef und für Sonderaufgaben bei der "Bild"-Bundesausgabe, danach als Autor bei der Ringier AG in Zürich. Berufsbegleitend hat er sich in den USA zum Coach ausbilden lassen sowie vorher ein dreijähriges Webentwickler-Studium absolviert. Sind Sie zufrieden mit ihrem Arbeitgeber? Wir recherchieren Woche für Woche alle Jobangebote aus der Branche und machen daraus einen Newsletter. Ein Blick auf Ihren Marktwert lohnt sich immer. Vielleicht stimmt ja der Job, nicht aber das Geld. Sie stellen ein? Hier können Sie Ihre Stellenanzeige aufgeben. Exklusive Storys und aktuelle Personalien aus der Medien- und Kommunikationsbranche gibt es von Montag bis Freitag in unserem kressexpress. Kostenlos unseren Newsletter abonnieren.
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