Attila Albert | 17. Oktober 2019 um 10:40
Mediencoach Attila Albert schreibt auf kress.de eine wöchentliche Kolumne - frühere Beiträge unter dem Text.
Man muss keine Feng-Shui-Theorien bemühen, um festzustellen: Jede Redaktion hat ihren eigenen "Vibe". Eine ganz spezielle Atmosphäre, die sich aus dem Titel und den Mitarbeitern, die für ihn arbeiten, ergibt. Der Begriff "Firmenkultur" beschreibt das zu wenig. Es geht nicht nur um die Werte und Gepflogenheiten des Unternehmens, sondern um das inhaltliche und kulturelle Mikroklima: Worüber wird hier gesprochen und nachgedacht, wie sind Stil und Tonalität, was findet sich davon letztendlich in der Publikation wieder?
Das sind für einen Titel - und seine Mitarbeiter - nicht nur theoretische Überlegungen, sondern die Voraussetzungen für das geschäftliche Überleben: Wem es nicht gelingt, dadurch für Leser und Anzeigenkunden relevant zu bleiben, der muss irgendwann gehen. In der deutschen Mediengeschichte finden sich viele Beispielen dafür, "Quick", "Tempo", "Neon", "Amica", "Allegra", "Max" sind nur einige. Andere haben ihre Relevanz immer wieder neu etablieren können, indem sie ihr Konzept regelmäßig überdacht und angepasst haben.
Dankbarkeit ist keine langfristig gültige Währung
Als Coach für Medienprofis habe ich im Laufe der Jahre viele Redaktionen in Deutschland, der Schweiz und Österreich besucht. In manchen schien die Zeit stehengeblieben zu sein: Die Einrichtung ebenso noch aus den 90ern wie die Ideen und Arbeitsabläufe, alles irgendwie grau und erschöpft. Da hilft es irgendwann auch nicht mehr, verschiedenfarbige Stühle an den Konferenztisch zu rücken oder einen Tischfußballtisch in die Ecke zu stellen, um zumindest etwas Silicon-Valley-Ästhetik hereinzuholen. In anderen war und ist Frische und Dynamik spürbar: Hier hat jemand Lust auf die heutige Zeit, zeigt Gestaltungskraft und -willen.
Was für eine Redaktion gilt, das gilt ebenso für den einzelnen Mitarbeiter: Wer langfristig gefragt bleiben will, muss relevant bleiben. Die eigene Karriere hat vielleicht schon vor vielen Jahren an einem ganz anderen Ort angefangen, mancher hat anfangs gar noch auf der Schreibmaschine getippt. Doch Dankbarkeit ist keine langfristig gültige Währung im Berufsleben, sondern muss immer neu verdient werden. Das heißt: Modern, zeitgenössisch bleiben. Einige grundlegende Schritte können dabei bereits entscheidend helfen.
Halten Sie sich nicht ewig mit der Vergangenheit auf. Wer sich dabei ertappt, immer wieder von früher zu schwärmen ("Ich weiß noch, als wir...", "Zu meiner Zeit...", "Damals waren noch Profis am Werk..."), kann das als Hinweis nehmen: Es wird Zeit für neue Abenteuer. Eine gelegentliche Sentimentalität ist verständlich und schön, aber wir haben 2019. Achten Sie auf heutige Erfolge und die neuen Profis.
Setzen Sie sich den heutigen Trends und Themen aus. Wissen Sie, was in den aktuellen Charts bzw. Bestsellerlisten für Bücher oder Filme los ist oder konsumieren Sie hauptsächlich die angeblichen Klassiker, in Wahrheit meist die Favoriten der eigenen Jugend? Wenn es auch nicht immer Ihr persönlicher Geschmack sein sollte, ist es für Sie als Medienprofi entscheidend, über das Jetzt im Bilde zu sein.
Überprüfen Sie, wie aktuell Ihr Wissensstand ist. Das betrifft medienrelevante Technologien, aber auch Arbeitsweisen unserer Zeit, beispielsweise Agilität, Scrum oder Design Thinking. Überdenken Sie, wann Sie Ihre letzte Weiterbildung gemacht haben. Es ist nicht erforderlich, alles im Detail zu kennen. Aber Sie sollten in der Lage sein, die Trends der Branche zumindest grob einordnen zu können.
Jeder Marke wird regelmäßig optisch überholt. Das gilt für den redaktionellen Titel wie das eigene Erscheinungsbild. Wenn Sie noch immer den gleichen Look wie vor 20 oder 30 Jahren tragen, könnte es Zeit für ein Update sein. Scheuen Sie sich im Zweifel nicht, professionelle Beratung (z. B. Stylist) zu Rate zu ziehen. Das ist keine belanglose Oberflächlichkeit, Sie werden entsprechend wahrgenommen.
In jeder ersten Coaching-Sessions mit einem neuen Klienten geht es bei mir unter anderem um die persönliche Entwicklung. "Was haben Sie zuletzt Neues gelernt, sei es beruflich oder privat?", ist eine Frage dazu. Mancher muss lange überlegen, ehe ihm etwas einfällt, andere haben sofort ein, zwei Antworten. Die zweite Frage ist, was jemand lernen möchte. Häufige Antworten hier: Spanisch sprechen, Gitarre spielen, frei sprechen, besser fotografieren. Sie werden Ihre eigenen Pläne finden, wenn Sie einmal darüber nachdenken, und dadurch den Spaß an der Sache entdecken. Sie können auch nach einer langen Karriere immer noch ganz offen und spielerisch herangehen und sich Ihren eigenen Weg neu gestalten.
Zum Autor: Attila Albert (46) begleitet mit seiner Firma Media Dynamics seit mehreren Jahren Medienprofis bei der beruflichen und persönlichen Neuorientierung. Albert hat selbst mit 17 Jahren als Journalist zu arbeiten begonnen. Anfangs bei der "Freien Presse" in Chemnitz, eine der größten deutschen Regionalzeitungen, später insgesamt 23 Jahre bei Axel Springer, unter anderem als Textchef und für Sonderaufgaben bei der "Bild"-Bundesausgabe, danach als Autor bei der Ringier AG in Zürich. Berufsbegleitend hat er sich in den USA zum Coach ausbilden lassen sowie vorher ein dreijähriges Webentwickler-Studium absolviert. Sind Sie zufrieden mit ihrem Arbeitgeber? Wir recherchieren Woche für Woche alle Jobangebote aus der Branche und machen daraus einen Newsletter. Ein Blick auf Ihren Marktwert lohnt sich immer. Vielleicht stimmt ja der Job, nicht aber das Geld. Sie stellen ein? Hier können Sie Ihre Stellenanzeige aufgeben. Exklusive Storys und aktuelle Personalien aus der Medien- und Kommunikationsbranche gibt es von Montag bis Freitag in unserem kressexpress. Kostenlos unseren Newsletter abonnieren.
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