Wir haben bereits sieben Publisher gewonnen: Ex-Readly-Geschäftsführer Montgelas über Medien-Startup Forum.eu

Die besten Artikel über Europa-Themen, übersetzt in viele europäische Sprachen, an einer zentralen Stelle im Netz - das ist das Konzept der Medienplattform Forum.eu, die jetzt in einer Beta-Version gestartet ist. Im kress.de-Interview sagt Commercial Director Philipp Graf Montgelas, bis Ende 2019 Geschäftsführer der Magazin-Flatrate Readly in Deutschland, was das Startup Lesern und Publishern zu bieten hat.

Henning Kornfeld | 29. Juni 2020 um 10:45

Philipp Graf Montgelas

kress.de: Sie haben gerade die Beta-Version von Forum.eu gestartet. Was ist die inhaltliche Idee hinter dieser Diskussions- und Nachrichtenplattform?

Philipp Graf Montgelas: Die Gründer Nikolaus von Taysen, Paul Ostwald, Valentin von Albrecht und Jonas Bedform-Strohm verstehen sich als politisch interessierte Europäer. Sie haben festgestellt, dass mangelnde Kommunikation eines der Kernprobleme in Europa ist: Es wird dort mehr übereinander als miteinander geredet. Aus dieser Diagnose ist die Idee entstanden, das Miteinander in Debatten zu befördern, indem man qualitativ hochwertige Artikel aus qualitativ hochwertigen Medien auf einer Plattform zusammenbringt und in alle europäischen Sprachen übersetzt, so dass die Sprachbarriere als Diskussionshemmnis wegfällt.

kress.de: Das klingt so, als wäre Forum.eu eher eine dem Gemeinwohl verpflichtete Organisation als ein normales, gewinnorientiertes Unternehmen.

Montgelas: Es geht uns nicht darum, nur eine hehre idealistische Idee umzusetzen, sondern wir haben ein durchaus ambitioniertes Geschäftsmodell. Unser Gründer und Hauptinvestor Nikolaus von Taysen investiert mit Bonum Ventures allerdings vorrangig in Unternehmen mit "social Impact", die alle auch ein tragfähiges Geschäftsmodell besitzen

kress.de: Also ist Forum.eu nicht nur ein Nischenprodukt für einen elitären Kreis europäisch Interessierter?

Montgelas: Unbedingt! Neben den grundsätzlich politisch Interessierten haben wir zwei Kernzielgruppen: Einmal sind das Menschen, vom mittleren Management aufwärts, die für Organisationen tätig sind, für die das Thema Europa eine große Rolle spielt, zum Beispiel Banker, Anwaltskanzleien oder Politiker. Für sie ist der Blickwinkel auf europäische Themen aus dem Ausland interessant, aber wegen der Sprachbarriere oft nicht greifbar. Unsere zweite große Zielgruppe sind Studierende in ganz Europa.

kress.de: Welche Beiträge sind für die Plattform besonders interessant?

Montgelas: Wir haben bereits sieben Publisher gewonnen und sind mit vielen weiteren Qualitätsmedien im Gespräch, darunter Tageszeitungen und Magazine. Unser Redaktionsteam sucht aus deren Angebot bestimmte für Europa wesentliche Themen wie zum Beispiel Green New Deal oder Europäische Verteidigung heraus. Standort von Redaktion, Technik, Marketing und Kommunikation ist Berlin, wir haben aber darüber hinaus bereits in Athen, Paris, Madrid und Warschau lokale Editors, die für den täglichen Austausch mit den dortigen Partnermedien verantwortlich sind. Sie haben auch die Aufgabe, die von DeepL vorgenommenen automatisierten Übersetzungen der Artikel in ihre jeweilige Muttersprache zu überprüfen und zu verfeinern.

kress.de: Ihr bisheriges Angebot ist noch sehr lückenhaft. Es fehlen zum Beispiel Medien aus dem englischsprachigen Raum, Frankreich und Italien, und aus Deutschland ist nur die "FAZ" dabei.

Montgelas: Wir sind noch in einer sehr frühen Phase. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden wir aber schon im Juli weitere Publisher auf der Plattform haben, auch aus Deutschland.

kress.de: Publisher, die Ihnen Artikel zur Verfügung stellen, bekommen einen Umsatzanteil von 20 Prozent. Ist das nicht ein bisschen wenig?

Montgelas: Der wesentliche Unterschied zu Plattformen, die einen höheren Revenue Share zahlen, ist, dass wir nur einzelne Artikel der Publisher nutzen und nicht ihr komplettes Angebot. Außerdem  ist unser eigener Aufwand wegen der Übersetzungen in verschiedene Sprachen erheblich. Die Publisher bekommen von uns aber nicht nur einen Umsatzanteil, sondern weitere Leistungen: Sie können die Übersetzungen ihrer  Artikel selbst nutzen, und wir stellen ihnen Analyse-Tools zur Verfügung, mit denen sie das Interesse der Leser zu allen Inhalten untersuchen können.

kress.de: Wie soll es in den nächsten Wochen und Monaten mit Forum.eu weitergehen?

Montgelas: Wir wollen weitere Publisher aus wesentlichen europäischen Ländern gewinnen und nach und nach die Zahl der technischen Features erweitern. So werden wir im Spätsommer auch eine für Mobile optimierte App für iOs und Android starten.

kress.de: Planen Sie, Ihre Geschäftsidee langfristig noch weiter auszubauen und zu skalieren?

Montgelas: Wir haben viele Ideen, die aber noch nicht spruchreif sind. Es ist zum Beispiel denkbar, dass wir selbst zusammen mit Organisationen und europäischen Vordenkern Debatten initiieren. Oder wir könnten auch europäische Themen aufgreifen, die nur für kleinere Gruppen relevant sind. Zunächst einmal wollen wir aber unser Kernprodukt erfolgreich aus der Beta-Phase in den Normalbetrieb überführen.

kress.de: Sie bezeichnen Forum.eu auch als Diskussions- oder Debattenportal. Erschöpft sich diese Funktion bis auf Weiteres darin, dass die Leser einzelne Artikel kommentieren können? 

Montgelas: Die Kommentarmöglichkeit ist zunächst die Basis dafür. Wir haben dafür ein schönes Feature entwickelt: Wenn Sie zum Beispiel auf Deutsch kommentieren, bekommt ein Nutzer, der seinen Browser auf Französisch eingestellt hat, ihn auf Französisch angezeigt. Und wir nutzen bereits Möglichkeiten, selbst Debatten anzustoßen, etwa durch Podcasts.

kress.de: Für die Zeit nach dem Ende der Beta-Phase planen Sie eine Paywall für Forum.eu. Ist auch die Vermarktung eine mögliche Einnahmequelle?

Montgelas: Aktuell konzentrieren wir uns voll auf den Business-Case Paid Content. Wir starten mit einem Basispreis von vier Euro pro Monat, damit gewährleistet ist, dass jeder Nutzer in jedem europäischen Land sich das leisten kann. Und diejenigen, die unseren Ansatz für eine tolle Idee halten, haben die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis mehr beizusteuern.

Hintergrund: Die Medienplattform Forum.eu ist Ende Juni in einer Beta-Version offiziell online gegangen. Täglich erscheinen dort bis zu sieben Artikel über wichtige Europa-Themen aus renommierten Quellen. Zum Start sind das die "FAZ" aus Deutschland, "El Mundo" und "El Diario" (Spanien), "Diario de Noticias" und "Eco" (Portugal), "Ethnos" (Griechenland) sowie "Rzeczpospolita" (Polen). Alle Artikel werden in zahlreiche europäische Sprachen übersetzt. Derzeit sind das Englisch, Deutsch, Französisch, Polnisch, Spanisch und Griechisch Die Beta-Version von Forum.eu ist in diesem Sommer kostenlos, dann zahlen Leser einen Basispreis von vier Euro pro Monat bzw. freiwillig einen höheren Preis.

Hinter Forum.eu stecken die vier Gründer Nikolaus von Taysen, Paul Ostwald, Valentin von Albrecht und Jonas Bedford-Strohm. von Taysen ist mit seinem Venture-Kapitalgeber Bonum auch Investor von Forum.eu. Ostwald, Jahrgang 1996, ist Editor-at-Large. Er hat in Oxford studiert, als Freelancer für deutsche Medien geschrieben und macht Projekte für das Reuters Institute for the Study of Journalism. Bedform-Strohm arbeitet parallel auch als Research Fellow am Zentrum für Ethik der Medien und der Digitalen Gesellschaft in München. Bei Forum.eu hat er die Rolle des Startup-"Evangelisten". Das passt: Der studierte Theologe ist der Sohn von Heinrich Bedford-Strohm, dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland. von Albrecht ist Software-Ingenieur. Sitz des knapp 20-köpfigen Teams von Forum.eu ist Berlin.

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