Marc Bartl | 7. Januar 2021 um 11:38
Frank Stach, Landesvorsitzender des DJV-NRW
"Dass nicht jede Information , unter 3' für die Veröffentlichung bestimmt ist, gehört für Journalistinnen und Journalisten zum Alltagsgeschäft. Wenn allerdings Verschwiegenheitserklärungen unterzeichnet werden sollen, die berechtigte Berichterstattung unmöglich machen, muss der Eindruck entstehen, man wolle etwas verschleiern", kommentiert Frank Stach, Landesvorsitzender des DJV-NRW das abgebrochene Gespräch des Erzbistums mit Journalisten zu einem bislang zurückgehaltenen Gutachten über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Kurz vor dem Pressetermin am Dienstagnachmittag hatte das Erzbistum die Medienschaffenden aufgefordert, eine Verschwiegenheitserklärung zu unterschreiben, die es in sich hatte. Darin sollte sich die ohnehin sehr geringe Anzahl der geladenen Journalisten unter anderem verpflichten, weder Tathergänge aus dem Gutachten zu veröffentlichen noch darin benannte Verantwortungsträger zu nennen (kress.de berichtete - auch über die anschließende Debatte im Netz). Dass die Namen im Gutachten geschwärzt seien und man keine Kopien anfertigen dürfe, hatte das Erzbistum bereits vorzeitig angekündigt. "Das ist nachvollziehbar. Es ist in Ordnung, wenn man darum bittet, dass aus Gründen des Opferschutzes bestimmte Tatsachen möglichst geheim gehalten werden sollen", urteilt Frank Stach vom DJV. "Aber schriftliche Geheimhaltungsvereinbarungen in einem solchen Umfang sind für Journalisten vollkommen unüblich." Denn neben den Tathergängen und den Verantwortlichen in der Kirche hätten noch nicht mal die Empfehlungen der Kanzlei weitergegeben werden dürfen. "Das kommt einem Maulkorb für die Kolleginnen und Kollegen gleich. Bei diesen Verboten fragt man sich, über was dann überhaupt noch berichtet werden darf und warum das Bistum überhaupt eingeladen hat. Die Reaktion der Kolleginnen und Kollegen, die Unterschrift zu verweigern, war die einzig mögliche." In der am Dienstag kurz vor dem Pressegespräch vorgelegten Vereinbarung hieß es laut DJV-NRW unter anderem: "Der Journalist verpflichtet sich, die Inhalte des ihm darin offenbarten Gutachtens der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl vertraulich zu behandeln". Weiter sollte unterzeichnet werden: "Der Journalist verpflichtet sich, über diese Informationen vollständiges Stillschweigen zu bewahren", so die "Vertraulichkeitsvereinbarung" nach DJV-NRW-Angaben. Tipp: Das Wichtigste aus den Medien - einmal am Tag: Jetzt den kressexpress bestellen. Carsten Brennecke, Rechtsanwalt für Presserecht, Marken- und Medienrecht, äußerte sich zu dem Vorfall auf Twitter: "Dass Journalisten nur dann Einblick in Hintergrundinformationen bekommen, wenn das Ganze als Hintergrundgespräch ohne bzw mit eingeschränkter Verwertbarkeit vereinbart wird, ist gang und gäbe und jedem erfahrenen Investigativjournalisten bekannt." Brennecke weiter: "Investigativjournalisten akzeptieren das quer durch alle führenden Blätter regelmäßig. Wenn ein Journalist also eine Aufregung über eine Vereinbarung der Verwiegenheit im Hintergrundgespräch öffentlich inszeniert, dann kennt er wohl den Investigativjournalismus nicht." Für Brennecke schwächen Hintergrundgespräche mit Vereinbarung beschränkter Verwertbarkeit die Pressefreiheit nicht, sondern stärken sie: "Journalisten kommen so an veröffentlichungsfähige Informationen, an die sie sonst nie gekommen wären und die die Öffentlichkeit sonst nie erfahren hätte." Hintergrund: So genannte Hintergrundgespräche sind Gespräche von Informanten mit ausgewählten Journalisten, wobei im Unterschied zu Pressekonferenzen die Inhalte nicht unbedingt sofort für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Sie dienen zur Information der Journalisten über Sachverhalte und zur freien Aussprache von Standpunkten. Für solche Gespräche gelten berufsethische Regeln, die unter anderem die Bundespressekonferenz in ihrer Satzung kodifiziert hat: "Die Mitteilungen (...) erfolgen: unter 1: zu beliebiger Verwendung, unter 2: zur Verwertung ohne Quelle und ohne Nennung des Auskunftsgebenden und unter 3: vertraulich."
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