Rupert Sommer | 9. Februar 2021 um 11:11
Jens Spahn
Andreas Arntzen
Die nicht nur in Verlegerkreisen umstrittene Kooperation zwischen Google und dem Bund in Person von Gesundheitsminister Jens Spahn schlägt weiter hohe Welle. Der CDU-Politiker hatte - mit Rückenwind durch den enormen Informationsbedarf der Bevölkerung in Pandemiezeiten - im vergangenen Herbst ein weitreichendes Abkommen mit dem Suchmaschinen-Konzern Google abgeschlossen, um Ratsuchenden auf dem im September vergangenen Jahres gestarteten Portal Gesund.bund.de durch schnelle Direktklicks Gesundheitsinformationen zukommen zu lassen. Google sorgt für eine prominente Auffindbarkeit des Angebots des Bundes. Ziel ist es, wie das Handelsblatt aus einem aktuellen Gesetzentwurf von Jens Spahn zur "digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege" zitiert, den Bundesbürgern "gesundheits- und pflegebezogene Informationen barrierefrei in allgmein verständlicher Sprache zur Verfügung zu stellen". Gegen die Kooperation, die auch weitreichende Schnittstellenfunktionen auf öffentliche Informationsdaten umfasst, laufen führende Verlage schon seit einiger Zeit Sturm. Wie Hans-Jürgen Jakobs nun im Handelsblatt schreibt, hat Burda in einem sogenannten Eilrechtschutzverfahren gegen Google und den Bund geklagt. Die Klage geht vom Burda-Portal Netdoktor.de aus, das eine Verdrängung und Diskriminierung durch das neue Portal des Bundes fürchtet. Schon am Mittwoch wird am Münchner Landgericht ein Urteil erwartet. Burda argumentiert, dass der Staat mit Gesund.bund.de auch die Pressefreiheit verletze. Kartellrechtlich steht der Vorwurf eines Marktmissbrauchs in Zusammenarbeit von Bund und dem Suchmaschinen-Riesen im Raum. Wie Jakobs im Handelsblatt berichtet, klagt Jens Richter, Chefredakteur von Burdas Netdoktor.de, bereits über starke Rückgänge bei den Klickzahlen wegen der Konkurrenz durch das neue Portal von Jens Spahn. Er lässt sich mit dem Vorwurf eines sehr fragwürdigen Verständnisses von der Rolle freier Medien in einer freien Gesellschaft zitieren. Das Münchner Urteil wird mit großer Spannung erwartet. Christoph Fiedler, Geschäftsführer des Bereichs Europa- und Medienpolitik im Zeitschriftenverlegerverband VDZ, spricht gegenüber dem Handelsblatt die Hoffnung aus, dass es "zu einer wichtigen Grundsatzentscheidung" kommt. Ebenfalls Signalwirkung auf die Medienbranche dürfte ein zweites Gerichtsverfahren haben, das am Landgericht Berlin ansteht. Gegen den Bund geht dort der Wort & Bild Verlag mit dem Massentitel Apotheken Umschau aus Baierbrunn bei München - üblicherweise ein scharfer Mitbewerber zu Burda - vor. Andreas Arntzen, CEO von Wort & Bild, sagt im Handelsblatt: "Die Priorisierung eines staatlichen Informationsangebots zu Gesundheitsthemen mithilfe des Quasimonopolisten Google zulasten des professionellen Journalismus ist inakzeptabel." Wann sich das Landgericht Berlin in der Sache äußern wird, ist noch nicht bekannt. Hintergrund: Google will den Vorwurf eines angeblichen Marktmissbrauchs und der Diskriminierung naturgemäß nicht auf sich sitzen lassen. "Wir sind enttäuscht, dass Burda von uns verlangt, vertrauenswürdige und relevante Gesundheitsinformationen des Gesundheitsministeriums schwerer auffindbar zu machen und stattdessen ausgewählten Verlagsinhalt den Vorzug zu geben", zitiert das Handelsblatt einen Sprecher des Such-Konzerns. Bereits seit Ende Dezember lässt auch die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein das von Jens Spahn vorangetriebene Gesund.bund.de-Portal wegen der vermeintlichen Diskriminierung privater Angebote prüfen (kress.de berichtete). Sie möchten exklusive Medienstorys, Jobkolumnen und aktuelle Top-Personalien lesen? Dann bestellen Sie bitte unseren kostenlosen kressexpress. Jetzt für den täglichen Newsletter anmelden.
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