Wie die Nordsee-Zeitung in Bremerhaven Jan Böhmermanns Influencer-Aktion kontert

Jan Böhmermann hat in seinem "ZDF Magazin Royale" der Influencer-Szene seine alte Heimat Bremen als Top-Destination ans Herz gelegt. Der Satiriker nutzte dabei die Skyline von Bremerhaven, um Bremen als "Dubai des Nordens" zu hypen. Die Macher der Nordsee-Zeitung, die in Bremerhaven erscheint, wollten das nicht auf sich sitzen lassen: Wie sie auf Böhmermanns Aktion reagierten.

Marc Bartl | 22. Februar 2021 um 08:57

ZDF-Satiriker Jan Böhmermann

Christoph Linne, Chefredakteur der Nordsee-Zeitung

Christian Lindner, Chefreporter Digitales bei der Nordsee-Zeitung

Stv. Chefredakteurin der Nordsee-Zeitung: Nicole Ehlers

Nordsee-Zeitung-Verleger Matthias Ditzen-Blanke

Die Nordsee-Zeitung in Bremerhaven hat auf die Influencer-Aktion "feelBREMEN" von Jan Böhmermann reagiert: Norderlesen, das Digital-Portal des Medienhauses, hat ein Remake des Aktions-Video des Internet-Stars produziert, binnen weniger Stunden die Webseite feelbremerhaven.de als Antwort auf feelbremen.de ins Netz gestellt, mit Erfolg in Social Media beworben und den Hashtag #feelbremerhaven etabliert.

Was war passiert? Der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann hatte sich in seinem Magazin "ZDF Magazin Royale" deutsche Influencer in Dubai vorgeknöpft, die sich von dem Regime des Stadtstaates mit einer offiziellen Influencer-Lizenz an die Kette legen lassen. Als "exklusiven Gegenvorschlag" empfahl Böhmermann den Influencern Bremen als "das Dubai des Nordens". Eine optische Analogie bietet sich dafür an: Das Hochhaus Sail City an der Küste von Bremerhaven hat Ähnlichkeit mit dem berühmten Hotelturm Burj al Arab in Dubai.

Böhmermann nutzte den markanten Bremerhavener Bau als optisches Scharnier, um Bremen satirisch als "Dubai des Nordens" zu hypen. Er twitterte ein Bild der Skyline Bremerhavens ("Nimm das, Dubai, jetzt kommt Bremerhaven") - und verkündete, dass es nun eine offizielle Social Media Lizenz in Bremen gibt, in Kooperation des "Oberhauptes der Bremer Herrscherfamilie mit dem ZDF Magazin Royale". Bürgermeister Andreas Bovenschulte spielte mit: Er trat in einem Video auf, mit dem Böhmermanns Produktionsfirma Unterhaltungsfernsehen Ehrenfeld UE GmbH (Köln) auf der dafür geschaffenen Webseite feelbremen.de Influencer dazu aufruft, sich für eine von 50 Bremer Influencer-Lizenzen zu bewerben.

Die runde Aktion stieß im Netz und auch Raum Bremen auf viel Resonanz: Das ZDF erhielt nach eigenen Angaben über 8.000 Bewerbungen für die Lizenzen, der von Böhmermann gesetzte Hashtag #feelbremen trendete. In Bremerhaven aber - rund 60 Kilometer flussabwärts von Bremen an der Mündung der Weser gelegen - mischte sich die Anerkennung für das neuerliche Gesamtkunstwerk des ZDF-Satirikers mit patriotischer Wehmut: Die Skyline von Bremerhaven war zwar der optische Link zur Verortung des "Dubai des Nordens" an der Weser - die Aktion selbst inszenierte der gebürtige Bremer Böhmermann aber komplett in der Schwesterstadt Bremen, also im Hinterland. Aus überregionaler Perspektive sicher kein Aufreger - für eine selbstbewusste Region wie Bremerhaven und das von dem digitalaffinen Verleger Matthias Ditzen-Blanke geführte regionale Medienhaus aber durchaus ein Thema.

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Die Antwort von Christoph Linne, Chefredakteur der Nordsee-Zeitung, Nord24.de, Norderlesen, und seinem Team: Linnes Digitalredaktion produzierte ein Remake des auf Bremen fokussierten Promo-Videos von Böhmermann für die Influencer-Aktion - konsequent auf Bremerhaven gedreht. Statt einer Fahrt mit dem Gelenkbus durch Bremen wird Influencern eine Überquerung der Weser per Fähre versprochen, statt einer Rostbratwurst als Belohnung wie in Bremen werden drei Fischbrötchen avisiert, und Oberbürgermeister Melf Grantz mag in dem Video eine Kapitänsmütze erst beim nächsten Anlegen eines Kreuzfahrtschiffes in Bremerhaven aufsetzen. Sein Kollege Bovenschulte hatte sich im Böhmermann-Video mit einem Zylinder (den trägt der Emir von Dubai gerne) nicht anfreunden können.

Die Digitalisten des Verlages der Nordsee-Zeitung sicherten sich zudem die Domain feelbremerhaven.de - in Anlehnung und Abgrenzung zugleich zur Webseite der Böhmermann-Aktion in Bremen. Die Seite spielt auch im Detail Doppelpass mit feelbremen.de. Auch dort können sich jetzt Social-Media-Aktivisten für eine "offizielle Influencer-Lizenz" bewerben, kreiert und organisiert von der Nordsee-Zeitung. Wie in Bremen wird das Medienhaus 50 solcher Lizenzen vergeben und die Posts der Gewinner multimedial promoten.

Parallel dazu verankerte Norderlesen den Hashtag #feelbremerhaven in den sozialen Netzwerken. Fans wie Basher von Bremerhaven müssen sich nun nicht mehr mit #feelbremen begnügen - was angesichts des sportlichen Dualismus der zwei Schwesterstädte für digital aktive Bremerhavener mehr als nur ein Detail ist. Einer der Treiber dafür war die augenzwinkernd regionalpatriotische Berichterstattung auf NORD|ERLESEN (Autor: Christian Lindner, Chefreporter Digitales). "Nimm das, Böhmermann", posteten die Bremerhavener selbstbewusst in Social Media.

Chefredakteur Linne kommentiert die Gesamtaktion mit einer "Mischung aus Heiterkeit und Ernst": "Dass Bremerhavens Skyline nur Kulisse für #feelbremen ist, konnten wir nicht auf uns sitzen lassen. Deshalb diese Antwort auf Böhmermann und Bremen. Unsere Reaktion ist bewusst spielerisch und teils auch selbstironisch. Sie wird aber aus dem Rollenverständnis des Verlages der Nordsee-Zeitung gespeist: Wir sind und bleiben die Stimme unserer Region, gerade auch im Internet."

Intern wertet Linne die Aktion als Beleg für die digitale Transformation von Redaktion und Verlag. Das aufwändige Video wurde komplett mit Bordmitteln der von Stv. Chefredakteurin Nicole Ehlers geführten Digitalredaktion in 1,5 Tagen realisiert, die ebenfalls vom Verlag selbst gestemmte Webseite feelbremerhaven.de hatte einen Tag nach der Sicherung der Domain ihr going live.

Und wie reagierte Jan Böhmermann? "Mit Format", freut sich Linne. Böhmermann retweetete am Sonntag in Twitter einen Post der Bremerhavener mit den Link zum wohl ersten Remake eines seiner Videos. 2,2 Millionen @janboehm-Follower erfuhren so von der Reaktion des Medienhauses an der Wesermündung auf seine gefeierte Influencer-Aktion.

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