Henning Kornfeld | 18. Oktober 2021 um 19:29
"Bild"-Chef Julian Reichelt muss gehen
Johannes Boie ist neuer "Bild"-Chef
Als Folge von Presserecherchen habe das Unternehmen in den letzten Tagen "neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten von Julian Reichelt" gewonnen, schreibt Springer in einer Pressemitteilung. Diesen Informationen sei man nachgegangen. "Dabei hat der Vorstand erfahren, dass Julian Reichelt auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat."
Der Hinweis auf Presserecherchen bezieht sich offenbar auf die Recherchen von Ippen Investigativ, die am Montagmorgen für Aufregung gesorgt haben: Ihr Ergebnis hätte eigentlich am Sonntag veröffentlicht werden sollen, doch Verleger Dirk Ippen verhinderte das. Über die neuen Vorwürfe gegen Reichelt und die gestoppen Recherchen von Ippen Investigativ berichtete sogar die "New York Times".
Ein von Springer im Frühjahr angestrengtes Compliance-Verfahren zu einem möglichen Machtmissbrauch war für Reichelt noch glimpflich ausgegegangen. Springer rekapituliert in der Pressemitteilung die Ergebnisse des Verfahrens und die Beweggründe, die den Vorstand seinerzeit dazu veranlassten, ihn im Amt zu belassen. "Fehler, die eine unverzügliche Trennung gerechtfertigt hätten, konnten nicht bewiesen werden und wurden von Julian Reichelt bestritten", heißt es darin. Nun gebe es aber "neue Anhaltspunkte für aktuelles Fehlverhalten" des "Bild"-Chefs, die aus Sicht des Vorstands eine Beendigung der Tätigkeit Reichelts "unvermeidbar" machten.
Springer geht auch gegen Reichelt-Gegner vor
Springer will zugleich aber gegen mutmaßliche Reichelt-Gegner vorgehen: Das Unternehmen leitet nach eigenen Angaben "rechtliche Schritte gegen Dritte" ein, "die versucht haben, die Compliance-Untersuchung vom Frühjahr mit rechtswidrigen Mitteln zu beeinflussen und zu instrumentalisieren, offenbar mit dem Ziel, Julian Reichelt aus dem Amt zu entfernen und Bild sowie Axel Springer zu schädigen". Dabei gehe es insbesondere "um die verbotene Verwendung und Nutzung vertraulicher Protokolle aus der Befragung von Zeugen sowie die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen und privater Kommunikation".
Trotz der Reichelt-Verfehlungen findet Springer-Boss Mathias Döpfner im Übrigen einige lobende Worte für seinen Ex-Chefredakteur: "Julian Reichelt hat Bild journalistisch hervorragend entwickelt und mit Bild Live die Marke zukunftsfähig gemacht. Wir hätten den mit der Redaktion und dem Verlag eingeschlagenen Weg der kulturellen Erneuerung bei Bild gemeinsam mit Julian Reichelt gerne fortgesetzt. Dies ist nun nicht mehr möglich."
Reichelts Nachfolger Johannes Boie war Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", bevor er 2017 zu Springer kam. Zunächst war er dort Döpfners Assistent. Die Führungsmannschaft von "Bild" ist ansonsten unverändert: Alexandra Würzbach bleibt Chefredakteurin der "Bild am Sonntag" und verantwortlich für Personal- und Redaktionsmanagement. Claus Strunz ist als Chefredakteur für das Bewegtbildangebot zuständig.
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