Neuer "Bild"-Chef Johannes Boie wünscht sich "Kultur des Respekts"

Der neue "Bild"-Chefredakteur Johannes Boie hat sein erstes Interview gegeben. In der "Süddeutschen Zeitung" kündigte er an, er wolle in der Redaktion eine "Kultur des Respekts" stärken. Welchen "schlimmen Fehler" Boie zugibt.

Henning Kornfeld | 27. Oktober 2021 um 17:50

Der neue "Bild"-Chef Johannes Boie

Boie ist am vorvergangenen Montag nach dem Rauswurf von Julian Reichelt zum "Bild"-Chefredakteur berufen worden. Axel Springer begründete das damit, dass Reichelt "Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat". Zuvor hatte die "New York Times" Details über Machtmissbrauch und Fehlverhalten Reichelts berichtet. Die Angriffe gegen "Bild" würden "extrem hart und zum Teil auch inakkurat geführt", klagt Boie nun in seinem ersten Gespräch als "Bild"-Chef. Gleichwohl gebe es "ernsthafte und richtige Kritik, die sich auch im Inneren widerspiegelt". "Dieser stellen wir uns", verspricht er. Er wolle "eine Kultur des Respekts" stärken. "Das bedeutet einerseits, wir werden ein empathisches Miteinander prägen, ohne die für Bild typische Härte - auch in der politischen Linie - nach außen zu verlieren. Wir werden keinen Millimeter Machtmissbrauch und Drangsalierung, Einschüchterung oder Schlimmeres dulden." Das Aufräumen der Unternehmenskultur bei "Bild" sei derzeit seine wichtigste Aufgabe. Unverpixeltes Bild eines ermordeten Neunjährigen war ein "schlimmer Fehler" Erst in dieser Woche hat "Bild" indes erneut für negative Schlagzeilen gesorgt: Das Blatt zeigte das unverpixelte Bild eines ermordeten Neunjährigen. Boie bezeichnet das als "schlimmen Fehler": "Ich habe am selben Tag intern neue Regeln eingeführt, die die Berichterstattung bei schweren Kriminalfällen und Minderjährigen betrifft, unter anderem ein Sechs-Augen-Prinzip und eine technische Änderung in der Fotodatenbank."

Boie nimmt in dem Interview seinen Vorgänger gegen den Vorwurf politisch motivierter Kampagnen in Schutz. Er will die Blattlinie nicht grundlegend ändern, kündigt aber Akzentverlagerungen an: "Ich wünsche mir, dass die Leser öfter lachen, wenn sie Bild lesen." Auch den Vorwurf der "Aufmerksamkeits- und Krawalllogik" will er nicht auf seinem Blatt sitzen lassen: "Im Gegensatz zu den sozialen Medien arbeiten bei Bild Menschen, es bestimmen keine Algorithmen. Und das Ringen um Aufmerksamkeit gibt es bei allen Medien. Polarisierung ist dabei ausdrücklich nicht Teil unseres Geschäftsmodells. Aber natürlich kommt es manchmal zu Polarisierung, weil wir keine Furcht davor haben, klar Position zu beziehen."

Eine von Reichelts Hinterlassenschaften hat Boie schon sehr schnell beseitigt: dessen Feldbett. "Das Feldbett stand hier, wo jetzt mein Schreibtisch steht", verrät der neue "Bild"-Chef. "Da ich keine Vergangenheit als Kriegsreporter habe, passt es zu mir nicht wirklich."

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