#Zwangsmaus: Reichelt legt sich mit Kindersendung an - ARD kontert - Bild hält zur Maus

Die "Sendung mit der Maus" sorgt mit einem Beitrag über Transgeschlechtlichkeit für aufgeregte Diskussionen. Ex-Bild-Chef Julian Reichelt spricht von einer öffentlich-rechtlichen Zwangsmaus, bezichtigt die Macher sogar der Fälschung. Die ARD wehrt sich auf allen Kanälen. Die Bild-Zeitung springt der Maus zur Seite. 

31. März 2022 um 10:13

Funk-Moderator Philipp Walulis nahm den Streit zwischen Reichelt und der Maus genüsslich auf

Die "Sendung mit der Maus" des WDR hat sich in ihrer aktuellen Folge vom 27. März mit dem Thema Transsexualität beschäftigt. In der Reportage besucht die Moderatorin Siham El-Maimouni eine Frau namens Katja. Katja ist als Junge geboren worden und hieß früher Erik. Doch schon früh merkte sie, dass sie im falschen Körper gefangen war. Lange Zeit konnte sie auch mit ihren Eltern nicht offen über ihre Gefühle und Gedanken reden. Heute steht sie zu sich und spricht sich für einen offenen Umgang mit Transsexualität aus, so der Plot aus der WDR-Kindersendung, die 1,8 Millionen Zuschauer gesehen haben.  Die Folge löste hitzige Diskussionen aus - auch in der Medien-Szene. Mächtig sauer auf die Maus-Macher ist Julian Reichelt. Er twitterte: "In der Sendung mit der Maus wird der Zielgruppe der 4- bis 9-Jährigen heute erklärt, was eine Transperson ist. Demnächst: Warum es Mann und Frau gar nicht gibt. Ideologisch-sexualisierte Früherziehung mit Zwangsgebühren." Und der ehemalige Chefredakteur der Bild, der an einer neuen Plattform arbeitet, legte nach: "Die Zwangsmaus ist ganz sicher nicht dafür da, die Früherziehung der anti-toleranten totalitären Woke-Bewegung zu betreiben. Genau wegen sowas fordern Eltern Gesetze wie in Florida, damit ihnen die Erziehung ihrer Kinder nicht von Ideologen entrissen wird." "Die Zwangsmaus und die Öffentlich-Rechtlichen wollen, dass wir uns nicht mehr trauen, Dinge zu sagen, von denen wir wissen, dass sie wahr sind. Sie wollen uns einschüchtern und erziehen, bis wir aus Furcht Fakten verleugnen: Jungs sind Jungs, Mädchen sind Mädchen." Die Redaktion der "Maus" antwortete Reichelt auf Twitter: "Die heutige Sendung findest du in der Mediathek auf http://wdrmaus.de Auch als erwachsene Person kann man bei uns noch viel lernen zu relevanten Themen wie z.B Toleranz. Die Maus ist dazu da den Horizont für Groß und Klein zu erweitern." Gegenüber einer anderen Twitter-Userin erklärte die Redaktion: "Wir finden schon, dass es ein richtiges Thema für unsere Sendung ist. Es handelt sich um ein gesellschaftlich relevantes Thema, genau so, wie die vielen anderen Themen die wir in der Sendung behandeln. Viele Grüße vom MausTeam." Reichelt bohrte weiter, unterstellte den Machern eine politische Gesinnung: "Wenn @DieMaus nur mal so ganz unpolitisch aufklären wollte, wieso wird dann eigentlich Werbung für ein Gesetz der/des Grünen Tessa Ganserer gemacht, die/der einer Frau den Listenplatz gemopst hat? Warum wird kleinen Kindern suggeriert, dass sie das Gesetz toll finden müssen?" Schließlich warf Reichelt dem öffentlich-rechtlichen Sender in Bezug auf die Story um Erik/Katja sogar eine Fälschung vor und dozierte via Twitter: "Wir lernen, liebe Maus: Politische Indoktrinierung basiert immer auf Lügen. Aber Ihr solltet Kindern keine Lügenmärchen mit Zwangsgebühren auftischen. Und Ihr solltet auch nicht auf Menschen losgehen, die Eure Lügen hinterfragen. #FälschungmitderMaus #Zwangsmaus" Der Moderator Philipp Walulis hat den Streit in seinem Format "Walulis Daily" auf dem öffentlich-rechtlichen Kanal Funk aufgenommen - und macht sich über Reichelt ("Tweetfighter", "Mann gegen Maus") im Stil einer "Maus"-Sachgeschichte lustig. Genüsslich geht Walulis darauf ein, dass Reichelt bei diesem Streit nicht mal auf seine alten Kumpel von der Bild zählen könne. Walulis, der auch für den SWR preisgekrönte Satire-Formate macht, zeigt einen Kommentar von Timo Lokoschat, stellv. Chefredakteur der Bild. Timo Lokoschat hat auf Twitter geschrieben: Angesichts der Twitter-Debatte nach 30 Jahren mal wieder "Die Maus" gesehen. My 2 cents: Finde den Beitrag unproblematisch und sehe keine sog. "Frühsexualisierung". Wenn Kinder wissen, dass es so etwas wie Homosexualität und Transsexualität gibt, ist das eher schön als empörend. Eine zarte Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen kann sich der Bild-Mann allerdings nicht verkneifen: "(Allenfalls den affirmativen Hinweis auf das geplante Gesetz nach dem Abspann hätte es aus meiner Sicht nicht unbedingt gebraucht, da auch politisch umstritten und zu komplex für eine dreisekündige Bemerkung)" In der Debatte um die "Sendung mit der Maus" hat sich auch WDR-Kinderprogrammchefin Brigitta Mühlenbeck erklärt. Sie sagte im Spiegel-Interview, dass sich die Redaktion schon sehr wundere, dass die Sendung solche Wellen geschlagen habe. "Wir haben uns gedacht, dass ein paar Kommentare in den sozialen Netzwerken kommen werden, wenn wir uns dem Thema Transgender widmen, und hatten deswegen am Sonntag auch zwei Mitarbeiter aus dem Community Management für die 'Maus' abgestellt. Aber dass es so viele Reaktionen geben würde, hat uns überrascht. In unserer Wahrnehmung hat das Thema längst seinen Platz in der Öffentlichkeit - und auch schon länger in unserem Kinderprogramm." Über die Zusammenarbeit mit Katja sagte Mühlenbeck, man habe 2018 das erste Mal mit ihr gedreht. Damals sei sie obdachlos gewesen. Der Kontakt bestehe also schon länger und es habe sich Vertrauen aufgebaut. "Wir haben den Beitrag in enger Absprache mit Katja produziert", unterstreicht die WDR-Führungskraft. Auf die Reichelt-Kritik ("ideologisch-sexualisierte Früherziehung") angesprochen, entgegnete Mühlenbeck im Spiegel-Interview mit Nike Laurenz:  Sexualisiert ist in dem Beitrag nichts, es geht weder um Geschlechtsangleichungen noch um Geschlechtsverkehr. Es geht um Katjas Alltag. Womöglich hat dieser erwachsene Mann gedacht, er bekomme ein paar Reaktionen, als er unsere "Maus" als "Zwangsmaus" bezeichnete. Er spricht ja auch gern von "Zwangsgebühren", wenn er den Beitrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk meint.

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