Wie die Mediengruppe Oberfranken bis 2025 mit Digital-Abos den Break-even schaffen will

Die Mediengruppe Oberfranken betreibt mit infranken.de eines der reichweitenstärksten Regionalportale in Deutschland und baut parallel dazu ein Bezahlmodell für die Digital-Ausgaben ihrer Tageszeitungen auf. Im Interview mit kress pro hat Geschäftsführer Walter Schweinsberg über die Vorteile der Zwei-Portal-Strategie, Auflagenschmelze und die Zeitung als Cashcow gesprochen.

22. August 2022 um 11:31

Walter Schweinsberg, Geschäftsführer der Mediengruppe Oberfranken

Auszug aus einem Case im neuen kress pro, Magazin für Führungskräfte in Medien:

Herr Schweinsberg, beim BDZV--Kongress 2018 haben Sie gesagt, das Geschäftsmodell Tageszeitung wird in acht Jahren nicht mehr funktionieren. Die Hälfte der Zeit ist verstrichen – wie steht’s um das Zeitungsgeschäft?

Ich will die Aussage präzisieren: Wir hatten uns damals schon strategisch darauf eingestellt, dass wir in einem Zeitraum von acht bis zehn Jahren nicht mehr allein von der gedruckten Zeitung existieren können. Das Umsatzwachstum ist sehr gering, ihr Lebenszyklus hat den Scheitelpunkt überschritten. Aber als Cashcow liefert sie immer noch bedeutenden Umsatz und Ertrag. Und sie hat sehr wohl eine Zukunft als Teil eines breiter gefächerten Medienangebots.

Die Zeitungen der Mediengruppe Oberfranken (mgo) inklusive des größten Titels "Fränkischer Tag" haben binnen zehn Jahren rund ein Fünftel an verkaufter Auflage eingebüßt. Heute steht sie bei rund 90.000 verkauften Exemplaren. Auf welche Entwicklung stellen Sie sich ein?

Laut unserem Forecast werden wir bis 2030 bei etwa 70.000 liegen. Wir rechnen mit einem progressiven Auflagenrückgang, die Einbußen werden künftig also noch kräftiger ausfallen als in der zurückliegenden Dekade. Vor einigen Jahren haben die regionalen Tageszeitungen im Durchschnitt rund 2 Prozent pro Jahr verloren, jetzt sind wir in der Branche bei etwa 4 Prozent angelangt.

Lange Zeit konnten Tageszeitungen ihre Auflagenrückgänge durch höhere Abopreise wettmachen. Hat sich dieser Beinahe-Automatismus erledigt?

Ich denke, 2022 haben wir einen Kipppunkt erreicht. Die Preise in dem Maße zu erhöhen, wie die Auflage sinkt, das wird nicht mehr funktionieren. Wir haben den Abopreis um 2 Euro erhöht, geringer als in den Jahren zuvor. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten werden die Erlöse im Printvertrieb wohl nicht steigen und nur dank der wachsenden Zahl an E-Paper leicht zulegen.

Was wirkt am stärksten auf die Auflagenentwicklung?

Ganz klar, die Altersstruktur. Man muss es so sagen: Uns sterben die Leser weg, gleichzeitig folgen nicht genügend Junge nach. Bei gut der Hälfte der Kündigungen werden Tod, Alter/Krankheit oder Persönliches genannt. Bei weniger als 10 Prozent sind finanzielle Gründe ausschlaggebend. Was den Zeitungen noch zusetzen wird, sind Probleme in der Zustellung aufgrund des Personalmangels.

Laut IVW-Statistik sind rund 6 Prozent der abonnierten mgo-Zeitungsauflage E-Paper. Können Sie dadurch den Verlust in Print kompensieren?


Wir bieten seit 2009 E-Paper-Ausgaben an, richtig forciert haben wir das Format und den Vertrieb aber erst vor drei Jahren. Aktuell beziehen rund 11.500 Personen die elektronische Ausgabe, knapp die Hälfte als E-Paper only, mehrheitlich als Add-on. Wir erwarten laut unserer Marktforschung ein Potenzial von ungefähr 20.000, das wollen wir bis 2024/25 erschlossen haben. Das E-Paper betrachten wir bei der Entwicklung im Digitalen jedoch eher als Zwischenmedium.

Als Zwischenmedium – auf dem Weg wohin?

Wir sind im Februar 2021 mit fraenkischertag.de online gegangen, das war ein Meilenstein und der Auftakt für unsere Zwei-Portal-Strategie. Auf der einen Seite setzen wir mit infranken.de – und übrigens seit einem Jahr auch einem entsprechenden Angebot in Rheinland-Pfalz, inrlp.de – auf unser Webangebot regionaler Nachrichten im Werbemarkt. Dieses Angebot ist in wenigen Jahren kräftig gewachsen und erzielt durch die Reichweite entsprechende Vermarktungserlöse. Daneben stellen wir im Lesermarkt Qualitätsmedienportale der Tageszeitungsmarken mit einem digitalen Bezahlmodell. Durch hintergründigen Lokaljournalismus wollen wir Nutzer zu zahlenden Digitalabonnenten machen. Wir sind überzeugt, dass starke Zeitungsmarken wie der "Fränkische Tag" und seine Schwestertitel vor allem im Segment der 35- bis 50-Jährigen kräftig wachsen können.

Wie fällt Ihr erstes Fazit aus, knapp eineinhalb Jahre nach dem Start?


Wir liegen mit knapp 1.000 Digitalabos zur Jahresmitte etwas unter Plan, bis Ende 2022 peilen wir 2.500 Abos an und wollen bis 2025 den Break-even schaffen. Es ist ein anderes, ungewohntes Geschäft, das wir aber mit einem neuen Team von 14 Leuten, hohem Engagement und steiler Lernkurve vorantreiben. Man muss sehr viel in Kundenzentrierung, Kundenbindung, Marketing und Datenmanagement investieren, weil die Fluktuation bei Abonnenten wesentlich höher ist als bei Print.  Wird das digitale Bezahlabo in absehbarer Zeit die wichtigste Säule Ihres Zeitungsgeschäfts sein?

Wir stellen den Vertrieb von zwei auf drei Säulen und die jüngste, also die Qualitäts-Newsportale, wie wir unsere Paid-Zeitungsmarken nennen, werden deutlich am stärksten wachsen. Bei der gedruckten Zeitung gehen wir bis 2024 von einem Rückgang der Abos um 10 Prozent auf rund 72.000 aus, die E-Paper-Auflage soll um rund 20 Prozent auf knapp 16.000 steigen, während wir bei den Qualitätsmedienportalen in diesem Zeitraum eine Verfünffachung auf etwa 12.600 Digitalabos erwarten.

Das Interview ist ein Auszug aus einem Case über die Mediengruppe Oberfranken, erschienen in der kress pro-Ausgabe 2022/6. Dort lesen Sie auch, wie Schweinsberg & Co. Reichweite und Vermarktungserlöse von infranken.de kräftig gesteigert haben - und welche Produkte sie aufgeben mussten. Jetzt hier bestellen! Weitere Top-Storys in kress pro 6/2022:

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