Brisante Gerichtsentscheidung: Bild TV durfte ARD-Material am Wahlabend nicht live übernehmen

Die Übernahme von ARD-Bildmaterial durch Bild TV am Abend der Bundestagswahl war urheberrechtswidrig. Eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts Berlin vom Dezember hat nun das Berliner Kammergericht nicht nur bestätigt, sondern ging noch einen Schritt weiter. Bild sieht in dem Urteil "gerade angesichts der Debatte über den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk eine unangemessene Schützenhilfe".

21. September 2022 um 10:22

Tina Hassel, Hauptstadtstudioleiterin der ARD, interviewte am Wahlabend CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak - "Bild Live" übernahm ohne Absprache (Screenshot von Übermedien)

In der Berufungsverhandlung bekräftigten die Richter: Sowohl die Übernahme der Wahlprognosen als auch der Hochrechnungen sei rechtswidrig gewesen. Beide Live-Übernahmen waren ohne Vorabsprachen mit der ARD erfolgt. Anders als das Landgericht erklärte das Kammergericht darüber hinaus auch die Übernahme eines kompletten Interviews mit CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak für unzulässig. Die Richter argumentierten, dass es Bild TV zumutbar gewesen sei, das Interview zunächst auszuwerten, über Kernaussagen zu berichten und dabei nur Teile zu zeigen. Das Kammergericht folgte zugleich nicht allen Punkten, die die ARD bemängelt hatte. Dabei ging es speziell um wettbewerbsrechtliche Ansprüche. Auch Bild hatte Berufung eingelegt, diese blieb aber erfolglos. Gegen die Entscheidung im Eilverfahren sei kein Rechtsmittel gegeben, teilte das Berliner Kammergericht mit. Ein Bild-Sprecher gab auf kress.de-Nachfrage folgendes Statement zu der Gerichtsentscheidung ab: "Wir freuen uns, dass das Kammergericht Berlin in seinem Urteil bestätigt hat, dass die Übernahme eines ARD-Interviews mit dem damaligen Generalsekretär der CDU von BILD TV in der Wahlnacht kein wettbewerbswidriges Verhalten darstellt. Nicht nachvollziehen können wir dagegen die Auffassung des Kammergerichts, dass die Übernahme des ganzen Interviews unverhältnismäßig sei und prüfen daher die Einlegung von Rechtsmitteln." Zugleich kritisierte der Bild-Sprecher: "Mit dieser Entscheidung leistet das Gericht gerade angesichts der aktuellen Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine unangemessene Schützenhilfe für einen dominierenden exklusiven Erstzugriff der beitragsfinanzierten Sender auf Politik und Politiker, insbesondere an Wahlabenden." Hintergrund: Bereits im vergangenen November war das ZDF mit einer Klage gegen Bild TV beim Landgericht Köln erfolgreich gewesen: Bild TV hatte ebenfalls am Wahlabend Teile der im ZDF gesendeten Berliner Runde live im eigenen Programm übertragen. Auch dies verstieß nach Auffassung des Landgerichts Köln gegen das Urheberrecht.

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