Bild und ZDF machen Journalismus für alle, tagesschau.de grenzt aus. Alle Ergebnisse des E-Learning-Anbieters Wortliga.
Marc Bartl | 15. September 2023 um 13:00
Medien berichten oft zu kompliziert und schließen damit viele Menschen aus. Das zeigt eine aktuelle Studie des E-Learning-Anbieters WORTLIGA. Im Mai veröffentlichte das Unternehmen bereits ein Ranking zur barrierefreien Kommunikation deutscher Versicherer. Nun untersuchten die Sprachexperten große deutsche Nachrichtenseiten auf ihre Verständlichkeit. Brisanz hat das Thema nicht zuletzt, weil ab 2025 das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz Verständlichkeit vorschreibt. Welche Leitmedien gehen mit gutem Beispiel voran?
Wer berichtet frei von Sprachbarrieren? Um diese Frage zu klären, stellten die Studienautoren bei großen Nachrichtenseiten das Sprachniveau und die Lesbarkeit fest und nutzten dafür ihre Textanalyse-Software. Fazit: Mit wenigen Ausnahmen berichten Medien auf einem zu schweren Niveau. "Redaktionen grenzen damit Menschen aus, die mit komplizierter Sprache Probleme haben. Und sie verfehlen ihre journalistische Verantwortung", sagt Studienleiter und WORTLIGA-Geschäftsführer Gidon Wagner.
Die Autoren untersuchten pro Medium zwölf Texte zu denselben Themen und vergaben je nach Komplexität Punkte. Maßgeblich für die Bewertung waren die Sprachniveaus nach dem Europäischen Referenzrahmen von A1 bis C2. Menschen auf A1-Niveau verstehen nur einfachste Sätze; C1 bis C2 ist traditionell die Sprache von Fachartikeln, Rechtstexten und Behördenbriefen. Besonders häufig schreibt "Bild" auf dem allgemein verständlichen Niveau von B1, knapp gefolgt vom ZDF. Mit großem Abstand und deutlich schwerer verständlich macht sich tagesschau.de: Nur einer der untersuchten Texte war in einfacher Sprache verfasst und mit B1-Niveau für eine große Zahl Menschen leicht zugänglich.
Zusätzlich bewerteten die Autoren jeden Text mit ihrem Lesbarkeitsindex, der etwa lange Sätze oder Passiv-Formulierungen abstraft. Auf einer Skala von 0 bis 100 beginnen gut lesbare Texte bei einem Wert von 60 bis 70 Punkten. Diesen Wert erreichten im Durchschnitt nur Bild und ZDF.
Die Studie zeigt: Ein Drittel der tagesschau.de-Meldungen ist nur für Menschen mit fortgeschrittenen Sprachkenntnissen verständlich. "Bei anspruchsvollen Themen wie Künstlicher Intelligenz oder politischem Tagesgeschehen ist verständliche Berichterstattung herausfordernd, aber möglich. Besonders der öffentlich-rechtliche Journalismus darf Menschen nicht sprachlich ausgrenzen, sonst verfehlt er seine Aufgabe", sagt Wagner.
Ähnlich schlechte Ergebnisse erzielen Focus, Zeit und Süddeutsche. Das Schlusslicht in Sachen inklusivem Journalismus bilden in Deutschland Der Spiegel und FAZ. Gidon Wagner: "Elite-Medien sind für uns diejenigen, die ihre journalistische Verantwortung besser wahrnehmen als alle anderen - und das beginnt mit einfacher Sprache, damit die Mehrheit das Gesagte versteht. Sperrige Texte reduzieren Chancen auf Bildung und Austausch. Außerdem überlassen Medien den Demagogen und Verführern die Bühne, wenn sie sich unverständlich und abschreckend ausdrücken."
Eine Sprecherin des NDR weist gegenüber kress.de auf die Angebote der ARD hin, die offenbar nicht Eingang in die Stichproben von Wortliga gefunden hätten. Besonders Nachrichten gehörten in unterschiedlicher Form zum Hören wie zum Lesen zu den Angeboten in leichter Sprache der ARD: https://www.ard-digital.de/inklusion/einfache-und-leichte-sprache
Die Wortliga Tools GmbH ist ein E-Learning-Anbieter für verständliche Sprache. Das Unternehmen betreibt seit 2012 die Wortliga Textanalyse, eine E-Learning-Software zur Analyse von Lesbarkeit, Verständlichkeit und barrierefreier Kommunikation. Das Tool wird sowohl von professionellen Autoren als auch von Behörden und Unternehmen zur Schulung und Qualitätssicherung eingesetzt. Die Software basiert auf dem Hamburger Verständlichkeitskonzept und dem gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen. Das Tool probieren Sie hier kostenlos aus: https://wortliga.de/textanalyse/
Die Studie finden Sie unter diesem Link:
https://wortliga.de/verstaendlichkeit-deutsche-medien/
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