Wie angekündigt ließ der "stern" am Mittwoch Vormittag vorab weitere Details seines Recherche-Feldzugs gegen die "Bunte" und die Berliner Agentur CMK aus dem Sack: Demnach soll die Agentur auch den Politikern Wolfgang Tiefensee, Christian Wulff und Günther Oettinger nachgestellt haben. Außerdem habe CMK die Lafontaine-Bespitzelung an einen saarländischen Industriellen verkaufen wollen, nachdem die "Bunte" das Interesse verloren hatte.
An der Angel hatte CMK offenbar den saarländischen Keramik-Unternehmer Wendelin von Boch-Galhau (Villeroy & Boch): Im Herbst soll CMK ihm Späh-Dienste in Sachen Oskar Lafontaine angetragen haben. Die Rechercheergebnisse könne man im Umfeld der Landtagswahl in die Medien spielen, soll CMK-Chef Stefan Kießling offeriert haben. Der "stern" beruft sich erneut auf ehemalige CMK-Mitarbeiter. Der Auftrag hätte von Boch-Galhau demnach 50.000 Euro monatlich kosten sollen.
Von Boch-Galhau, Mitglied im CDU-Wirtschaftsrat und erkennbarer Lafo-Gegner bestätigte dem "stern" die Unterredung mit Kießling "im Wesentlichen". Er habe aber abgelehnt und Kießling deutlich gemacht, "dass ich so etwas nicht mache", so der Industrielle gegenüber dem "stern".
Auf "stern"-Anfrage sprach Kießling von einem "informellen Gespräch". "Herr von Boch und CMK kamen überein, dass entsprechende Recherchen nicht angebracht sind", so Kießling.
Für die "Bunte" hatte CMK versucht, Beweise für eine Liaison zwischen Lafontaine und seiner Parteigenossin Sarah Wagenknecht zu besorgen, das Münchner Peopleblatt hatte den Auftrag mangels Ergebnissen aber storniert.
Eher angebracht erschienen offenbar Recherchen über das Privatvergnügen von Ex-Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, den CMK laut "stern" im November 2007 bespitzelt haben soll. Ebenfalls im Visier: Günther Oettinger, damals Ministerpräsident von Baden-Württemberg, heute EU-Kommissar, und Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen.
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff sei man in die Flitterwochen nach Pisa nachgereist. Ob ebenfalls die "Bunte" als Auftraggeber dahinter steckte, ist unklar.
CMK handele auch auf eigene Rechnung und biete Fotos später an. "So ist es in einigen geschilderten Fällen geschehen", äußert sich "Bunte"-Chefin Patricia Riekel vorsichtig. "Ich wehre mich ganz entschieden gegen den Vorwurf der Bespitzelung von Politikern", bekräftigte sie gegenüber dem "stern" erneut.
Zwar nimmt der "stern"-Nachklapp zur Spitzel-Story die "Bunte" offenbar nicht wieder direkt aufs Korn, in einer ersten Reaktion aus München, sieht Riekel dennoch einen "falschen Eindruck" erweckt: "Bunte" habe Politiker nicht systematisch ausspähen lassen, sondern CMK habe in zwei Fällen Fotos angeboten - ohne Auftrag aus München, ein andermal habe der Politiker ausdrücklich sein Einverständnis für Fotos gegeben.
Sie versucht den Spieß umzudrehen: "Die rein wettbewerblich motivierte Scheinheiligkeit des "stern"-Berichts zeigt sich daran, dass er Recherchen über das Privatleben von Politikern verurteilt, der Stern aber andererseits ausführlich und wiederholt über das Privatleben von Politikern berichtet" - inklusive Bildmaterial von CMK.
Erst am Dienstag hatte sich Riekel Entschuldigungsforderungen seitens der Politik erwehren müssen und ihr Blatt unter Berufung auf Presserechte zum Verfechter der Demokratie stilisiert (kress.de vom 2. März 2010).
Zur Erinnerung: Die Affäre begann vergangene Woche, als der "stern" erstmals über angebliche Spitzelaktionen der Agentur CMK gegen die Politiker Franz Müntefering, Oskar Lafontaine und Horst Seehofer im Auftrag der "Bunten" berichtet hatte (kress.de vom 24. Februar 2010). Der Burda-Verlag sieht die "stern"-Berichterstattung als Hetz-Kampagne (kress.de vom 25. Februar 2010), CMK-Kießling zieht indes die Quellen des Hamburger Magazins in Zweifel (kress.de 27. Februar 2010).
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