Gastbeitrag von Dr. Michael Stulz-Herrnstadt: Poker um das neue Glücksspielrecht

23.12.2011
 
 

Das nächste Jahr soll wichtige Neuerungen im Glücksspielrecht mit sich bringen. Dr. Michael Stulz-Herrnstadt, Rechtsanwalt bei Bird & Bird LLP, erklärt in einem Gastbeitrag, wieso die Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) in Form des Glücksspieländerungsstaatsvertrags (GlüÄndStV) Sprengstoff birgt.

Das nächste Jahr soll wichtige Neuerungen im Glücksspielrecht mit sich bringen. Dr. Michael Stulz-Herrnstadt, Rechtsanwalt bei Bird & Bird LLP, erklärt in einem Gastbeitrag, wieso die Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) in Form des Glücksspieländerungsstaatsvertrags (GlüÄndStV) Sprengstoff birgt.

Aktueller Stand

Am 15. Dezember 2011 haben – mit Ausnahme Schleswig-Holsteins - 15 der 16 Ministerpräsidenten die Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) in Form des Glücksspieländerungsstaatsvertrags (GlüÄndStV) unterzeichnet. Allerdings vereinbarten sie zugleich, dass der Vertrag den Landesparlamenten erst dann zur notwendigen Ratifizierung vorgelegt werden soll, wenn er auch bei der EU-Kommission notifiziert wurde. Dies enthält Sprengstoff. Denn den Vorgängerentwurf, der jetzt nur partiell geändert verabschiedet wurde, hatte die Kommission in einer ausführlichen Stellungnahme kritisiert. Der Bundesrat hat den neuen Glücksspielstaatsvertrag am 16. Dezember 2011 gebilligt.

Das "Ja" aus Brüssel hat hingegen bereits das neue Glücksspielgesetz in Schleswig-Holstein erhalten. Denn als erstes und bisher einziges Land wird nach aktuellem Stand Schleswig-Holstein aus dem Glücksspielstaatsvertrag aussteigen. Dort wurde bereits im September 2011 ein neues Glücksspielgesetz im Landtag verabschiedet, das schon am 1. Januar 2012 in Kraft tritt.

Teilliberalisierung, aber wie?

Kernpunkt der Novellierung des Glücksspielrechts ist die zukünftige Öffnung des milliardenschweren Sportwettenmarkts für private Anbieter. Während aber 15 der 16 Länder Glücksspielangebote weiterhin streng regulieren wollen und insoweit mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag bloß eine Variante des traditionellen Regulierungsansatzes verfolgen, hat sich Schleswig-Holstein für eine umfänglichere Marktliberalisierung entschieden. Ein beispielhafter Überblick:

  • So wollen die 15 verbliebenen Länder nur den Markt für Sportwetten durch Erteilung von zeitlich und im Umfang begrenzten Konzessionen für private Anbieter öffnen. Nach dieser sog. Experimentierklausel sollen 20 private Sportwettanbieter für einen Zeitraum von zunächst sieben Jahren länderübergreifende Konzessionen erhalten. Bei den Lotterien soll es hingegen beim staatlichen Veranstaltungsmonopol bleiben, während für Casinospiele einschließlich Poker auch in Zukunft die Begrenzung des Angebots auf die Spielbanken gelten soll.
  • In diesem Zusammenhang sind auch gesetzliche Lockerungen der strengen Werbevorgaben vorgesehen. So soll es z.B. den Ländern unter Beachtung der Ziele des Staatsvertrags erlaubt sein, Werbung für Lotterien und Sport- und Pferdewetten im Internet und Fernsehen – abweichend vom grundsätzlichen Werbeverbot für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen, Internet und über Telekommunikationsanlagen – zu erlauben. Insgesamt findet sich ohnehin ein neuer Regelungsansatz, der an die Stelle detaillierter gesetzlicher Werbevorgaben auf eine Konkretisierung von Art und Umfang erlaubter Werbung durch eine von den Ländern noch zu erlassende Werberichtlinie setzt. Dieser Werberichtlinie soll ausweislich der Erläuterungen zum GlüÄndStV zugleich normkonkretisierende Wirkung zukommen, mit entsprechender Bindungswirkung auch für die Gerichte.
  • Eine (erfreuliche) Klarstellung ist für Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele im Rundfunk vorgesehen. Diese sollen vom Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags ausgenommen werden. Stattdessen sollen für sie ausschließlich die Vorgaben des § 8a Rundfunkstaatsvertrag (RStV) gelten. Zuvor war das Verhältnis des gleichrangigen Rundfunkstaats- und Glücksspielstaatsvertrags in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Insbesondere innerhalb des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hatte es hier zuletzt unterschiedliche Auffassungen gegeben.
  • Auch Schleswig-Holstein hält am staatlichen Lottomonopol fest, öffnet den Markt aber z.B. für private Anbieter von Sportwetten und Poker im Internet (unbegrenzt). Was die Werbevorgaben betrifft, so regelt auch das neue Glücksspielgesetz in Schleswig-Holstein diese nicht detailliert und umfassend. Hier wird das Innenministerium zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt. Anders als der GlüÄndStV sieht das Gesetz hier jedoch – mit Ausnahme des Verbots der Werbung für unerlaubtes Glücksspiel – keine grundsätzlichen Werbeverbote vor.
Fazit

Die aktuelle Situation ist einmalig in der Glücksspielregulierung. Während in Schleswig-Holstein bereits am 1. Januar 2012 das neue Glücksspielgesetz in Kraft treten wird, ist für den Moment nicht absehbar, wann es zu einer Neuregelung in den 15 anderen Ländern kommt. Die Länder planen ein Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags zwar zum 1. Juli 2012, doch liegt mit der (erneuten) Notifizierung bei der EU-Kommission der Zeitplan nicht mehr allein in ihren Händen. Auch ist der Erfolg der Notifizierung alles andere als sicher, da bereits der erste Entwurf von der Kommission kritisiert worden ist.

Selbst wenn die Kommission den neuen Entwurf billigt, ist mit einer Entwirrung des ohnehin komplexen rechtlichen Regelungsgeflechtes zwischen Landes-, Bundes- und Europarecht nicht zu rechnen, im Gegenteil. Neue rechtliche Fragen sind auch unabhängig dessen vorprogrammiert. Dies betrifft nicht nur die Ausgestaltung des staatlichen Monopols als solchem, sondern auch die konkrete Umsetzung bestehender Möglichkeiten für Marketing und Werbung. Hier gilt es v.a. die geplanten Werberichtlinien der Länder im Auge zu behalten, auch weil dem Konzept als normenkonkretisierender Verwaltungsvorschrift vielfältige (verfassungs-)rechtliche Fragen innewohnen dürften.

Und schließlich besteht nach wie vor auch noch die Möglichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung. Der GlüÄndStV sieht insoweit eine Beitrittsklausel für andere "Länder" (also Schleswig-Holstein) vor, während das neue Glücksspielgesetz in Schleswig-Holstein die Ausstellung von Glücksspielkonzessionen jedenfalls bis März 2012 aussetzt.

Es bleibt also mehr als spannend.

Dr. Michael Stulz-Herrnstadt, Rechtsanwalt, Bird & Bird LLP, Hamburg

 

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