Es ist einer dieser Momente, die den alljährlichen DLD-Kongress zu einem denkwürdigen Ereignis machen: Hubert Burda entdeckt das revolutionäre Blut in sich, drängt aufs Podium und stimmt - eng umschlungen mit seinem engen Freund und DLD-Co-Schirmherr Yosi Vardi - die Internationale an. Grund für den eher überraschenden Ausbruch von verlegerischer Leutseligkeit: Ende Mai startet die DLD-Reihe erstmalig einen Ableger in Moskau.
Nach der in München abgehaltenen Sommer-Veranstaltung DLD Women und der Expansion ins Internet-Wunderland Israel mit der im Herbst vergangenen Jahres neu gegründeten Auslandsetappe DLD Tel Aviv kommt mit Moskau die dritte DLD-Tochter dazu.
Such-Riese Yandex liebäugelt mit Europa-Expansion
Der Einfluss der zunehmend selbstbewusst auftretenden Digital-Unternehmer aus Russland ist schon auf der diesjährigen Stammkonferenz unübersehbar. Mit Dmitry Grishin von der Mail.ru Group und Arkady Volozh von dem russischen Such-Marktführer Yandex saßen zwei Schwergewichte in der DLD-Elefantenrunde "The Big Picture". Dass die beiden Großunternehmen mittlerweile zwei der angeblich größten Internet-Riesen des Kontinents sind, bezeichnete Volozh als "Schande für Europa".
Sein Unternehmen deckt 60 Prozent des Marktes für Internet-Suche in Russland ab und drängte Google damit in die ungewohnte Zweiter-Sieger-Rolle. Etwas augenzwinkernd verriet Volozh, dass er das Unternehmen nur deswegen an die Börse gebracht habe, um eines Tages auf Podien wie den DLD-Kongress eingeladen zu werden.
Es gibt eine Welt ohne Google-Dominanz
Tatsächlich unterscheidet sich der russische Markt strukturell stark von den USA und Westeuropa, gleicht aber stark der Situation in anderen Schwellenländern. "Die Landschaft in den sich entwickelnden Ländern ist fundamental anders als in Nordamerika", sagte der Yandex-Chef. "Die großen Player dort sind alles lokale Helden."
Weil er seien Such-Technologie international für wettbewerbsfähig hält, plant der eloquent agierende Firmenchef Volozh eine weitere Expansion - möglicherweise auch nach Westeuropa. Auf dem türkischen Markt ist Yandex durchaus erfolgreich seit dem vergangenen November aktiv.
Kallen: "Wettbewerb ist gut für alle"
Bei Paul-Bernhard Kallen, Vorstandsvorsitzender von Hubert Burda Media, rannte er mit diesen Ankündigungen offene Türen ein. Europa sei weltweit einer der einzigen großen Märkte, in dem es zu Google keinen erstzunehmenden Konkurrenten gibt. "Wettbewerb ist gut für alle", sagte Kallen und begrüßte die Expansionspläne.
Rückblickend auf eines der DLD-Eingangsstatements von EU-Wettbewerbskommissarin Viviane Reding begrüßte er den weiteren Vorstoß zum Abbau hinderlicher Internet-Regulierung auf Europa-Ebene. Die Haupt-Botschaft, dass eine einheitliche Gesetzesgrundlage in allen Mitgliedsländern zu gelten hat, um faire Konkurrenzverhältnisse zu schaffen, gefalle ihm gut. Auch wenn er durchblicken ließ, dass über einzelne Details der vorgeschlagenen Regularien etwa für das Direkt-Marketing noch zu diskutieren sei. Außerdem kündigte er einen Vorschlag der Industrie zur Datensicherheit an.
Das Internet - eine Erfindung aus der Ukraine
Digital-Dinausarier wie der ehemalige Skype-Erfinder Niklas Zennström oder der Amazon-Manager Greg Greeley, mit dem erstmalig ein Vertreter des Versandhandel-Pioniers den Weg zur DLD nach München geschafft haben, dürften beim Verlassen des Podiums über eine weitere europäische Erkenntnis nicht schlecht gestaunt haben: Wie Yossi Vardi scherzte, wurde das Internet populärem Glauben zufolge doch nicht in den USA erfunden, sondern bereits in den 50er Jahren in der Ukraine. Damals allerdings in einer mechanischen Vorform. Man lernt nie aus.
Kommentar hinzufügen ×
Hinweis zu Ihrem Kommentar
Die Beiträge nicht eingeloggter Nutzer werden von der Redaktion geprüft und innerhalb der nächsten 24 Stunden freigeschaltet.
Wir bitten um Ihr Verständnis.