Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am Freitag eine Regelung für verfassungswidrig erklärt, die Ermittlungsbehörden und andere staatlichen Stellen den Zugriff auf Passwörter und PIN-Codes ermöglicht - zum Beispiel um eine beschlagnahmtes Mobiltelefon auszulesen oder gespeicherte Dateien zu durchsuchen.
Die Richter des Ersten Senats verwiesen auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Regelung widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil sie den Zugriff auf die Codes unabhängig davon erlaube, ob eine Nutzung der Daten durch die Behörde erlaubt sei. Die Richter erklärten auch die Erteilung von Auskünften über den Inhaber einer sogenannten dynamischer IP-Adresse nach der bisherigen Regelung für unzulässig. Hierbei handelt es sich um die Telekommunikationsnummern, mit denen vor allem Privatpersonen normalerweise im Internet surfen.
Die Richter setzten dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30. Juni 2013, um eine neue Regelung zu schaffen. Die Beschwerde hatten im Juli 2005 mehrere IT-Unternehmen und Datenschutzaktivisten eingereicht.
Unerwartete Turbulenzen für die Abmahnindustrie?
Strafverteidiger Udo Vetter schreibt im "law blog", dass auch der Abmahnindustrie durch das Urteil in Karlsruhe unerwartete Turbulenzen drohen könnten: "Den Rechteinhabern hat der Gesetzgeber einen eigenen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch eingeräumt. Werden mit Rücksicht auf die Verfassung möglicherweise sogar die Rechte der Strafverfolger eingeschränkt, führt diese zwangsläufig zu der Frage, ob der Auskunftsanspruch der Abmahner noch verhältnismäßig ist. Denn es kann ja wohl kaum richtig sein, dass wegen eines kleinen ebay-Betrugs der Staatsanwalt demnächst keine IP-Adressen mehr checken darf, ein Musiklabel wegen des neuesten Songs von Madonna aber schon."
Andre Meister kommt auf "netzpolitik.org" zu dem Schluss, dass das Urteil eher enttäuschend ist. "Das Bundesverfassungsgericht hat dem Grundbegehren nach anonymer Kommunikation nicht stattgegeben und einem angeblichen Sicherheitsbedürfnis Vorrang gegeben", wird Beschwerdeführer Meinhard Starostik zitiert. Wie so oft würden sich jetzt alle verantwortlichen Politikerinnen für die Konkretisierung bedanken und rasch eine gesetzliche Neuregelung fordern. Dafür hätten sie über ein Jahr Zeit, bis dahin bleibe alles beim Alten, so Meister.
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