"Wenn man derzeit Medienseiten deutscher Zeitungen liest, möchte man als ARD-Mitarbeiter beinahe zu Anti-Depressiva greifen." Jörg Schönenborn, WDR-Chefredakteur Fernsehen, hat auf "intern.ARD.de" zur Kritik am neuen Rundfunkbeitrag Stellung bezogen. Er schreibt von "Menschen, die Wut haben wie einst bei Sarrazin oder in Stuttgart", die ARD und ZDF "am liebsten abschaffen möchten". Viele Artikel funktionierten nach dem Motto: "Ich nehme mir meine These und mache die Welt einfach passend." In dieser Welt begehre ein Land auf gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und wenn man es mit der Wirklichkeit ohnehin nicht so genau nehme, würden auch Geschmacksgrenzen keine Rolle mehr spielen, so Schönenborn. Eine Schlagzeile habe letzte Woche allen Ernstes vom "UnGEZiefer" gesprochen – das wecke in ihm keine guten Erinnerungen.
Schönenborn weiter: Wer argumentiere, dass man aus der Kirche austreten könne, dass man eine Wohnung kündigen könne, nur eben nicht den Rundfunkbeitrag, kündige jede Form von gesellschaftlicher Solidarität auf. "Eigentlich ist es bei uns nämlich gesellschaftlicher Konsens, dass wichtige Strukturen für das Zusammenleben gemeinschaftlich finanziert werden, und zwar egal, ob sie jeder persönlich nutzt oder nicht. Das beginnt beim Wasseranschluss, für den jeder, der irgendwo "wohnt", eine 'Zählergebühr' bezahlt, ohne auch nur einen Liter verbraucht zu haben. Das gilt für Straßen, deren Bau und Pflege über die Steuern jeder mitbezahlt, der kein Auto hat. Und es hört mit dem Sessel im Konzertsaal noch lange nicht auf, der jeden Abend solidarisch bezuschusst wird, selbst wenn das Konzert ausverkauft ist", zählt der ARD-Verantwortliche auf.
Der Rundfunkbeitrag würde gut in dieses Land passen. Er sei genau genommen eine "Demokratie-Abgabe". Ein Beitrag für die Funktionsfähigkeit unseres Staatswesens und unserer Gesellschaft. Und "weil man schwerlich ein kommerzielles Vollprogramm findet, das auch nur eine halbe Stunde pro Tag über Politik berichtet", behauptet Schönenborn: "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sichert das Funktionieren unserer Demokratie."
Shitstorm auf Facebook - Kritik aus dem Netz
Die ARD reagiert mit dem Schönenborn-Stück wohl auch auf den Shitstorm auf ihrer Facebook-Seite, der unter einem Beitrag über Plüschtiere ausgebrochen ist. Schon die ganze Weihnachts-Woche versuchen die Facebook-Verantwortlichen bei der ARD dem Protest-Sturm zum neuen Rundfunkbeitrag mit "Erklärstücken zur Versachlichung" Herr zu werden. Auch der jüngste Eintrag vom Freitag zog schon wieder über 1.000 Kommentare nach sich.
Auf den Artikel von Schönenborn wird auch außerhalb von Facebook verwiesen. Der GEZ-Kritiker René Ketterer Kleinsteuber schimpft auf seiner Protest-Plattform "Online-Boykott.de": "Solidarität ist das Schlagwort – ein schönes Wort. Aber was bedeutet Solidarität in diesem Kontext? Solidarisch mit wem? Ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Jahr 2013 wirklich wichtig für das Zusammenleben? Und wenn ja, so wichtig, dass man sich gleich 23 Fernseh- und 77 Radioprogramme für fast 8 Milliarden EUR im Jahr leisten muss?"
In einem viel verbreiteten Beitrag von "Deutsche-Wirtschafts-Nachrichten.de" - Herausgeber ist Michael Maier - heißt es: Schönenborn habe mit Arroganz, Überheblichkeit und Anmaßung und Realitätsverlust ein unfreiwilliges Sittenbild über die innere Verkommenheit des öffentlich-rechtlichen Systems geliefert.
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