Wer sich diesen Titel ausgedacht hat, sollte erwürgt werden. "Doc meets Dorf" heißt die neue Primetime-Serie, mit der RTL ab 22. August seinen Serien-Donnerstag einläutet. Doch dieser Titel, der gesprochen so missverständlich klingt, ist beinahe der einzige Minuspunkt für die Produktion aus dem Hause teamWorx. Die sympathische Landei-Romanze hat den kress-Check bravourös bestanden – und erinnert bis ins Detail an eines der erfolgreichsten RTL-Werke der vergangenen Jahre.
Doch zunächst: Worum geht es eigentlich? Die junge Herzchirurgin Fritzi Frühling, gespielt von Inez Bjørg David, verliert erst den Mann an eine andere, dann Karrierechancen wegen ihres ungezügelten Temperaments und schließlich noch ihre Tante. Die tote Verwandte bringt sie ins brandenburgische Dorf Kanada, wo sie das Haus übernimmt – und eine Praxis zusammen mit Ex-Liebschaft Falk (Bert Tischendorf). Stadtmädchen Fritzi tut sich schwer zwischen Treckern, Dorfkneipe und Kuhkacke. Es gibt also genug Konfiktpotenzial und reichlich Gag-Gelegenheiten.
"Doc meets Dorf" belässt es aber nicht bei Gags, dem üblichen Herzschmerz und Tralala – zum Glück. Die von der jungen Autorin Miriam Rechel geschriebene Geschichte ist stellenweise sehr dramatisch. Tiere sterben, in Folge 2 auch beinahe Kinder, eine Frau weint bitterliche Tränen angesichts ihrer Krebserkrankung und nicht nur Fritzi macht die schmerzhafte Erfahrung, dass im Dorf Kanada, in dem sie früher einmal lebte, nichts mehr so wie früher ist.
Konsequenter Anschluss an "Doctor's Diary"
Apropos früher: Wer sich beim Zuschauen ganz gewaltig an die preisgekrönte RTL-Eigenproduktion "Doctor's Diary" erinnert, liegt völlig richtig. Denn "Doc meets Dorf" gibt sich in beinahe allen Belangen redlich Mühe, möglichst alle Erfolgsfaktoren von damals originalgetreu nachzubilden. Dafür verantwortlich zeichnet Produzentin Steffi Ackermann, die erst für Polyphon "Doctor's Diary" schuf und dann zu teamWorx wechselte, wo sie nun das Genre Serie zu Erfolgen verhelfen soll.
Wie beim einstigen Erfolgsformat stammt das jetzige Buch von einer Nachwuchskraft, bei RTL trägt Ulrike Leibfried wieder die redaktionelle Verantwortung, Franziska Meyer Price führt Regie und alle zusammen erschaffen wie einst eine Story rund um eine vorläufig gescheiterte Medizinerin, die von der Männerwelt enttäuscht ist.
Der Serie tun die 45 Minuten Netto-Laufzeit sehr gut. Autorin Rechel kann Geschichten erzählen, komplexere Handlungen entwickeln und tut dies tatsächlich meisterlich. Ihr Buch ist eine exzellente Vorlage für Regisseurin Meyer Price, die eine sorgsam ausgewählte Darstellerschar ausreichend Raum lässt, ihre Charaktere zu entwickeln.
Fernsehen für die Generation Facebook
"Doc meets Dorf" spricht ganz eindeutig die 14- bis 35-Jährigen aus der Generation Facebook an, vor allem sprachlich. Öfters tauchen Hashtags auf ("verf#ckt") und im Textbuch stehen Dinge wie: "Checkst du gerade meinen Hintern ab?" Zum Vergleich Hunde/Männer: "Warum wedelt ihr nicht offen mit eurem Schwanz?" oder "Sie können mir jetzt alle verfickt nochmal den Buckel runterrutschen!" All diese Sätze stammen von Ärztin Fritzi, die durchaus zur Identifikationsfigur für junge Frauen taugt: Sie ist strebsam und selbstbewusst, aber schonungslos direkt; sie wirkt mit ihrer Stupsnase so unschuldig, kann aber saufen wie ein Loch.
Es passt so vieles: das Buch, das Tempo der Geschichte, die Mischung aus Komödie, Herz und Schmerz, die Besetzung vor und hinter der Kamera, die Bilder – ja selbst die Filmmusik macht außerordentlich Freude. Der dafür Verantwortliche Jens Oettrich arbeitet nicht nur bildunterstützend, sondern erzeugt eigene Spannungen und erzählt mit Klängen von Soundtrack-Format einen Großteil des Inhalts. Das lässt sogar den dämlichen Titel verzeihen.
Autor: Jens Twiehaus
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