Mit der flapsigen Aufmacherschlagzeile "Regiert endlich!", einem Appell an Angela Merkel und Sigmar Gabriel, in die Gänge zu kommen, ist am Donnerstag um 10:10 Uhr die deutsche "Huffington Post" (www.huffingtonpost.de) gestartet. Kurz nachdem Arianna Huffington im Münchner Literaturhaus den roten Knopf drückte, lautet die Devise nun: "Arbeitet endlich!".
Es war ein großer Auftritt der Anzug- und Kostümträger und von Turnschuh-Botschafter Cherno Jobatey, den Arianna Huffington und das Tomorrow Focus-Team rund um Vorstand Christoph Schuh als "Editorial Director" engagiert hat. "Trotz seines fortgeschrittenen Alters ist er im Herzen ein Digital Native", lobte ihn die aus den USA angereiste "HuffPo"-Präsidentin.
Anders als so mancher Blogger wird der ehemalige "Morgenmagazin"-Moderator für seine Leistungen bezahlt. Zwei Tage pro Woche wird er für das Blatt tätig sein und Kontakte zur Politik herstellen und pflegen, sagt er über seine Rolle.
40% der "HuffPo"-Traffics kommt von den internationalen Töchtern
Den Deutschland-Start ist für die global expandierende Mediengruppe von zentraler Bedeutung. "Es war immer mein Traum, die "HuffPo" nach Deutschland zu bringen", sagte Arianna Huffington, schob aber selbst nach, dass es lange gedauert habe, ihn zu verwirklichen. "Wir sind glücklich, dass das letzte große europäische Land nun auch zu uns gehört", sagte sie.
Jimmy Maymann, CEO der Gruppe, der ebenfalls zum Start nach München gekommen war, betonte, dass bereits 40% des HuffPo-Traffics aus den internationalen Dependancen kommt. Vor zwei Jahren machte der Beitrag "fast gar nichts" aus. Er unterstrich den Wunsch, dass die deutsche "HuffPo" schon in drei Jahren in die Top Drei der deutschen Nachrichtenseiten aufstoßen wird.
Drängt sich die deutsche "HuffPo" an "Focus.de" vorbei?
Ähnlich ehrgeizige Ziele gab Christoph Schuh aus: Er erwartet sich eine Position in den Top Fünf, sein "Wunsch" wäre ein Platz auf dem Podest. Auf Nachfrage von kress geriet er ein wenig ins Schlingern, was das für "Focus.de", den erklärten "Boost Generator" für die neue deutsche "HuffPo" heißen soll. Auch "Focus.de", mit der die Plattform zum Beginn eng kooperiert, sieht er in den Top Drei.
Sebastian Matthes hat noch keinen Antrittstermin
Die Bande zum etablierten Platzhirsch bleiben eng - zunächst auch notgedrungen. Der designierte "HuffPo"-Chefredakteur Sebastian Matthes, der immer noch keine Freigabe hat, seinen angestammten Posten bei der "Wirtschaftswoche" zu verlassen, konnte in München noch keinen genauen Antrittstermin nennen. Etwas wolkig ist von "einigen Wochen" die Rede.
Wie kress.de vorab exklusiv berichtet hatte, führt derzeit Focus.de-Chef Daniel Steil die Redaktion mit. Außerdem unterstützt die Nachbarredaktion das 15-Mann-Team der "HuffPo". Möglich ist aber offenbar noch viel mehr. "Burda hat rund 1000 Journalisten - sie alle freuen sich, uns zu helfen", sagte Christoph Schuh auf der Präsentation.
"Self Expression is the New Entertainment"
Ohnehin ist Teil der vielbeschworenen DNA der "HuffPo" der Wille, sich selbst einzubringen - notfalls auch nur aus idealistischen Motiven. "Self Expression is the New Entertainment", gab Arianna Huffington als Zeitgeist-Parole aus. Niemand zwinge ja angeblich schließlich die Leute, sich schlechtes Fernsehen auf dem Sofa anzusehen.
Stattdessen wiederholte sie den häufig geäußerten Aufruf, sich als Blogger auf der Seite einzubringen - in der Hoffnung auf starke Reichweiten. "Die Huffington Post ist eine Einladung an alle Leser in Deutschland, sich einzumischen", sagte sie. "Die DNA der Huffington Post ist das Engagement."
Dem Aufruf sind bislang einige prominente Namen gefolgt: Zum Start werden sich unter anderem René Obermann von der Telekom, Kasper Rorsted von Henkel, Foodwatch-Chef Thilo Bode, der Unternehmer Franz Haniel, Karstadt-Investor Nicolas Bergengruen, die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen, dem Hause Burda über den DLD Women-Kongress eng verbunden, Dorothee Bär von der CSU, Jimmy Schulz von der FDP sowie Sky-Filmchef Marcus Ammon und die Schauspielerinnen Miriam Pielhau, Jutta Speidel und Uschi Glas mit Beiträgen beteiligen.
Bereits im Vorfeld hatte Arianna Huffington per Twitter die Mithilfe von Boris Becker begrüßt. Außerdem werden Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, und Robert Zollitsch, Vorsitzender der Bischofskonferenz, einbringen - auch in Debatten-Form. Unter den bekannteren deutschen Bloggern sind Nico Lumma, Sascha Pallenberg, Thilo Specht und Rebecaa Wilson mit Elfenkindberlin mit von der Partie.
Wie schnell findet Arianna Huffington eine Frau für Jobatey?
Die wirtschaftlichen Ziele sind ehrgeizig, der journalistische Gegenwind oft scharf. Doch Arianna Huffington sieht vieles gelassen - auch die Debatte um das Verlinken auf andere prominente Mitbewerberseiten. "The New World is about Win-Win, not about Competition", versucht sie zu beruhigen. Ohnehin ist ihr ein ganz persönliches Anliegen wichtig: Sie möchte für Cherno Jobatey eine Frau finden. Der nahm das auf dem Podium in München mit ganz untypischer Nicht-Gelassenheit zur Kenntnis.
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