Ralf-Dieter Brunowsky schaltet sich in Debatte ein: "Google-Recherchen sind für Journalisten unentbehrlich"

23.06.2014
 

Gabor Steingarts "Kampfaufruf gegen Google" ist nicht zu Ende gedacht, findet Ralf-Dieter Brunowsky. Die Tatsache, dass sich die deutschen Verlage in ihrer Kritik an Google so einig seien, bedeute noch nicht, dass diese Kritik berechtigt sei, schreibt der langjährige "Capital"-Chefredakteur und jetzige Berater in seinem Blog.

Gabor Steingarts "Kampfaufruf gegen Google" ist nicht zu Ende gedacht, findet Ralf-Dieter Brunowsky. Die Tatsache, dass sich die deutschen Verlage in ihrer Kritik an Google so einig seien, bedeute noch nicht, dass diese Kritik berechtigt sei, schreibt der langjährige "Capital"-Chefredakteur und jetzige Berater in seinem Blog.

Die "FAZ" hat an diesem Montag in ihrem Feuilleton einen von Steingart verfassten Artikel veröffentlicht (kress.de berichtete).  Das Stück ist als Replik auf das ebenfalls in der "FAZ" erschienene Bekenntnis von Mathias Döpfner ("Wir haben Angst vor Google") zu verstehen. 

Ralf-Dieter Brunowsky weißt nun daraufhin, dass der Schlüssel von Steingarts "brillantem Essay" zur Google-Debatte eigentlich in einem Nebensatz liege: "Wobei nicht die Texte selbst aus der Suchmaschine verschwinden sollten, denn wir wollen ja weiter gefunden werden". Genau darum gehe es letztlich bei Suchmaschinen, so Steingart, "einem Geschäftsmodell, das die deutschen Verlage komplett verschlafen haben".

Alle Journalisten müssten künftig für Recherchen bezahlen...

Brunowsky spielt die "Befreiung von der digitalen Knechtschaft" praktisch durch: Weil jeder Journalist heute Google bemühe, bevor er in die weiteren Recherchen einsteige, müsste er also bei jeder Recherche für den Teaser zahlen, wenn ihm der Teaser als passend erscheine.  "Wir reden hier nicht nur von den oberen Tausend Redakteuren in Top-Medien", so Brunowsky, "sondern von den rund 70.000 Journalisten in Deutschland: Zum Beispiel von Lokaljournalisten, die so unter Druck stehen, dass sie kaum noch die Redaktionsräume verlassen. Von Fachmedien, Newslettern, zahllosen freiberuflichen Jorunalisten und Redaktionsbüros." Sie alle müssten künftig bezahlen, wenn es nach den Großverlagen gehe. Erst Google habe das möglich gemacht, wofür das Internet erfunden wurde: "Ein höchstmögliches Maß an Transparenz der Wissenschaft weltweit".

...die Redaktionskosten würden massiv steigen - was ist mit den Einnahmen?

Die Recherchekosten für jede einzelne Redaktion würden massiv steigen, prophezeit Brunowsky und bohrt weiter: "Aber wie hoch werden die Einnahmen für die Redaktion sein? Und wie sollen kleine Verlage, freiberufliche Journalisten, Blogger, Unternehmen (mit ihren Texten) gegen Google 'losschlagen'? Und was ist, wenn Google im Gegenzug Geld dafür verlangt 'gefunden zu werden'?" Mit hoher Wahrscheinlichkeit käme hier eine höchst ungleiche Konzentration der Einnahmen auf die Großverlage zu, wobei nicht gesagt sei, ob diese Einnahmen höher als die Recherchekosten bei Google wären, schreibt Brunowsky. 

Was fällt den Verlagen noch ein?

Letztlich geht es seiner Meinung nach den Großverlagen vor allem darum, dass die Politik die Macht von Google beschränkt. Doch auf den Ruf nach Befreiung von einer Knechtschaft dürfe nicht ein reguliertes Beschränkungsmodell folgen, macht Brunowsky klar. Trotzdem: Niemand müsse sich in eine "freiwillige digitale Knechtschaft" begeben. Deutschlands Verlage hätten ja bereits reagiert: "Sie haben in den letzten Jahren die digitale Aufholjagd begonnen. Und weil es Google und Google Adwords gibt, konnten sich ihre Portale zu profitablen Online-Angeboten entwickeln." Das sei doch schon mal ein Anfang. Vielleicht falle den Großverlagen noch mehr ein, fragt Brunowsky provokant.

Ralf Dieter Brunowsky ist seit April auch Chef-Kolumnist bei Wolfram Weimers neu ausgerichteter Zwei-Monats-Zeitung "WirtschaftsKurier" (kress.de berichtete).

Ihre Kommentare
Kopf

Karl Jobig, Dresden

23.06.2014
!

Solange Google auf den Wahrheitsgehalt überprüft wird...Ich google auch gern und lese Wikipedia - möchte mal wissen, wie oft Journalisten sich aus Zeitdruck gezwungen sehen, dort 'blind' abzuschreiben ...


Michael Marheine

01.07.2014
!

Wie auch im Journalismus selbst, geht es heute um die Beschaffung von Informationen ... nur wer sie hat, kann sie nutzen – verkaufen ist dabei wohl das am Meisten verbreitete Nutzungsverhalten.

Wer sich auf macht, seine – die heute am schnellsten mit Updates gefütterte – Hauptquelle an Informationen zu bekämpfen, selbst aber davon abhängig ist bzw. ähnliche Ziele verfolgt, der sägt an dem Ast, auf dem er sitzt.


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