"Charlie Hebdo"-Reflexion auf Burdas DLD: "Wenn jemand die Meinungsfreiheit bedroht, muss man publizieren"

 

Wie angekündigt hat der Burda-Kongress DLD in München mit einem nachdenklichen Grundakkord am Sonntag begonnen. "'Je suis Charlie' heißt nicht, dass ich vollkommen mit 'Charlie Hebdo' einverstanden bin", sagte Bruno Patino von France Televisions aus Paris. "'Je suis Charlie' heißt, dass ich mich für eine Gesellschaft stark mache, die Meinungsfreiheit zulässt und nicht die Freiheit zum Töten."

Wie angekündigt hat der Burda-Kongress DLD in München mit einem nachdenklichen Grundakkord am Sonntag begonnen. "'Je suis Charlie' heißt nicht, dass ich vollkommen mit 'Charlie Hebdo' einverstanden bin", sagte Bruno Patino von France Televisions aus Paris. "'Je suis Charlie' heißt, dass ich mich für eine Gesellschaft stark mache, die Meinungsfreiheit zulässt und nicht die Freiheit zum Töten."

Der für das Programm des TV-Senders und für die digitale Strategie zuständige FT-Direktor war der Ehrengast des "Post Paris Journalism", das Jochen Wegner von "Zeit Online" leitete. Wegner, als langjähriger "Focus Online"-Chef einer der Wegbereiter der ersten DLD-Konferenzen, hatte unmittelbar nach den ersten Anschlags-News eine vielbeachtete Reflexion über die journalistische (Weiter-)Arbeit im Zeichen der Angst verfasst ("Unsere Redaktion hat eine Glaswand").

Patino berichtete, dass auch in Frankreich der Diskurs über die journalistischen Implikationen erst so langsam ins Rollen komme. "Dieser Moment wird die Geschichte Frankreichs verändern", sagte er über die Pariser Anschläge. Die Rolle der Medien kann davon nicht unberührt bleiben. "Die Schüsse kamen schneller zu Facebook, als sie die digitalen Newsrooms erreichten", sagte er.

Unter diesem Eindruck verwandelte sich die Real-Time-Berichterstattung dramatisch. "Die Newsrooms haben auf die Social Networks reagiert - und zwar 'on Air'", sagte Patino. Unmittelbar trat man auch auf seinem Sender mit dem Publikum in Kontakt.

Redaktionelles Verantwortungsbewusstsein gefordert

Dabei ging es rasch um Fragen nach der journalistischen Verantwortung - etwa angesichts des Clips mit den direkten Tötungsschüssen auf einen verletzten Polizisten. "Wir können nicht immer alles zeigen", so Patino. "Wenn wir Inhalte produzieren, können wir heute nicht mehr wissen, wie wir den Kontext, in dem sie erscheinen, kontrollieren können", sagte er über die rasante Weiterverbreitung etwa von Bewegtbild-Clips.

"Wenn jemand die Meinungsfreiheit bedroht, dann muss man publizieren"

Dass französische - wie internationale Medien - die umstrittenen "Charlie Hebdo"-Karikaturen nachdruckten und so erst massenmedial weiterverbreiten, war für Patino eine Selbstverständlichkeit. "Wenn jemand die Meinungsfreiheit bedroht, dann musst man publizieren", sagte er.

Jeff Jarvis: "Ich hoffe, wir werden mutig sein"

Jornalismus-Professor und Blogger Jeff Jarvis pflichtete bei, kritisierte allerdings erneut die Hasenfüßigkeit vieler US-Medien, darunter die "New York Times", die "Charlie Hebdo"-Karikaturen nicht weiterverbreiten wollten. "Was auf dem Spiel steht ist das Ende der Meinungsfreiheit", sagte er. "Ich hoffe wir werden mutig sein". Sich zu verstecken, sei für die Medien keine Alternative. "Wir müssen der Öffentlichkeit vertrauen, dass sie sich ihre eigene Meinung bilden kann. Wir sind nicht ihr Kindermädchen."

Bruno Patino berichtete stolz von den Massen-Demonstrationen gegen den Terror in Paris - und von den weiter langen Schlangen vor den Kiosken, an denen sich Interessierte und Solidarische um neue Ausgaben der Satire-Zeitung reißen. "Die große Mehrheit hatte zuvor noch nie eine 'Charlie Hebdo'-Ausgabe gesehen", sagt er.

Ulrich Reitz und die Kalaschnikow auf dem "Focus"-Titel

"Focus"-Chefredakteur Ulrich Reitz versuchte sich in der improvisierten Runde mit behutsamen Widerspruch. Er verwies auf die Distanz, die der journalistischen Analyse weiterhin vorbehalten bleiben muss. "Unsere Aufgabe ist die Beschreibung, nicht das Demonstrieren", sagte er.

Umso verwunderlicher das aktuelle "Focus"-Cover, das den Ausspruch "Das hat nichts mit dem Islam zu tun" mit einem plakativen knallroten "Doch" - und der Abbildung eines Kalaschnikow-Sturmgewehrs - kontrastiert.

Auch wenn es ihm als Gast bei seinem Alt-Arbeitgeber geboten schien, vorsichtig zu formulieren - noch dazu in der Moderatoren-Rolle -, äußerte sich Jochen Wegner dazu doch recht deutlich. "Ich bin fast ausgeflippt, als ich das sah", sagte er. Seine Timeline sei voll mit Shitstorm-Debatten rund um den neuen "Focus"-Titel.

Reitz entgegnete Wegner, dass er dessen Meinung respektiere, die ja - der Applaus zeige es - als politisch korrekt gelte. Er sei aber schon der Meinung, dass sich Muslime mit den radikalen Strömungen in ihrer Glaubensgemeinschaft auseinandersetzen müssten. Für die aktuelle Ausgabe habe seine Redaktion daher eine sehr umfassend recherchierte Titelgeschichte zusammengestellt, so der "Focus"-Chefredakteur.

Ihre Kommentare
Kopf
Wolfgang Messer

Wolfgang Messer

- Freiberuflich tätig -
TV-Sprecher, Blogger und Redakteur

19.01.2015
!

Allmählich sollte es sich herumgesprochen haben, dass sich die Zeitschrift "Charlie Hebdo" nennt - ohne "t" am Ende.


Rupert Sommer

Rupert Sommer

Pressebüro Sommer
freier Journalist / kress-Korrespondent München

19.01.2015
!

Stimmt. Danke!


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