Wer hat die fairste und fieseste Redaktion? Die Nominierten für den Himmel-und-Hölle-Preis 2015

24.03.2015
 

In Hamburg wird am kommenden Samstag die fairste und fieseste Redaktion ausgezeichnet: beim Himmel-und-Hölle-Preis. Ausrichter ist Freischreiber, der Berufsverband freier Journalisten. Auf den Nominierungslisten stehen

In Hamburg wird am kommenden Samstag die fairste und fieseste Redaktion ausgezeichnet: beim Himmel-und-Hölle-Preis. Ausrichter ist Freischreiber, der Berufsverband freier Journalisten. Der Freischreiber-Himmel geht an die Redaktion, die mit freien Autoren vorbildlich umgeht. Die Freischreiber-Hölle an die Redaktion, die den Freien das Leben schwer macht. 

Für den Himmel-Preis 2015 hat die Jury um die freie Journalistin Julia Friedrichs, die Medienwissenschaftler Volker Lilienthal und Michael Haller sowie Angelika Ohland und Gabriele Meister aus dem Freischreiber-Vorstand folgende Titel nominiert:

  • das Magazin "Eltern"
  • das "Manager Magazin"
  • die Zeitschrift für Abenteurer "Free Men's World"
  • das Magazin "Reportagen"
  • das Radio-Format "WDR 5 Leonardo"

"Allen schlechten Nachrichten vom Baumwall zum Trotz sind die Bedingungen für Freie beim Magazin 'Eltern' immer noch sehr gut. Sämtliche Mitarbeiter gehen nach aller Erfahrung respektvoll und wertschätzend mit Freien um", heißt es in der Begründung der Jury zum nominierte Gruner+Jahr-Magazin. Sei der Artikel "bestellt", reagierten die Redakteure in "nahezu sensationeller Geschwindigkeit" auf Rückfragen und weitere Anliegen. Zuschläge und Ablehnung für Themen-Ideen seien verlässlich. Auch das Honorar findet die Jury in Ordnung - für eine Titelgeschichte gibt es 2.000 Euro, was nicht außergewöhnlich viel sei, aber immer noch mehr als das, was andere zahlten. Zudem würden die Honorare zeitnah (etwa drei Wochen nach Rechnungseingang) beglichen.

Beim "Manager Magazin" wird hervorgehoben, dass dort ein sehr fairer Seitenpreis von 500 Euro pro Seite für die gesamte Artikelstrecke bezahlt wird (Fotoseiten werden mitgezählt). Zusätzlich übernehme die Redaktion alle Spesen und überweise Honorare und Spesen zügig. Auch die inhaltliche Zusammenarbeit laufe vertrauensvoll und gut. Vor dem Druck bekomme der Autor die Möglichkeit, den Text noch einmal zu lesen.

"Free Men's World" (TV Spielfilm Verlag, Hamburg) gehöre zu den kleinen, teilweise noch neuen und unbekannten Magazinen, bei denen Freie nahezu ideale Arbeitsbedingungen vorfänden. 

Das Schweizer Magazin "Reportagen" (Puntas Reportagen AG) zeichne sich durch das explizite Bemühen aus, die Zusammenarbeit und die Bedingungen für Freie so gut zu gestalten, wie es überhaupt nur geht. Als Beispiel nennt die Jury ein zweitägiges Autorentreffen auf einem Berg im Berner Oberland, zu dem die Redaktion im September 2014 eingeladen hat.

Und auch für die Öffentlich-Rechtlichen gibt es Freischreiber-Lob: Die Redakteure von "WDR 5 Leonardo" meldeten sich nach Senden eines Beitrags beim Autor, um ihm Feedback zu geben - "ein absolutes Alleinstellungsmerkmal". Die Bezahlung sei zudem fair.

Und wer kommt 2015 in die Hölle?

Auf die Shortlist wurden gewählt:

  • "Badische und Aargauer Zeitung"
  • Gruner + Jahr
  • "taz"
  • Zeit Online

Bei Zeit Online stört die Jury die Art und Weise, wie die Zusammenarbeit mit dem freien Russlandkorrespondenten Moritz Gathmann durch Chefredakteur Jochen Wegner beendet wurde: "Öffentlich über Twitter, so dass auf einmal die ganze Branche dabei zusehen konnte. Für einen Freien ist solch eine Verkündigung nicht nur demütigend, sondern grenzt an Rufschädigung: Der Betroffene musste damit rechnen, auch von anderen Auftraggebern gemieden zu werden, zumal nun auch noch breit getreten wurde, für wie wenig Geld er arbeitet. Wenn solche Fälle derart öffentlich verhandelt werden, beschädigt dies letztlich den Ruf aller freien Journalisten."

Jochen Wegner kündigte inzwischen via Twitter an, die Kritik Ernst zu nehmen

Die "taz" hatte sich zur Handball-WM in Katar von einem durch den Weltverband "bezahlten Korrespondenten" getrennt, der als freier Mitarbeiter für die Zeitung arbeitete. Dazu die Jury: "Keine Frage, die Korrespondenten, die diese Einladung annahmen, haben eine Grenze überschritten. Und die 'taz' hat solche Fälle in ihren Redaktionsstatuten geregelt. Aber es sind auch Redaktionen dafür verantwortlich, die keine Reisekosten und nur schlechte Honorare zahlen, jedoch Berichte aus dem fernen Katar trotzdem gerne annehmen. Die Redaktionen müssen Mitverantwortung für die Produktionsbedingungen übernehmen, unter denen ihre Stücke entstehen."

Die "Badische Zeitung" in Freiburg unterhält mit der Schweizer "Aargauer Zeitung" auf lokaler Ebene und über die Grenzen hinweg eine Vereinbarung zum Austausch von Artikeln. "Dieses Modell könnte attraktive Mehreinnahmen für freie Journalisten bedeuten. Leider dient es aber allein der Redaktion als Quelle für günstige Inhalte zu Lasten der freien Autoren: Texte und Fotos werden kostenlos an eine Regionalredaktion der 'Badischen Zeitung' weitergegeben", kritisiert die Jury. Dies sei nicht nur ein Verstoß gegen angemessene Honorierung sondern auch gegen das Urheberrecht. 

Mit Gruner + Jahr ist erstmals ein ganzer Verlag für den Hölle-Preis nominiert. "Die redaktionellen Veränderungen wie auch die schlechte Zahlungsmoral des Konzerns gegenüber seinen Autoren geben Anlass dazu." Eine weiterer Grund für die Nominierung: "Die in den AGB geregelte Weiterverwertung von Texten freier Autoren online wie auch innerhalb der Markenfamilie ohne angemessene Beteiligung." Das passe nicht zu einem Haus, das nach eigenen Angaben auf gute Autoren angewiesen sei.

Hintergrund: Nominiert werden konnten journalistische Redaktionen und Verlage (also keine Corporate-Publishing-Objekte), deren Verhalten oder Entscheidungen zwischen November 2013 und Ende Januar 2015 besonders positive oder negative Auswirkungen auf freie Journalisten hatten oder haben.

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