Oscar-Gewinner Jochen A. Freydank im Gespräch: Wie man mit dem Smartphone zum Filmemacher wird

 

Im Februar 2009 gewann Jochen Alexander Freydank mit dem Kurzfilm "Spielzeugland" den Oscar. Nun wählte der Filmemacher, Geschäftsführer der Produktionsfirma Mephisto, selbst einen Nachwuchs-Regisseur mit aus, der ein Flugticket nach Hollywood spendiert bekommt: Der "Tatort"-Macher kürte als Mitglied der "Shocking Shorts Award"-Jury Maximilian Niemann zum diesjährigen Gewinner des 13th-Street-Kurzfilmpreises.

Im Februar 2009 gewann Jochen Alexander Freydank mit dem Kurzfilm "Spielzeugland" den Oscar. Nun wählte der Filmemacher, Geschäftsführer der Produktionsfirma Mephisto, selbst einen Nachwuchs-Regisseur mit aus, der ein Flugticket nach Hollywood spendiert bekommt: Der "Tatort"-Macher kürte als Mitglied der "Shocking Shorts Award"-Jury Maximilian Niemann zum diesjährigen Gewinner des 13th-Street-Kurzfilmpreises. 

Experten-Tipp für den Nachwuchs: "Einfach machen!"

Im exklusiven kress.de-Interview verrät er, wie man mit einfacher Smartphone-Technik groß durchstarten kann - und warum es sich lohnen mag, den Filmhochschulen fernzubleiben. Freydank, der zuletzt die Filme "Kafkas Der Bau" (mit Axel Prahl, Kinostart: 9. Juli) und "Große Fische - Kleine Fische" fertig stellte, hatte sich selbst fünf Mal vergeblich an den Filmhochschulen von Berlin und Potsdam beworben, startete seine Weltkarriere aber im Selbermacher-Prinzip.

Die Zeiten fürs Drehen und Produzieren hält er für so günstig wie nie - großen Konkurrenzdruck inklusive. Freydanks Tipp an den Regie-Nachwuchs: "Einfach machen!".

Mit blutrünstigen Zombies zum Erfolg

Maximilian Niemann hatte sich mit seinem drastischen Zombie-Drama "Five Minutes" bei dem alljährlichen "Shocking Shorts Award", dem traditionellen Party-Höhepunkt des Filmfests München gegen 200 Mitbewerber durchgesetzt. 13 Street-Geschäftsführerin Katharina Behrends schickt ihn nun auf das "Universal Filmmasters Program" in Hollywood, wo er in den großen Studios hinter die Kulissen blicken und weitere Erfahrungen sammeln darf. Für den ersten "Shocking Shorts"-Preisträger und späteren "Das Leben der Anderen"-Oscar-Gewinner Florian Henckel von Donnersmarck hat das auch schon mal die Karriere beschleunigt.

kress.de: Herr Freydank,  was hat Ihnen denn an dem Gewinnerfilm besonders gut gefallen?

Jochen Alexander Freydank: Er ist sehr gut geeignet für eine Veranstaltung wie dem "Shocking Shorts Award", wo es ja darum geht, Genre-Filme zu drehen. Er schafft es, sich eine eigene Welt zu kreieren. Dabei erzählt Niemann sehr spannend und hält eine Pointe bereit, die überrascht. Sein Film enthält sehr viele Zutaten, die gut zusammenpassen.

"In kurzer Zeit auf den Punkt kommen"

kress.de: Auch wenn Ihr Oscar-Erfolg – damals auch mit einem Kurzfilm - nun auch schon einige Zeit zurückliegt: Was macht denn die besondere Herausforderung aus, einen guten Kurzfilm zu drehen?

Jochen Alexander Freydank: Ein bisschen ist es wie auch beim Journalismus: Wenn man viel Zeit hat, dann kann man einen kurzen Text schreiben. Wenn man wenig Zeit hat, wird er lang – und damit ja nicht unbedingt besser. Es geht beim Schreiben eines Kurzfilms darum, in kurzer Zeit auf den Punkt zu kommen. Ich finde aber, die schwachen Kurzfilme sind diejenigen, die lediglich auf eine Pointe hinauslaufen. Das erinnert mit dann manchmal an den gespielten Witz. Es geht darum, ernsthaft mit einfachen Mitteln eine Welt zu erschaffen und Figuren zu kreieren – und zu überraschen. In dieser Hinsicht waren beim Wettbewerb einige recht gute dabei.

"Ein Kurzfilm ist eine Boarding Card"

kress.de: Wie viel kann man denn beim Kurzfilm lernen, was später in der großen Form wichtig ist?

Jochen Alexander Freydank: Natürlich ist ein Kurzfilm eine Boarding Card. Aber er ist mehr als nur eine Fingerübung. Man kann einfach mal was ausprobieren. Ich selbst habe von meinen ersten Kurzfilmen viel mitgenommen für später – auch schon allein durch das Handwerk des Drehens.

kress.de: Verstellt der große Apparat am Set manchmal den Blick auf die Feinheiten?

Jochen Alexander Freydank: So kann es oft sein. Beim Kurzfilm ist man viel unmittelbarer beteiligt. Man braucht aber auch ein kleines Team und ein gutes Drehbuch. Der Drehprozess ist kürzer, der Vorlauf für den Dreh gestaltet sich aber gar nicht so viel anders wie bei einem großen Film. Das macht das Ganze oft etwas undankbar. Weil am Ende ein Produkt herauskommt, das nicht wirklich einen Markt hat. Ich konnte bei meinem Oscar-Film meinen Leuten zumindest ein bisschen Gage zurückzahlen – viel mehr aber auch nicht.

"Wenn man nur Preise gewinnen will, klappt es nicht"

kress.deWarum empfiehlt es sich trotzdem, Kurzfilme zu machen?

Jochen Alexander Freydank: Viele drehen sie als Bewerbungsstücke. Manchmal ist es aber auch der Ehrgeiz, einen bestimmten Style zu zeigen. Als Mitglied der Academy in Los Angeles sehe ich viele Kurzfilme, bei denen mir schnell klar wird: Ihr wolltet doch nur Preise gewinnen! Manchmal geht das ja auch auf. Ich komme eher von den Geschichten. Meiner Meinung nach ist es der gesundeste Antrieb, wenn man eine eigene Welt zeigen möchte. Wenn man nur zum Filmemachen antritt, um Preise zu gewinnen, dann klappt das nicht.

kress.de: In wie weit spielt den Filmemachern die mediale Entwicklung in die Karten: Lassen sich Kurzfilme nicht viel leichter in die sozialen Netzwerke bringen?

Jochen Alexander Freydank: Es gibt mehr Möglichkeiten, dass Kurzfilme gesehen werden. Das ist eine gute Entwicklung. Andererseits hat sich der Markt stark erweitert, weil jeder vergleichsweise einfach produzieren kann. Eine Profi-HD-Kamera kostet heutzutage nicht viel mehr als ein Handy. Es gibt eine richtige Schwemme an Produktionen – auch weil man mehr Wege findet, die Filme über YouTube oder so etwas wie den 13th Street-Wettbewerb ins Spiel zu bringen. Die Fülle macht diese Leichtigkeit aber gleichzeitig wieder schwerer.

"Man kann gute Filme auf dem Smartphone drehen"

kress.de: Mehr Möglichkeiten, mehr Mitbewerber.

Jochen Alexander Freydank: Ich habe vermutlich schon bald das letzte Mal in meinem Leben mit 35-Millimetern gearbeitet. Man kann heute fast problemlos gute Filme auf dem Smartphone drehen – wenn die Geschichte stimmt. Die technische Einstiegshürde ist mittlerweile erfreulich niedrig. Einen Kurzfilm kriegt man schon irgendwie hin – wenn man es nur richtig will. Bei einem langen Film ist das dann doch meist ein bisschen schwieriger.

kress.de: Wie sehen Sie eigentlich die Ausbildungssituation für Filmemacher in Deutschland?

Jochen Alexander Freydank: (lacht) Schulen und ich – wir hatten noch nie etwas miteinander zu tun. Daher kann ich ganz entspannt auf die Filmhochschulen blicken. Ich glaube aber nicht, dass es Sinn ergibt, wenn in Deutschland aus rund zehn Filmhochschulen jedes Jahr ungefähr 450 Regisseure ausgespuckt werden. Zumal der Markt hierzulande doch sehr überschaubar ist. Mein Weg war immer Learning by Doing.

kress.de: Was würden Sie jemanden raten, der viele originelle Ideen hat – und ein gutes Smartphone: Wie wagt man sich am besten an den Beruf des Filmemachers?

Jochen Alexander Freydank: Einfach machen! Wenn auch nur drei Kumpels mitdrehen und der Film hinterher Mist ist, kann man sich nach der Produktion gut darüber unterhalten, warum er misslungen ist. Den vielleicht naheliegenden Ansatz für den Beruf "Ich will reich werden, ich will berühmt werden, ich will Preise gewinnen" halte ich für grundsätzlich falsch. Wenn man es liebt, schöne Geschichten zu erzählen, dann hilft einem diese Grundhaltung auch über die schweren Zeiten hinweg.

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