Sigmar Gabriel und die "Schwarzfußindianer": Können zwei Konservative den SPD-Chef retten?

04.08.2015
 
 

Gewinnen Sozialdemokraten Wahlen, wenn sie sich unter anderem von zwei Konservativen beraten lassen? Sigmar Gabriel will es so machen. Der glücklose Vorsitzende der SPD und Vizekanzler der dritten Regierung Merkel setzt auf zwei neue Berater, die ihm Bodo Hombach, einst Kanzleramtsminister unter Gerhard Schröder und WAZ-Geschäftsführer, ans Herz gelegt hat.

Gewinnen Sozialdemokraten Wahlen, wenn sie sich unter anderem von zwei Konservativen beraten lassen? Sigmar Gabriel will es so machen. Der glücklose Vorsitzende der SPD und Vizekanzler der dritten Regierung Merkel setzt auf zwei neue Berater, die ihm Bodo Hombach, einst Kanzleramtsminister unter Gerhard Schröder und WAZ-Geschäftsführer, ans Herz gelegt hat. Ist das ein taktisch kluger Schachzug?

Die Umfragewerte für Vizekanzler Sigmar Gabriel und seiner SPD sind im Keller. Die Genossen fangen jetzt mit der Demontage an, allen voran Torsten Albig, Ministerpräsident in Schleswig-Holstein. Der will keinen SPD-Kanzlerkandidaten, sondern einen Spitzenkandidaten. Gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel habe niemand in seiner Partei eine realistische Chance, konstatierte er. Doch Rettung ist in Sicht. Ausgerechnet zwei konservative Medienberater sollen Sigmar Gabriel helfen, sein Image zu verbessern. Zuerst hatte der "Spiegel" die Personalie gemeldet: Wilhelm Klümper und Thomas Hüser, der den Job auf seiner FB-Page mit den Worten "Wilhelm Klümper und ich als Schwarzfussindianer bei den Rothäuten" bestätigt, kommen beide aus dem Ruhrgebiet.

Beide kommen auf Empfehlung von Bodo Hombach

Thomas Hüser betreibt seit 2004 eine nach ihm benannte PR-Agentur in Essen. Für Bodo Hombach, der in der SPD-Landespolitik ignoriert wird, kümmert er sich um die Öffentlichkeitsarbeit der Brost-Stiftung. Wilhelm Klümper war lange Zeit stellvertretender Chefredakteur der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung", betreute dort die Lokalredaktionen und verließ das Unternehmen im Herbst 2014. Auch Klümper gilt als Hombach-treu.

Was können die beiden "Schwarzfußindianer" nun bewirken? Der Unternehmensberater und Publizist Klaus Kocks kommentiert den PR-Deal gegenüber kress.de mit markigen Worten. Für ihn seien drei Dinge Faktum: "Die SPD verharrt gusseisern auf einem 25-Prozent-Votum. Sigmar Gabriel ist ein schon recht lang agierender Parteivorsitzender. Alle Parteien sind Intrigenstadel; die Sozis mit einem notorischen Hang zur moralisch erhabenen Selbstvernichtung. Darum ranken sich drei Gerüchte. Es sei ein Social-Media-Mann von Obama im Willy-Brandt-Haus. Im BMWi würde eine Strategietruppe geschmiedet und Bodo Hombach habe zwei Schwarzfüße aus dem Revier unter die Rothäute entsandt. Das ist alles wahr und falsch zugleich."

"Keine Überflieger"

Der auch im Ruhrgebiet gut verdrahtete Kocks betont, er habe bislang weder von Hüser noch von Klümper gehört,  "jedenfalls nichts intellektuell Erinnerungswürdiges". Kocks Fazit: "Wieder verderben bei den Sozis viele Köche den Brei. Der Stratege von Sigmar Gabriel wohnt in seinem Bauch und kommt aus Asien: Er heißt Watt Nu. Die Strategie nennt sich Englisch: Muddlin Through. Die Prognose macht Beckenbauer: Schaunmer Mal. Kurzum die Lehre: Wenn eine Partei nicht den Willen zur Macht hat, dann sollte der Wähler ihr diese auch nicht geben."

Der Medienexperte bringt das Gabriel-Dilemma auf den Punkt: "Wie trete ich als Gegenkandidat an, ohne eine Alternative sein zu wollen? Postmoderne Entpolitisierung. Wer 'Star' nicht kann, darf nicht berühmt werden wollen. Das Problem der PR? Rampensau ist vom Publikum gefragt, Etappenhase wird von den PR-Stäben geraten. Gabriel weiß darum und bietet beide Rollen, wechselweise!"

Der gewichtige Vorsitzende breche nun aus den Ratschlägen seiner Partei aus, was jedoch wie ein Zickzack-Kurs wirke. Kocks Rat an die SPD: "Rock & Roll! Der misslungene Aufstand ist besser als die stickige Luft im Paradies."

Anders sieht es Ulrich Reitz. Der frühere Chefredakteur der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" fährt beim "Focus" einen strammen konservativen Kurs. Und kommt in seinem Chefredakteurs-Brief gar nicht mehr aus dem Lob heraus. Für Reitz gehört Bodo Hombach in NRW "zu den großen politischen Strippenziehern". 

"Focus"-Chef voller Lob

"Die Haupteigenschaften von Hüser und Klümper sind es allerdings nicht, konservativ zu sein", betont Reitz in seinem Rundbrief. Im Gegenteil, die Angelegenheit sei weitaus brisanter: "Hüser ist einer der wenigen, der die polit-ökonomischen Machtstrukturen im ursozialdemokratischen Ruhrgebiet durchdrungen haben. Jenes Zusammenspiel von Ruhrbaronen auf unternehmerischer, gewerkschaftlicher und politischer, sprich: sozialdemokratischer Seite. Dass Hüser christdemokratisch denkt, ist für Gabriel kein Hindernis; sozialdemokratisch sind im Revier schließlich schon alle anderen. Und Wilhelm Klümper? Er ist ein Konservativer, ja sicher. Nun muss man wissen, dass die Traditions-Sozialdemokratie im Revier konservativer ist als die CSU in, sagen wir: Kreuth. Für diese Leute hat Gerhard Schröder seine krachenden Sätze von den kriminellen Ausländern formuliert, die sofort abgeschoben werden müssten, oder den Kinderschändern, die unmittelbar hinter Schloss und Riegel gehörten."

Und Reitz ergänzt: "Klümper wohnt seit sehr vielen Jahren in Duisburg. Er hat, lange bevor er bei der WAZ anfing, im berühmt-berüchtigten Stadtteil Marxloh als Sozialarbeiter gearbeitet. Er hat auch schon mal Knastis betreut. Er war einer der sehr, sehr wenigen konservativen Journalisten, die die Revier-Sozis ernst genommen haben", legt der "Focus"-Chef die ganz große Lobeshymne hin.

Reitz im Original: "Wenn nun also Gabriel ausgerechnet diese beiden in sein Team holen will, zeigt er, dass er es 2017 wirklich ernst meint.2

"Skalpieren, Friedenspfeife und Blutsbrüderschaft"

Der langjährige WDR-Hörfunk-Reporter Horst Kläuser meint zu Hüsers Kommentar auf Facebook, dass zum Thema Rothäute auch Begriffe wie "Skalpieren, Friedenspfeife und Blutsbrüderschaft" dazu gehören. 

Bei der Frage, ob Hüser und Klümper im Kontext der parteiinternen Gabriel-Demontage überhaupt etwas erreichen könnten, konzedierte der ehemalige ARD-Auslandskorrespondent auf Anfrage von kress.de: "Beide verfügen über das Know-how, was der CDU weh tut, worauf sie keine Antworten hat, womit Gabriel bei den 'Schwarzen' punkten kann!". Problematischer, so Kläuser, sei die Frage der Akzeptanz der beiden innerhalb der SPD: "Genossen sind traditionsgemäß treu und vergessen nichts."

Gabriels Defizit, so die Überzeugung des ehemaligen ARD-Auslandskorrespondenten, sei, dass er das junge Wählervolk nicht anspreche. Dass sie in Großstädten noch bei jungen Menschen punktet, sei nur der Gewohnheit geschuldet und weil die CDU noch langweiliger rüberkomme. "Geheilt" werden könne dies nur schwer, so der WDR-Mann. Wenn jetzt die SPD aus Kanälen lostwitterte, "Siggi Pop" täglich sechs Instagram-Fotos postete, wäre es trotzdem unglaubwürdig, wirkte wie aufgesetzt, so seine Überzeugung.

Zäsur in der SPD

Für den WDR-Mann ist die Verpflichtung der Schwarzfüße eine echte Zäsur. Kläuser sieht darin fast einen Offenbarungseid der SPD-Führung: "Leute von außen als Berater zu holen, kann als Schlag ins Gesicht, als Misstrauensvotum gegenüber der eigenen PR-Abteilung gewertet werden. Andererseits: Wie weit sind sie gekommen, wenn Gabriel es für nötig hält, auf externe Berater zurückgreifen zu müssen!" Viel schlimmer, so Kläuser: "Die SPD wirkt gelangweilt, ideenlos, unattraktiv und diskutiert darüber, auf einen eigenen Kanzlerkandidaten zu verzichten." Ob das, so fragt er sich, Selbstmord aus Angst vor dem Tod ist?

Von Gunther Fessen

 

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