Kreativ zerstörerisch oder altbekannt konfus: Ex-"Wetten, dass ..?"-Moderator Thomas Gottschalk passte sich bei der Eröffnungsmoderation der Medientage München dem Kongressmotto "Disruption" an. "Ich habe als Feind des Fernsehens meine Karriere gemacht", sagte er über seine Berufsanfänge beim BR. "Ich wollte Radio machen." In der von ihm milde gebändigten "Elefantenrunde" sammelte er von TV-Granden optimistische Zukunftsausblicke ein.
Wann startet die "SOKO Schrobenhausen"?
Die Schärfe und gut vorbereitete Straffheit von Vorjahres-Elefanten-Moderator Klaas Heufer-Umlauf war von Gottschalk vermutlich gar nicht erwartet worden. Was Gottschalk im übervollen Medientage-Auditorium allerdings erkennbar vermisste, war die direkte Reaktion des Publikums. Gelegentlich musste er Applaus sogar regelrecht einfordern, den er mit meist eher harmlosen als bissigen Branchenscherzen bediente. Als gebürtiger Franke freue er sich etwa über den Erfolg des BR-"Tatorts" aus Nürnberg. "Ich fürchte aber schon, dass in den Schubladen des BR bereits 'SOKO Schrobenhausen' liegt", so Gottschalk.
Miriam Meckel mag Adblocker nicht: "Unkreative Zerstörer"
Anders als in der klug argumentierten Eröffnungsrede von "WiWo"-Chefredakteurin Miriam Meckel, die Adblocker als "unkreative Zerstörer" bezeichnete und intelligentere Werbung einforderte sowie die Medienkonsumenten in Zeiten von total individualisierter Filter-Blasen und "antizipatorischer" Nachrichtentendenzen an ihr eigenes Gehirn erinnerte, blieben die Positionen, die beim sogenannten "TV Gipfel" diesmal ausgetauscht wurden, erwartbar und oft sogar platt. Da passte dann - im eher betrüblichen Sinn - der Übergang zur Keynote von Roy Price, Vice President der Amazon Studios, die zur reinen Werbeveranstaltung geriet - samt ausführlichem Krachbumm-Schluchz-Programmtrailer.
Content ist und bleibt wieder mal King. Ach so
So kehrten in der jovial moderierten Gottschalk-Runde tatsächlich abgedroschene Klassiker wie "Content is King", serviert von Constantin Medien-Vorstand Fred Kogel, und Kampfparolen der alten Georg-Kofler-Schule zurück. "Wir haben gesehen, dass das private und öffentlich-rechtliche Fernsehen in den letzten Jahren nicht besser geworden ist - das hilft natürlich", durfte Sky-Vorstand Carsten Schmidt zu aktuellen Pay-Erfolgen sagen. Auch Kogel möchte sich mit seiner unabhängigen Mediengruppe "maximal schnell bewegen" und nicht "an alten Geschäftsmodellen festhalten". Und natürlich wird das lineare Fernsehen - allen Anfechtungen zum Trotz - noch weiter lange Bestand haben. Konsenskultur.
Norbert Himmler will im ZDF-Hauptprogramm mutiger programmieren
Kurioserweise war es ausgerechnet Norbert Himmler, Programmdirektor des ZDF aus der Nach-Gottschalk-Ära, der sich selbst etwas abverlangte: Er sprach vom Mut, der stärker nötig sei, ungewöhnliche Produktionen wie zuletzt "Blochin" auch tatsächlich in der Primetime - und im Hauptprogramm - zu zeigen. Vor der vermeintlichen Serien-Übermacht der USA hat er, ähnlich wie Wolfgang Link, Vorsitzender der Geschäftsführung von ProSiebenSat.1 TV, wenig Angst. "Mit Netflix und Amazon kommt nicht das Fernsehen nach Deutschland", so Link. "Wir können dem Wettbewerb stolz und selbstbewusst entgegentreten", sagte er.
Allerdings stellt sich für den Senderchef, der schon bald ohne Stefan Raab auskommen muss, eine besondere Herausforderung - nämlich jene, "die besten Talente an uns zu binden".
Wie Gottschalk den Zuschauer-Altersschnitt berechnet
Doch wo steckte in der Diskussion die oft so charmante Frechheit von Thomas Gottschalk - einmal abgesehen davon, dass er Norbert Himmler - gespielt - ein wenig bemitleidete, dass er als Vertreter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens "aspekte" hinter sich her schleifen muss? Tatsächlich verlagerte Gottschalk die Debatte oft ins Private, wenn er etwa mit zwischen Kind, Ehefrau und TV-Redakteurin falsch verschickten E-Mails ("Ich weck dich, Baby") kokettierte. Oder wenn er von seinem Befremden erzählte, dass der Sohn sich im verschlossenen Badezimmer ausgerechnet von YouTube-Stars beim Krawattebinden helfen lässt.
Immerhin hatte der selbsterklärt "herbstblonde" TV-Dino, der sich scherzhaft über diese "verdammten 9- bis 12-Jährigen" mokierte ("Die sind 100 mal hibbeliger als wir das je waren"), eine ganz eigene Definition für künftige TV-Quotenerhebungen anzubieten. "Ich bin 65", sagte Gottschalk. "Mein Anzug ist ein Jahr. Im Schnitt bin ich 33."
Der für alte "Wetten, dass ..?"-Verhältnisse tatsächlich eher dezent karierte Anzug gefiel übrigens Jay Marine, Vice President Amazon Instant Video EU, sehr gut. Gottschalk freute sich über das Kompliment. Die Runde blieb heiter - und ohne jeden Biss. Zum Abschluss blickten - zur Freude des Moderators - alle optimistisch der von "digitaler Disruption" dann offenbar doch so gar nicht bedrohten Medienzukunft entgegen. "Wir sehen für uns alle eine Zukunft", bilanzierte Thomas Gottschalk. "Meine ist kürzer als eure."
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