Der ehrenwerte Herr Senatsvorsitzende am BGH, Thomas Fischer, bläst mal wieder mächtig heiße Luft ins Sommerloch; dabei bietet ihm der Zeitverlag doch Raum und Zeit genug, sich zu verbreiten. Nun gut. Er wurde gefragt im Deutschlandfunk und hat geantwortet. Fischer bleibt aber die Beispiele schuldig. Er verkennt völlig die Realität in den Lokalredaktionen, worauf Gisela Friedrichsen bereits hingewiesen hat.
Sollte Fischer die Lokalredaktionen der "Bild"-Zeitung gemeint haben, läge er nicht ganz falsch. Die "Bild"-Berichterstatter skandalisieren und personalisieren beinahe traditionsgemäß in penetranter Art und Weise, verletzen dabei oft die Spielregeln (siehe Rügen des Deutschen Presserats). Das ist Blattpolitik: "immer feste druff" auf Missetäter, so verzweifelt die auch gewesen sein mögen "in Begehung der Tat".
Schulung und Interesse: conditiones sine quae non
Der klassische Gerichtsreporter beim Regionalblatt ist tot. Noch in den 1980-er Jahren hielten sich die meisten regionalen Tageszeitungsverlage einen Gerichts-und/oder Polizeireporter. Heute ist dies allenfalls in den Metropolen der Fall. Das "Desk-Prinzip" und die Rotation in den Redaktionen haben dazu geführt, dass mal der Jungredakteur, mal die Volontärin dran sind nach dem CvD-Motto: "Um 3 rufste die Bullen und die StA an. Und guck mal, ob der Prozessplan vom Amtsgericht was hergibt". Es muss dennoch nicht zwangsläufig nur Schlechtes dabei herauskommen, wenn (angehende oder selten geübte) Journalisten den Justiz-Job machen, selbst wenn sie in den allerseltensten Fällen Juristen sind. Oftmals schreiben Presserichter die Meldungen. Da gibt es einiges zu lachen. Schlecht, wenn das untaugliche Material dann einfach ins Blatt (Strg C / Strg V) übernommen wird. Besser: umschreiben. Und noch besser: die Juristen medial schulen!
In Tagungen der "Deutschen Richterakademie" für Richter und Staatsanwälte geht es seit Jahren um die Lesbarkeit der Pressemitteilungen und die Verständlichkeit von Statements der Justiz unter Vermittlung journalistischer Kriterien. Und da hat sich glücklicherweise einiges bewegt. Früher saßen Senatsvorsitzende und "LOStAs" mit 30 Dienstjahren auf dem Buckel mit verschränkten Armen in der Akademiestätte Schloss Wustrau im Brandenburgischen. Kein Gedanke daran, dass Justiz auch als Dienstleistung (am Volk) verstanden werden kann. Heute sind es junge Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die mit gewissem Stolz nach einer Woche Training mehr vom Medienhandwerk verstehen und erworbene Kenntnisse künftig mit Wonne anwenden. Noch schöner wäre es freilich, würde es mehr juristisch vorgebildete Journalisten und noch mehr Juristen mit journalistischer Begabung geben. Dann hätte sich Professor Fischer womöglich die heiße Luft gespart. Aber, so wie wir ihn kennen, wahrscheinlich eher nicht. . .
Thomas Meyer
Zum Autor: kress.de-Gastkommentator Thomas Meyer (Mainz) war für Zeitungen und Sender in den Gerichtssälen unterwegs, ist SWR-Medienredakteur, Moderator der Sendereihe "SWR4 Klartext" und Referent im Workshop "Justiz und Medien" der Deutschen Richterakademie.
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