Es ist noch ruhig, als kress.de gegen 6 Uhr am Mittwochmorgen das Axel-Springer-Hochhaus in Berlin betritt. Unten sind noch die Nachwirkungen vom Goldenen Lenkrad zu sehen, mit dem am Dienstagabend erstmals auch Elon Musk für seinen Tesla ausgezeichnet wurde. Wie in anderen Redaktionen in der Republik auch haben bei "Bild" zahlreiche Journalisten die Wahlnacht durchgearbeitet. Schon wieder bzw. immer noch da sind natürlich die Chefredakteure, Tanit Koch sitzt direkt am Newsroom und beobachtet kopfschüttelnd die Entwicklung, Julian Reichelt führt Gespräche, Politikchef Nikolaus Blome zeigt sich besorgt.

Der Tag, an dem Donald Trump trotz unzähliger Aussetzer im Wahlkampf vom amerikanischen Volk zum Präsidenten gewählt wird, ist der Tag, an dem Julian Reichelt den Startschuss für "Die richtigen Fragen" gibt. Dafür hat er Anna von Bayern (frühere "Bild-am-Sonntag"-Korrespondentin, Buchautorin) und den international erfahrenen Moderator und Journalisten Ali Aslan (früher CNN, Deutsche Welle TV, ABC News) verpflichtet. Sie stehen im Studio, die amerikanische Flagge ist zu sehen, auf einem großen Bildschirm werden die großen Nachrichtensender gezeigt.

Aslan und von Bayern zeigen in einer Stunde, was heute von einer Redaktion, von einem Team gestemmt werden kann, das über alle Kanäle hinweg denkt und an einem Strang zieht, vom Techniker bis zu den beiden Moderatoren, die beide am Vorabend noch bei der US-Wahlparty von CNN, n-tv und "Stern" in der Berliner Bertelsmann-Repräsentanz mit 1000 anderen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu Gast waren.

Das Line-Up der Gäste vom "Bild"-Talk, die via Skype zu den Moderatoren geschaltet werden, ist beeindruckend. Unter anderem stehen Rede und Antwort:

Sebastian Kurz, Außenminister Österreich

Christian Lindner, Bundesvorsitzender FDP

Paul Ziemiak, Bundesvorsitzender Junge Union (aus Washington)

Karl-Theodor zu Guttenberg, früherer Bundesverteidigungsminister (aus Hamburg)

Zwischendurch kommt dann auch Nikolaus Blome als Live-Gast ins Studio - Blome hat eine ganz eigene Ausstrahlung, egal bei welcher Talkshow, dieser Mann ist immer ein Gewinn.

Insgesamt zeigen sich alle Gesprächspartner persönlich und nahbar, der österreichische Außenminister Sebastian Kurz meldet sich sogar im Dienstwagen auf dem Weg zum nächsten Termin.

Die neue Talkshow wirkt intim, gerade durch den Kunstgriff, dass die Gäste fast immer einzeln befragt werden und das Journalistische beim Nachhaken im Mittelpunkt stehen. Die Interviewpartner melden sich also nicht aus einem sterilen Studio, sondern aus ihrem Arbeitszimmer, aus dem eigenen Hotelzimmer oder noch direkt aus dem Bett.

Aslan und von Bayern parlieren auf Deutsch und Englisch durch die Sendung, die beiden Journalisten wirken vertraut, ihre Interviewpartner lassen sie ausreden, was bei einer Talkshow in Deutschland ja auch schon zur Seltenheit geworden ist, sie wollen ihnen klare Aussagen entlocken, ohne sie vorzuführen.

"Am meisten hat mich gefreut, wie unglaublich schwergewichtig unsere Sendung besetzt war", sagt Julian Reichelt, Chefredakteur Digital bei "Bild". Für Reichelt geht es bei "Die richtigen Fragen" explizit nicht um neue Reichweitenrekorde: "Wir wollen ein relevantes Format schaffen", sagt Reichelt, der dem gesamten Team für die überragende Arbeit dankt. Der "Bild"-Talk soll den Freiraum bekommen, um sich die nächsten Wochen und Monate zu entwickeln.

Ein paar Zahlen der Premierensendung gibt es aber auch noch, die sich sehen lassen können:

Die Sendung hatte allein auf Facebook (ohne BILD.de) 156.000 Zuschauer (Stand: 11.15 Uhr).

Es ergeben sich insgesamt rund 162.000 Views, der Post erreichte 510.000 Menschen.

Es gab insgesamt 3.200 Reaktionen.

Hintergrund

"Bild" setzt mit seiner neuen Sendung einen Akzent, den der Bereich relevantes, politisches Bewegtbild im Netz unbedingt benötigt. Dabei setzt die Redaktion mit Aslan und von Bayern auf zwei echte Profis, die eingespielten Interviewgäste per Skype sorgen für die nötige Online-Authenzität. Zukünftig soll das Duo jeden Montagmorgen die "richtigen Fragen" stellen. Immer pünktlich um 7 Uhr, also dann, wenn besonders viele Nutzer noch vom Bett aus oder auf dem Weg zur Arbeit zu ihrem Mobiltelefon greifen. Damit geht "Bild" zum Wochenstart nicht nur in den Wettstreit mit Anne Will, sondern auch mit dem Deutschlandradio, wo sich morgens auch zahlreiche Politiker äußern, weil sie wissen, dass nationale Medien und Agenturen sie im Anschluss zitieren.

Zudem schafft Bild eigenen, relevanten Videocontent, der auf allen Kanälen ausgespielt werden kann und soll. Von Bedeutung ist es auch, dass im Anschluss die Sendung nicht nur komplett, sondern auch die Gesprächspartner einzeln "ausgekoppelt" werden. Diese kürzeren Videos können dann direkt bei anderen Beiträgen eingebunden werden.

Die digitale "Bild" ist mit "Den richtigen Fragen" erneut Trendsetter. Andere Online-Medien müssen sich jetzt die Frage stellen, wie sie im Relevanzwettbewerb auch im Videobereich bestehen wollen. Es reicht nicht, immer wieder von der Bedeutung von Bewegtbild zu sprechen. Wer vorne dabei sein will, muss bereit sein, in eigene Formate zu investieren.

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