Thomas Hauser von der "Badischen Zeitung": "Wir jammern auf hohem Niveau"

 

Keine Angst um die Pressefreiheit hat Thomas Hauser, seit dem 1. Oktober 2016 Herausgeber der in Freiburg erscheinenden "Badischen Zeitung". "Die Pressefreiheit verkümmert eher, weil wir sie nicht richtig nutzen", sagt Thomas Hauser im Gespräch mit kress.de-Chefredakteur Bülend Ürük. 

kress.de: In welchen Bereichen sehen sie eine Einschränkung der Pressefreiheit in Deutschland?

Thomas Hauser: Wir jammern da auf einem hohen Niveau. Auch wenn das Klima hierzulande ebenfalls rauer geworden ist, die meisten Journalisten in anderen Ländern würden sich freuen, unsere Sorgen zu haben. Am ehesten beschäftigt mich die Frage, wie wir die finanzielle Basis erhalten, um unsere Arbeit gut machen zu können.

kress.de: Behörden und Unternehmen "mauern" oft, zumal wenn es um heikle Informationen geht. Sie verweigern Interviews - oder überlassen nur ein meist wenig aussagekräftiges Statement. Ist das aus Ihrer Sicht eine Einschränkung der Pressefreiheit?

Thomas Hauser: Streng genommen ja, aber das gehört leider zu den Spielchen vieler Pressestellen und sollte uns eher anstacheln, die Wahrheit dennoch als Licht zu bringen. Andererseits gilt übrigens auch der alte PR-Leitsatz: Die beste Korruption ist die Information.

kress.de: Gabor Steingart hat in einer harten Analyse vor Mitarbeitern die zu große Nähe - etwa zu Wirtschaftsmanagern - in der Berichterstattung kritisiert. Jürgen Leinemann sprach oft von der größten Korruptionsgefahr von Journalisten durch "zu große Nähe" zu Informanten. Sehen Sie auch diese "Nähe" als Problem der Pressefreiheit?

Thomas Hauser: Dieses Thema ist ein Evergreen. Als Journalist müssen sie möglichst nah an die Themen und Menschen Ihrer Berichterstattung. Das birgt immer die Gefahr, beeinflusst zu werden. Auch deshalb, weil ihre Recherchepartner in der Regel besser im Thema sind als sie. Bleiben sie deshalb zu sehr auf Distanz, laufen sie Gefahr, Vorurteile und Halbwahrheiten zu transportieren. Das Dilemma ist nicht aufzulösen. Man kann die Gefahr nur minimieren, indem man sie sich immer wieder bewusst macht. Dazu gehört übrigens auch der Umgang mit der eigenen Eitelkeit, dazuzugehören. Wir gehören nicht dazu. Diese Erkenntnis hilft übrigens auch, bei der Berichterstattung die Perspektive unserer Leser(innen) einzunehmen, nicht die unserer Protagonisten.

kress.de: In der "nervösen" Medienkritik - gibt es jenseits aller Abwehr der Kritik - eine sehr weitgehende Übereinstimmung: die Kritik an zu viel Mainstream in der Berichterstattung, an dem Sog der großen Übereinstimmung von Journalisten. Schränkt der diagnostizierte Mainstream die Pressefreiheit ein?

Thomas Hauser: Er schränkt sie nicht ein, sondern höhlt sie aus. Wenn die Diagnose denn stimmt. Dass an ihr zumindest etwas dran ist, liegt vor allem  daran, dass wir uns immer weniger Zeit nehmen, die Themen zu durchdringen. Wir sind allzuoft im Hamsterrad, immer schneller, immer pointierter zu berichten, um die Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Da hilft es, Recherche abzukürzen, indem man immer im Blick hat, was die anderen machen. Der Traum vieler ist der Echtzeit-Journalismus. Dabei ist das ein Widerspruch in sich selbst. Journalismus braucht Zeit, die Dinge zu recherchieren und zu überdenken. Das heißt, Journalismus muss wieder lernen, zu entschleunigen.

kress.de: Die gewaltige Macht der PR-Pressestellen, Content Marketing, Anzeigen-Abhängigkeit sowie vielfältige Kooperationen über Konferenzen und Kongresse etc: wirkt sich diese Tendenz auf das Niveau der Pressefreiheit aus?

Thomas Hauser: Das kann, muss aber nicht so sein, wenn wir die Dinge richtig einordnen. Das Problem entsteht doch dadurch, dass die PR professionell stark aufgerüstet hat, während viele Redaktionen personell und in ihrer fachlichen Kompetenz ausgedünnt wurden. Wenn sie dann noch die Beschleunigung berücksichtigen, dürfen sie sich nicht wundern, wenn das Niveau sinkt und wir der PR und anderen Abhängigkeiten auf den Leim gehen. Um unabhängig von Anzeigeneinflüssen zu sein braucht es überdies ein starkes Rückgrat in den Redaktionen und Geschäftsleitungen. Begehrlichkeiten abzuwehren fällt leichter, wenn es ihnen finanziell gut geht. Aber auch das ist keine neue Erkenntnis.

kress.de: Nahezu alle relevanten Journalistinnen und Journalisten, die in den außenpolitischen Ressorts arbeiten, sind Mitglied etwa in der "Atlantikbrücke"; wirkt sich dies auf die Nutzung der Pressefreiheit aus, weil es eine Einbindung in einen Konsens über wesentliche Fragen gibt?

Thomas Hauser: Ist das so? Wenn ja, hielte ich das für bedenklich. Nicht deshalb, weil man als Journalist nirgendwo Mitglied sein sollte. Ich kenne Journalisten, die mit ihrer eigenen Partei kritischer umgehen als "unabhängige" Kollegen. Und jeder von uns hat Werte und Überzeugungen, die seine Arbeit begleiten. Wir sind als Beobachter keine Eunuchen. Wir sollten uns da ehrlich machen, wenn wir glaubwürdig bleiben wollen. Deshalb habe ich auch nie etwas mit der Forderung nach Objektivität im Journalismus anfangen können. Was soll das sein? Guter Journalismus beleuchtet möglichst viele Aspekte eines Themas und lässt möglich viele unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen. Die Pluralität der Sichtweisen und Meinungen ergibt sich dann aus der Pluralität der Journalisten. Deshalb wäre es bedenklich, wenn alle eine ähnliche Sichtweise hätten.

kress.de: Gibt es eine Einschränkung der Pressefreiheit durch Überlastung und Arbeitsverdichtung von Journalisten? Wird die Pressefreiheit dadurch eingeschränkt, dass diese aufgrund von Zeit-Ressourcenmangel nicht ausreichend wahrgenommen wird?

Thomas Hauser: Einschränkung würde ich das nicht nennen, die Pressefreiheit verkümmert eher, weil wir sie nicht richtig nutzen. Aber diese Gefahr besteht. Dagegen anarbeiten können wir nur, wenn wir uns dessen bewusst sind und Mut zur Lücke zeigen. Das heißt, wir müssen lernen, mit unseren Ressourcen besser umzugehen. Das heißt,  was möglich ist, gut zu machen und anderes handwerklich sauber zu melden oder im Zweifel wegzulassen. Ganz neu aber ist auch dieses Dilemma nicht.

Die Fragen an Thomas Hauser, seit dem 1. Oktober 2016 Herausgeber der in Freiburg erscheinenden "Badischen Zeitung", stellte kress.de-Chefredakteur Bülend Ürük.

Hinweis: Dieser Beitrag ist Teil der großen KRESS-Reihe zum Thema Pressefreiheit.

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