Verkleidet als Asterix und Obelix: So kreativ kämpft eine oberfränkische Lokalzeitung um einen Haustarif

 

Es ist wohl das erste Mal, dass Zeitungsredakteure als Comicfiguren um einen Haustarif kämpfen. Die Rede ist von den Redakteuren bei der in Oberfranken erscheinenden Lokalzeitung "Obermain-Tagblatt". Dort warten Redakteure nach eigenen Angaben seit neun Jahre auf eine Lohnerhöhung. Jetzt fordert die Redaktion von ihrem Verlag, der zur Mediengruppe Pressedruck (Augsburg) gehörenden Würzburger Mediengruppe Main-Post, einen Haustarif ein - und geht dafür verkleidet auf die Straße.

"Wir befinden uns im Jahre 50 v.Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt... Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die römischen Legionäre, die als Besatzung in den befestigten Lagern Babaorum, Aquarium, Laudanum und Kleinbonum liegen..." so lautet der Einstieg zu jedem Asterix-Comic. Jetzt will die Redaktion vom "Obermain-Tagblatt" in ähnlicher Weise Ausdauer und Haltung beweisen.

"Unabhängigkeit und Fairness wahren, zum Wohle der vernünftigen Weiterentwicklung unserer Region", lautet das traditionsreiche Motto vom "Obermain-Tagblatt", das zum ersten Mal 1857 erschien. Auf die Arbeit der Lokaljournalisten können sich die Leser verlassen, sie vertrauen und schätzen ihre Heimatzeitung. Das beweisen auch die vielen Kommentare, die die streikende Journalisten in diesen Tagen erreichen. Was die Redakteure fordern, warum sie kreativ die Herzen der Leser und eine Einigung mit der Verlagsleitung erreichen möchten, erklärt Till Mayer, Redakteur und Betriebsratsvorsitzender, im kress.de-Gespräch.

kress.de: Herr Mayer, eigentlich ist Rosenmontag ja noch ziemlich weit hin. Sie haben sich aber entschieden, im Verbreitungsgebiet Ihrer Zeitung die Bürgermeister und den Landrat im Gallierkostüm zu besuchen. Welche Figur aus den Comics von Uderzo und Goscinny stellen Sie dar?

Till Mayer: Asterix, leider muss es ohne Idefix gehen.

kress.de: "Operation Hinkelstein" der "Wertschätzer" heißt Ihre Aktion, für die Sie viel Zuspruch von anderen Tageszeitungsredakteuren erfahren. Wer sind die "Wertschätzer"?

Till Mayer: Das sind wir organisierten Zeitungsmacher aller Abteilungen. Wir wollen unsere Leser wertschätzen. Die spannenden Geschichten über ungewöhnliche Menschen, die Berichte über das Vereins- und Kulturleben oder den 85. Geburtstag: All das schätzen wir wert. Aber auch gegenseitig schätzen wir uns im Team. Und natürlich wollen wir, dass auch der Arbeitgeber uns und unsere Leistungen wertschätzt.

kress.de: Sind denn alle in der Redaktion gewerkschaftlich organisiert?

Till Mayer: An dem Streik nehmen alle Redakteurinnen und Redakteure bis auf die Abteilungsleiter teil.

kress.de: Und wofür steht die "Operation Hinkelstein"?

Till Mayer: Jahrzehntelang waren wir von "übermächtigen" Mitbewerbern umrundet. Und haben uns tapfer gehalten, unbeugsame Gallier eben. Da passte es gut, die "Operation Hinkelstein" für den Kampf für eine bessere Entlohnung zu wählen. Die Kolleginnen und Kollegen hatten schnell ihre Lieblingsfigur gefunden.

kress.de: Sie haben sogar eigene Videos produziert. Wie kam es dazu?

Till Mayer: Wir können ja schlecht in unserer Zeitung auf uns aufmerksam machen. Also müssen wir auch digital arbeiten, mit unserer Homepage und auf Facebook. Clips gehören da einfach dazu. Zum Glück gibt es da Uli Präcklein, eine begnadete Werbefotografin mit Studio. Sie war vor vielen Jahren als Teenagerin freie Mitarbeiterin unserer Jugendseite. Und hat dankenswerterweise alles ehrenamtlich eingedreht. Unsere Vereine - von Bauchtänzerinnen, Sportlern, Züchtern bis Blasmusikern - waren auch gerne dabei. So trägt Wertschätzung Früchte.

kress.de: Noch bis einschließlich heute wird das "Obermain-Tagblatt" bestreikt. In welcher Verfassung befindet sich die Heimatzeitung im Landkreis Lichtenfels aus Ihrer Sicht?

Till Mayer: Wir sind eine sehr lesernahe Zeitung. Und wollen dies auch bleiben. Aber Arbeitsverdichtung und Stellenabbau machen das nicht unbedingt leichter. Darum machen wir uns Sorgen.

kress.de: Jetzt lautet Ihre Kernforderung aber: Wir wollen mehr Geld!

Till Mayer: Für einen Großteil der Mitarbeiter aller Abteilungen gab es seit neun Jahren keine Erhöhung mehr. Einige Redakteure konnten sich durch zwei Gerichtsinstanzen ihre Berufsjahresstaffel-Erhöhung erkämpfen - auf den Tarif-Stand von 2007! Aber wir kämpfen auch, dass Neueinstellungen faire Verträge durch einen Haustarif bekommen. Bei unserem Volontär war das aus unserer Sicht nicht der Fall. Und wir kämpfen, damit das "Obermain-Tagblatt" eine wertschätzende Zeitung bleibt.

kress.de: Das "Obermain-Tagblatt" hat wie andere deutsche Zeitungen in den vergangenen Jahren deutlich an Auflage verloren. Glauben Sie nicht, dass auch die Redaktion Ihren Beitrag zum Erhalt der Lokalzeitung leisten und auf eine Lohnerhöhung verzichten sollte?

Till Mayer: Bei der Übernahme durch die Main-Post im Jahr 2012 wurde uns von der Geschäftsführung gesagt: "Ihr habt den geringsten Auflagenverlust in ganz Bayern". Unser Team ist von 56 Mitarbeitern damals auf 23 geschrumpft, unter anderem wurde die Druckerei geschlossen, aber Stellenabbau gab es in allen Abteilungen. Unser Arbeitgeber macht gute Gewinne, für uns bedeutet die Personalreduzierung eine weitere Arbeitsverdichtung. Daher halten wir mehr Teilhabe für angebracht.

kress.de: Wie sind die Reaktionen Ihrer Leser?

Till Mayer: Die Resonanz ist wirklich sehr, sehr gut. Uns ist eines klar: Wir können es nur mit Hilfe unserer Leserinnen und Leser schaffen. Da gibt es in der Regel Verständnis, und oft die Frage wie Unterstützung aussehen kann. Zu unserer ersten Aktion kamen mehr Menschen, als wir erwartet hatten. Der Zuspruch hat gut getan, unsere Unterschriftenlisten füllen sich schnell.

kress.de: Gibt es schon Pläne für den Fall, dass die Geschäftsführung keine Gespräche anbietet?

Till Mayer: Kluge und augenzwinkernde Aktionen, damit wir Wertschätzer noch mehr Wertschätzer finden. Irgendwann wird das überzeugen. Denn wir glauben an die Demokratie.

Die Fragen an Till Mayer, Redakteur und Betriebsratsvorsitzender vom "Obermain-Tagblatt", stellte kress.de-Chefredakteur Bülend Ürük. Mitarbeit: Tania Witte.

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