Es gibt Verlage, für die reicht es, wenn der Grosso nur dreimal die Woche zum Kiosk fährt und die Zeitschriften abliefert. Und es gibt Tageszeitungen, die darauf angewiesen sind, dass der Grosso täglich in der Früh ihre Titel zu den Verkaufsstellen bringt.
Dabei geht es natürlich vor allem und massiv um die "Bild", die als klassische Kaufzeitung dort sein muss, wo die Käufer sind. Fast 95 Prozent der verkauften "Bild" wird im Handel vertrieben. Zum Vergleich - rund 73 Prozent der verkauften Auflage der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" geht direkt an die Abonnenten, bei "Augsburger Allgemeine" (inklusive "Allgäuer Zeitung") von Alexandra Holland und Ellinor Scherer sind es sogar fast 90 Prozent, bei einer reinen Lokalzeitung wie dem kürzlich von Dirk Ippen übernommenen "Süderländer Tageblatt" sind es sogar 96 Prozent Abo-Anteil.
"Bild" hätte also ein massives und das größte Problem, wenn die Zahl der Verkaufsstellen reduziert werden würde, wie es sich andere Großverlage, die keine Tageszeitungen verlegen, vorstellen. Die Zahl von 40.000 Verkaufsstellen im Land ist im Gespräch, das würde doch ausreichen, finden einige (im Jahr 2016 waren es etwas mehr als 118.000 Verkaufsstellen für Printerzeugnisse).
Christian Nienhaus, Vorsitzender der Geschäftsführung von Sales Impact und Newspaper Impact, führt dabei einen Kampf an allen Fronten: "In digitalen Welten hat ja jeder von uns an seinem Handy einen Bildschirm und kann News und Informationen auch zu Hause verfolgen. Manchmal hapert es zwar ein bisschen mit dem Netz auf dem Lande, aber gerade da wo es im Netz hapert, sind wir dann im Vertrieb auch oft besonders weit weg", kritisiert Nienhaus. Und macht klar, was er erwartet: "Unsere Aufgabe ist es, dass gedruckte Medien den Weg zum Haushalt auch in Zeiten rückläufiger Auflagen nicht wegen der rückläufigen Auflage weiter werden lassen, sondern unsere Aufgabe ist, dass dieser Weg kürzer werden muss. Dass wir nah dran sind. Weil der Wettbewerb ist intensiver, der Wettbewerb auf den digitalen Displays führt dazu, dass so Mancher, der vielleicht lieber etwas gedruckt lesen würde, sich fragt, wo kann ich das wohl bekommen", sagte Nienhaus kürzlich beim Grosso-Tag von Axel Springer in Berlin.
Natürlich müsse der Grosso sich neu aufstellen, davon ist Nienhaus überzeugt und verweist dabei auf den massiven Wandel, den die Verlage - ob bei den Druckereien, in der Verwaltung oder in den Redaktionen - in den vergangenen Jahren durchgemacht haben. "Wir müssen auch im Pressevertrieb besser werden, dürfen nicht nachlassen, immer näher zu den Menschen gehen und müssen trotzdem die Kosten im Blick haben", sagt Nienhaus, und betont, dass die Vertriebskurven mit Ausnahmen wie der "Financial Times" nach unten zeigen, die alten Auflagenzahlen der Zeitungen und Zeitschriften nicht zurückkehren: "Dazu ist die Welt zu digital."
Nienhaus nimmt dabei aber auch die Verlage in die Mangel, die "sich darüber auslassen", dass "drei Erscheinungstage ausreichen würden". Das sei einfach "gegenüber den Zeitungen eine Unverschämtheit". Der Springer-Manager macht dabei deutlich, dass die Zeitungen wichtig für das Gemeinwohl, für die Pressfreiheit und die Demokratie, seien: "Es gibt ja nur noch eine Hand voll Zeitschriften, die sich wirklich mit Politik auf einem ordentlichen Niveau beschäftigen. Aber alle Tageszeitungen in Deutschland tun das! Die Zeitungen berichten über das was ist. Die Zeitungen haben die meisten Journalisten. Und die müssen halt sechs Mal in der Woche da sein."
Laut der von Hubert Burda Media im Namen aller Beteiligten verbreiteten Mitteilung haben sich zur "Allianz zur Modernisierung des deutschen Vertriebssystems" neben Hubert Burda Media und Axel Springer auch die Bauer Media Group, die Funke Mediengruppe, die Mediengruppe Klambt und der "Spiegel"-Verlag zusammengeschlossen. Der Hamburger Großverlag Gruner + Jahr spart sich die Diskussion mit dem Grosso, weil der Deal des Bündnisses auch automatisch für seine eigenen Zeitschriften wie "Stern" oder "Grazia" gelten würde.
In der Mitteilung Bauer und Co. heißt es dabei deutlich: "Ziel der Koalitionspartner ist es, die weltweit einzigartige Pressevielfalt und die damit verbundene Presse- und Meinungsfreiheit über den flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland abzusichern. Die Koalition bekennt sich dabei ausdrücklich zu der solidarischen Ausrichtung sowie zu den Grundwerten des Grosso-Systems" - gerade die Ergänzung der "solidarischen Ausrichtung" hat dazu geführt, dass Axel Springer den Zusammenschluss mit den anderen Häusern eingegangen ist.
Auf die Mitteilung der sechs Verlage reagiert der Verband gelassen: "Der Bundesverband Presse-Grosso setzt sich für die Sicherung der Meinungs- und Pressefreiheit durch einen diskriminierungsfreien und leistungsstarken Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften überall in der Republik ein", heißt es in einer Erklärung vom heutigen Donnerstag. Die von den Verlagen geforderte Veränderung hätte die die Grossisten längst in Angriff genommen: "Der Pressegroßhandel entwickelt das Pressevertriebssystem und die Struktur stetig fort. Noch nie zuvor waren die Presse-Grossisten so schlank, effizient und leistungsstark aufgestellt wie heute. Viele Grosso-Unternehmen haben sich zusammen getan, um erforderliche Synergien zu heben. Waren vor zehn Jahren noch 75 Unternehmen am Markt tätig sind es heute noch 49. In den Grosso-Unternehmen steigt indes der Aufwand für den Unterhalt des feingliedrigen Distributions-Systems durch Mindestlohn und andere Preiserhöhungen weiter spürbar an", heißt es offiziell.
Die Debatte vor den Verhandlungen um die Handelsverträge, die ab Frühjahr 2018 gelten werden, ist damit eröffnet. Die Verlage sehen Einsparpotential von bis zu 80, 90 Millionen Euro im Jahr, die man beim Grosso allerdings nicht sieht.
Kommentar hinzufügen ×
Hinweis zu Ihrem Kommentar
Die Beiträge nicht eingeloggter Nutzer werden von der Redaktion geprüft und innerhalb der nächsten 24 Stunden freigeschaltet.
Wir bitten um Ihr Verständnis.