Ippen-Digital-CTO Markus Franz ist begeistert von den neuen Möglichkeiten. 20 Anwendungen zu KI & Automatisierung in den Medien, die Führungskräfte kennen sollten.
Es sah aus wie das große Schlussbild einer großen Inszenierung: ein Kranz mit roten Rosen, in der Mitte eines frisch gemachten Grabs. Umgeben von vielen weiteren Kränzen, ganz am Ende ein schlichtes Holzkreuz mit dem Namen Helmut Kohl. Das Bild dominierte am Samstagabend, als die zwölfstündigen Zeremonien für den Altkanzler vorbei waren, die Homepage von "Bild.de".
Zuvor hatte "Bild" fleißig mit zeremoniert. Kein Tag ohne Kohl-Heiligsprechung, ohne reichlich Pathos und natürlich allerlei Rührendem über den Mann, den sie bei der "Bild" selten ohne den Zusatz "Kanzler der Einheit" im Blatt haben. Und natürlich hatte die "Bild" auch das letzte Foto des lebenden Altkanzlers im Blatt; Kopf an Kopf mit Maike Kohl-Richter, ein Foto, das fast zu perfekt war, um es nicht für eine Inszenierung zu halten.
Die Fotocredits gingen übrigens an Kai Diekmann, inzwischen nur noch freier Mitarbeiter seines Blattes und der Mann für die großen Interviews und letzten Fotos.
Mehr hat Diekmann offiziell nicht mehr zu tun mit der "Bild". Es zeugte allerdings von rührender Naivität, würde man tatsächlich annehmen, dass die Zeitung nicht immer noch zu jeder Sekunde den Diekmann-Geist atmet. Und so war es denn auch kein Wunder, dass die "Bild" den Tod von Helmut Kohl ganz so zelebrierte, wie es sich Diekmann wohl gewünscht hätte.
Und Helmut Kohl auch.
Natürlich wird man in der Debatte darüber, wie nahe sich Journalisten und Politiker sein dürfen, Diekmann zweierlei zugute halten. Zum einen: Nein, Diekmann hat keine Funktionen mehr bei "Bild", arbeitet aktuell nirgendwo journalistisch und kann selbstverständlich befreundet sein mit wem er will.
Und zweitens: Diekmann hat keine Sekunde einen Hehl aus seiner tiefen Freundschaft zu Kohl gemacht. Wer es sehen wollte, der sah sofort: Diese Beziehung geht sogar noch über das weit hinaus, was man enge Freundschaft nennt. In den Tagen nach Kohls Tod wirkte es zeitweise, als würde irgendwo hinter den Türen von Oggersheim Kai Diekmann die Regie führen. Und es sprach Bände, dass es zwar Bilder davon gibt, wie Diekmann mit Bill Clinton und Maike Kohl-Richter bei der Beerdigung zu sehen ist, die leiblichen Söhne Kohls aber draußen blieben.
Und jetzt die Preisfrage: Wie viele der durchschnittlichen "Bild"-Leser kennen diese Hintergründe? Wie viele von ihnen wissen, dass ihr Bild vom Einheitskanzler in den letzten 15 Jahren massiv von einer engen Freundschaft zwischen Kohl und dem womöglich wichtigsten Blattmacher des Landes geprägt wurde?
Können Journalisten freundschaftliche Gefühle für die Objekte ihrer Berichterstattung überhaupt verhindern? Natürlich können sie das nicht, Journalisten sind keine Roboter. Selbst die seit Jahrhunderten immer wieder vorgebrachte Forderung nach Objektivität ist ja streng genommen Unsinn. Wer ist schon in der Lage, einem Menschen oder einer Sache vollständig objektiv zu begegnen?
Und natürlich weiß jeder Lokalreporter, wie schmal der Grat zwischen Vertraulichkeit und Freundschaft ist. Das erste braucht man nun mal, wenn man mehr bekommen will als den üblichen Verlautbarungsquatsch. Freundschaft allerdings macht Journalismus unmöglich. Wenn man also tatsächlich mit einem Politiker oder einem Wirtschaftsboss befreundet sein will, bleibt leider nichts anderes übrig: Berichterstattung beenden und dafür dann gute Kumpels spielen.
Kommentar hinzufügen ×
Hinweis zu Ihrem Kommentar
Die Beiträge nicht eingeloggter Nutzer werden von der Redaktion geprüft und innerhalb der nächsten 24 Stunden freigeschaltet.
Wir bitten um Ihr Verständnis.