Niddal Salah-Eldin im Interview: Warum sich "Die Welt" mit ihren Social-Media-Nutzern traf

 

Digital geht analog. Das Social-Media-Team der "Welt" hat die Mitglieder einer geschlossenen Facebook-Gruppe nach Berlin eingeladen. 40 sind kürzlich aus ganz Deutschland nach Berlin gekommen. Neben dem Besuch im Newsroom und Gesprächen mit "WamS"-Chefredakteur Peter Huth sowie dem Auslands-Ressort-Vize Daniel-Dylan Böhmer wurde auch viel über Journalismus diskutiert. Die 32-jährige Social-Media-Chefin von WeltN24, Niddal Salah-Eldin, berichtet im kress.de-Interview, wie das gelaufen ist.

kress.de: Wie war es, als die Journalisten auf ihre Leser trafen? Worum ging es?

Niddal Salah-Eldin: Die Stimmung war auf beiden Seiten sehr entspannt. Unsere Leser waren sehr interessiert daran, die Redaktion kennenzulernen und zu verstehen, wie der Newsroom funktioniert. Und auch meine Kollegen freuen sich immer über den persönlichen Austausch mit Nutzern. Aus den Kommentaren wussten wir bereits, dass das Thema Pressefreiheit unsere Gäste sehr beschäftigt. Viele Fragen im Gespräch mit Peter Huth und Daniel-Dylan Böhmer drehten sich darum, wie es unserem inhaftierten Korrespondenten Deniz Yücel geht und wie unsere Berichterstattung aus der Türkei unter Erdogan läuft.

kress.de: Das klingt sehr konstruktiv. Trolle waren nicht dabei?

Niddal Salah-Eldin: Überhaupt nicht. Zu dieser Facebook-Gruppe gehören nur Fans, die unsere Arbeit schätzen. Dazu gehört auch, dass sie Kritik äußern – aber eben konstruktiv. Auch untereinander schätzen sich die insgesamt 80 Mitglieder sehr. Die Gruppe ist von den Nutzern selbst organisiert und agiert völlig selbständig. Beitreten kann man nur, wenn die anderen Gruppenmitglieder dem zustimmen. 

kress.de: Was haben Sie mit der Veranstaltung bezweckt?

Niddal Salah-Eldin: Wir wollen eine Brücke schaffen zwischen dem digitalen Austausch mit unseren Nutzern und dem analogen Kontakt zu ihnen. Digital ist unsere Interaktionsstrategie unser Alleinstellungsmerkmal. Wir treten ganz bewusst mit den Nutzern in Kontakt, beantworten Nachrichten, pflegen unter Facebook-Postings auch mal Smalltalk. Mit den Community-Treffen, die wir jetzt schon im dritten Jahr in Folge durchführen, wollen wir diesen Austausch in die analoge Welt verlängern. Uns ist die direkte Kommunikation und die dadurch entstehende Markenbindung sehr wichtig.

kress.de: Wie sehen das im Nachhinein die Redakteure: Haben Sie Ihr Ziel erreicht?

Niddal Salah-Eldin: Ja, in unserer großen 10-Uhr-Konferenz mit Chefredakteur Ulf Poschardt habe ich am Tag danach von dem ganzen Treffen ausführlich berichtet, auch dass wir in Kreuzberg noch gemeinsam Abendessen gegangen sind. Viele Redakteure fanden die Aktion sehr spannend.

kress.de: Und Ihre Leser?

Niddal Salah-Eldin: Die auch. Man hat wirklich gemerkt, dass es eine enge Bindung gibt – nicht nur zwischen den Nutzern und uns, sondern auch zwischen den Nutzern untereinander. Das nutzen wir auch, um neue Formate zu testen. Bei der Generalprobe unseres neuen interaktiven Liveformats im vergangenen Jahr haben wir das zuerst dieser Facebook-Gruppe präsentiert. Die Mitglieder fanden das cool, weil sie merkten, die „Welt“ interessiert sich für unsere Meinung. Es gibt also echte Wertschätzung in beide Richtungen.

kress.de: Was mögen denn die Social-Media-Nutzer an der "Welt"?

Niddal Salah-Eldin: Erstens unsere Community-Pflege bei Social Media. Und zum zweiten die Art unserer Berichterstattung; dass wir auch mal gegen den Strich gebürstete Meinungsbeiträge veröffentlichen. Und dass wir kontroverse Themen aufgreifen, die sonst nirgendwo zu finden sind.

kress.de: Zum Beispiel?

Niddal Salah-Eldin: Gelobt wurde, dass wir die Flüchtlingspolitik von beiden Seiten beleuchten. Dass wir auch kritisch über deren Folgen berichten, aber andererseits positiv über Zuwanderung schreiben.

kress.de: Und was haben die Leser an der "Welt" kritisiert?

Niddal Salah-Eldin: Einige Themen seien so düster, war der Tenor. Wir haben auch eine gewisse Müdigkeit festgestellt, was Terror-Berichterstattung angeht. Natürlich haben wir deutlich gemacht, wie eng die Themenauswahl an die Nachrichtenlage gekoppelt ist: Nachrichtenmarken sind eben immer abhängig davon, was passiert, und wir können und wollen keine Themen ausklammern. Unter dem Strich ist das Feedback über Social Media generell für uns sehr wichtig, weil unsere Redakteure dadurch auch Impulse für neue Geschichten bekommen.

kress.de: Was war das zuletzt?

Niddal Salah-Eldin: Oft hatten Leser beispielsweise die Frage aufgeworfen, warum sich Muslime nicht auf Großdemonstrationen vom Terror distanzieren. Die Kollegen sind der Frage redaktionell nachgegangen, und wir hatten auf Facebook einen interaktiven Livestream mit einer Muslima, die dazu Stellung nahm.

kress.de: Liest die Social-Media-Community überhaupt noch die gedruckte Ausgabe?

Niddal Salah-Eldin: Ja, unter den Teilnehmern waren auch Nutzer der App, Abonnenten der „Welt am Sonntag”, Leser der gedruckten "Welt". Die meisten lesen aber welt.de.

kress.de: Was haben Sie und die Redaktion aus dem Treffen mitgenommen?

Niddal Salah-Eldin: Dass wir solche Formate häufiger machen, die analoge Community-Pflege weiter ausbauen wollen. Hier gibt es auch schon viele Ideen.

kress.de: Was kommt als nächstes?

Niddal Salah-Eldin: Konkrete Pläne haben wir noch nicht. Eine Idee ist ein Treffen mit den Lesern der "PS-Welt". Die wollen gemeinsam Auto fahren.

Hintergrund: Niddal Salah-Eldin studierte Publizistik, Politikwissenschaft und Journalismus in Mainz und Washington, D.C. Praxiserfahrung sammelte sie unter anderem beim ZDF, RTL New York und CNN in Berlin und Washington, D.C. Nach dem Magister-Abschluss arbeitete sie in der Kommunikationsberatung bei Ketchum Pleon und ging hier ihrer Leidenschaft für Social Media nach. Seit 2014 gehört sie zum Gründungsteam von Welt Social. 2015 wurde die gefragte Social-Media-Expertin und Speakerin vom "medium magazin" unter die Top 30 bis 30 Jahren des Journalismus gewählt und übernahm Ende 2015 die Teamleitung Social Media bei WeltN24.

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