Elbdudler-Gründer Julian Vester: "Es gibt oft große Gehaltsunterschiede, die kaum erklärbar sind"

15.11.2017
 

Die Hamburger Digitalfirma Elbdudler pflegt eine ungewöhnliche Unternehmenskultur. Die Mitarbeiter bestimmen selbst, was sie verdienen. Und nicht nur das.

Der Herr ist mein Hirte, verkündet der Dachbalken über den Köpfen des Kollegiums. Die Mitarbeiter der Hamburger Digitalagentur Elbdudler arbeiten in einer Kirche in Eimsbüttel: Auf dem Altar thront ein Sofa, im Kirchenschiff sitzen die Mitarbeiter an langen Tischen, und statt der Orgel orchestriert auf der Empore die Buchhaltung das Werber-Werk.

Die Agentur taucht häufig in der Presse auf: Journalisten kommen und bestaunen die Kreativen in ihrer Kirche meist als bunte Hunde, die - total verrückt - in puncto Unternehmenskultur ziemlich viel anders machen: Denn bei Elbdudler könnten die Mitarbeiter ihr Gehalt selbst bestimmen, da zähle niemand bei Arbeitsstunden oder Urlaubstagen mit und überhaupt sei alles echt basisdemokratisch. Ist es das wirklich? "Wir sind doch keine Hippie-Agentur", sagt dazu Gründer und Geschäftsführer Julian Vester (33).

Der Antrieb, Dinge anders zu machen, folgt nicht dogmatischen Überlegungen, sondern wirtschaftlichen: "Unser Unternehmensziel ist Wertschöpfung. Alles, was nicht der Wertschöpfung dient, kann weg." Oder, auf Elbdudlerisch ausgedrückt: "No Bullshit since 2009", da wurde die Digitalagentur gegründet. Elbdudler ist seitdem von zwei auf 110 Mitarbeiter gewachsen und fährt gut mit diesem Motto.

Gehälter-Tabu? Bullshit!

Zum Bullshit, der wegkann, gehört für den Gründer der Tabu-Tanz um Gehälter. "In Unternehmen gibt es oft große Gehaltsunterschiede, die kaum erklärbar sind", sagt Vester. Die Frage des Geldes erzeuge meist immense Spannungen in den Teams. Getuschel in der Teeküche, Gemunkel auf dem Flur? Zeitverschwendung, fort damit.

Bei Elbdudler liegen alle Gehälter offen. Jeder weiß, was der Texter am Tisch nebenan, der Artdirector oder der Social-Media-Manager verdient. Und alle wissen, was die Chefs verdienen. Derzeit bekommt jeder der vier Geschäftsführer 9.000 Euro im Monat, das ist kein Geheimnis.

Die Transparenz sei der Ansatz, sagt Vester, gefühlte und echte Ungerechtigkeiten zu eliminieren. Wer glaubt, zu wenig zu verdienen, trägt sein Anliegen an ein Gremium heran. In dem sitzen Kollegen, die die Arbeit des Betreffenden gut beurteilen können, die Personalabteilung als Beisitzer und - auf Wunsch der Belegschaft - ein Geschäftsführer. "Wir haben eine Tabelle mit den marktüblichen Gehältern und wir haben Level-Einordnungen: Wie viel Erfahrung hat ein Mitarbeiter, wo kann sich der einordnen? Danach wird dann das Gehalt bestimmt." Das Ergebnis wird zum Schluss der gesamten Firma vorgestellt. Wenn alle abnicken, gibt es mehr Geld.

Manchmal kommen die Chefs anderer Agenturen zu Besuch, die sich das Modell vorstellen lassen. Die hören zwei Stunden zu und sagen dann, klasse, das probiere ich auch mal. Und dann fragen sie: Aber mein Gehalt muss ich nicht offenlegen, oder? "Da merke ich, die haben es nicht verstanden", sagt Vester. 

kress.de-Tipp: Der Text ist ein Auszug aus Christina Grubers "Case" über die Hamburger Digitalfirma Elbdudler - erschienen in der "kress pro"-Ausgabe 7/2017 (September). Darin wird auch beantwortet, warum bei Elbdudler Herrschaftswissen, Kompetenzgerangel und Misstrauen Fremdwörter bzw. "Bullshit!" sind, und es werden die 9 Gebote der Digitalagentur vorgestellt. Die "kress pro"-Ausgabe gibt es in unserem Shop als E-Paper oder gedruckt - und im iKiosk. Per E-Mail kann sie unter vertrieb(at)oberauer.com bestellt werden.

"kress pro" - das Magazin für Führungskräfte bei Medien - erscheint wie kress.de im Medienfachverlag Oberauer. "kress pro"-Chefredakteur ist Markus Wiegand, Herausgeber Johann Oberauer. "Zum "kress pro"-Abo.

Hintergrund: Die Digitalagentur Elbdudler wurde 2009 gegründet. Heute hat sie 110 Mitarbeiter und erwartet für dieses Jahr einen Honorarumsatz von 7,5 Millionen Euro. Die Mitarbeiter sind im Durchschnitt 30 Jahre alt. Geschäftsführer sind Gerd Keller (36, Kreation), Rodja Schmitz-Hübsch (36, Beratung), Christopher Rohs (32, Strategie) und Julian Vester (33, Gründer, Administration).

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