Die Job-Kolumne auf kress.de: Die wichtigsten Fragen sind ganz einfach

 

Das moderne Leben scheint äußerst kompliziert, dabei lassen sich fast alle beruflichen und privaten Konflikte auf sehr einfache Fragen zurückführen: Was ist mir wirklich wichtig, was will und erwarte ich? Mediencoach Attila Albert über persönliche Prioritäten und den Mut, Klarheit einzufordern.

Wenn man die Detailfragen durchdenkt, die der Alltag mit sich bringt, könnte man meinen, das Leben sei unglaublich kompliziert. Dabei ist es in den entscheidenden Dingen sehr einfach, und diese ewige Wahrheit muss man sich nicht für das Lebensende aufsparen: Wer für sich geklärt hat, was ihm persönlich am wichtigsten ist, also eine Rangfolge (Prioritäten) festlegt, lebt sehr entspannt. In Büchern wie "5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen" von Bronnie Ware und vielen ähnlichen kann man das zwar wiederkehrend nachlesen, doch nach einer kurzen Rührung ist diese Einsicht für viele auch schon wieder vergessen.

Für einen Moment klingt das möglicherweise nach einem theoretischen, philosophischen Thema, das mit dem Alltagsleben und seinen Sorgen wenig zu tun hat: Wie weiter mit dem Job, hat diese Beziehung eine Chance, soll ich jenes Angebot annehmen? Doch diese ganz praktischen Fragen sind nur dann schwierig, wenn die eigenen Prioritäten ungeklärt sind - wenn alles irgendwie gleich wichtig erscheint und miteinander konkurriert. Wer ein einfaches Leben und klare Verhältnisse will, braucht Mut zur Ehrlichkeit und Entscheidungen.

Entscheidenden Fragen nicht mehr vermeiden

Bei erstaunlich vielen Coaching-Klienten, die eigentlich mit einem beruflichen Thema (z. B. Jobsuche oder Karrierewunsch) gekommen sind, fällt mir beispielsweise auf, dass sie seit Jahren in ungeklärten Beziehungsverhältnissen leben. Wir reden dabei nicht von jungen, unerfahrenen Menschen, sondern dem ganzen Spektrum zwischen Mitte 20 und Ende 50. Die Details sind dabei gar nicht so entscheidend, sondern die eigentlich sehr einfachen Fragen, die sie sich selbst und vor allem ihrem Gegenüber nie gestellt haben.

Sie könnten beispielsweise lauten:

  • "Wir leben wegen Deiner Karriere seit fünf Jahren in getrennten Städten und unsere Kinder immer zwischendrin. Wie lange soll das so weitergehen?"

  • "Wir kennen uns jetzt seit einem Jahr. Ich will nicht nur ausgehen, ich will heiraten und Kinder. Bist Du die richtige Frau dafür, willst Du das auch?"

  • "Wir sind jetzt seit sechs Jahren ein Paar, aber Du bist immer noch nicht geschieden, und wir leben in zwei Wohnungen. Willst Du, dass wir zusammenziehen?"

  • "Ich liebe Dich, würde gern aber auch andere Männer sehen, wenn Du verstehst, das ich damit sagen will - könntest Du damit leben?"

Das sind sehr einfache Fragen, weil sie präzise sind und dem Gegenüber klarmachen, was der eigene Wunsch ist und dass seine Antwort bedeutsam ist. Aber es sind für viele auch die schwierigsten Fragen überhaupt, denn damit positionieren sie sich: Ich will etwas, das Du vielleicht nicht willst. Sehr oft werden sie deshalb tausendmal gedacht und nicht einmal ausgesprochen. Die Sorge oder Vorahnung ist: Die Antwort könnte ein verbitterter, empörter oder kalter Vorwurf sein - und ein "Nein". "Nein, ich will Dich nicht heiraten", zum Beispiel. Oder: "Nein, ich lebe lieber allein, sehe gelegentlich Dich und manchmal andere."

Nach der Ernüchterung kommt die Klarheit

Vielfach gibt das ein schmerzliches Erwachen, wenn auch selten eine völlige Überraschung: Wenn sich herausstellt, dass man seine wichtigsten Pläne allein gemacht hat und ansonsten auf eine Fantasie hereingefallen ist, weil man nie oder viel zu spät die entscheidende Frage gestellt hat. Allerdings ist diese Ernüchterung gleichzeitig auch ein Moment der Klarheit: "Aha, daran bin ich also, vielen Dank." Sie führt im besten Fall dazu, mehr zu sich selbst zu stehen - nicht alles ist mehr Verhandlungsmasse. Man steht für sich und etwas ein.

Nur begrenzt kann man anderen einen Vorwurf daraus machen, dass sie dem eigenen Traum nicht gefolgt sind, obwohl man es sich doch so sehr gewünscht hat. Vielfach war das von Beginn an offensichtlich, man hat nur die Frage gescheut, die das früh geklärt hätte: Willst Du das überhaupt? Ich erinnere mich an viele Klienten, die normale, nachvollziehbare Wünsche für ihr Privatleben hatten - Heiraten, Kinder, Haus - und trotzdem Jahre damit verbrachten, Beziehungen mit Leuten zu führen, die das nicht wollten, weil sie immer fürchteten, ihren Wunsch zu artikulieren und bei einem "Nein" die Konsequenzen zu ziehen.

Im beruflichen Kontext sind typische einfache Fragen: Ich möchte Betrag X mehr verdienen - ist das in dieser Position möglich und wenn ja, in welchem Zeitrahmen? Ich möchte nicht in Stadt A arbeiten, sondern B - finden wir eine Lösung, etwa Home Office oder freie Mitarbeit statt Festanstellung? Ich habe meinen Job gut gemacht und möchte Titel Y haben - ist das denkbar und, wenn ja, bis wann? Diese Klarheit scheut auch hier am wenigsten derjenige, der auch mit einem "Nein" leben könnte und eine Alternative für diesen Fall vorbereitet hat.

Manche dieser einfachen Fragen muss man sich selbst stellen: Will man wirklich für immer jeden Tag zehn oder zwölf Stunden in der Redaktion verbringen? Wieso ist das Konto seit Jahren im Minus, obwohl man immer gut verdient hat - für Urlaube hat es ja auch immer gereicht? Liegt es wirklich immer an den anderen, dass man seit Ewigkeiten allein lebt und seine Beziehungen nur mit Haustieren führt? Wieso ruiniert man sich mit Dauerstress und Alkohol die Gesundheit, wieso verschwendet man seine Lebensjahre sinnlos? Auch hier: Einfache Fragen, in denen es im Kern darum geht, persönliche Prioritäten festzulegen.

Wie geht man nun selbst an diese Fragen heran? Zuerst einmal wahrscheinlich, sie für sich selbst zu definieren: Was will ich wirklich wissen, traue mich aber nicht, es auszusprechen? Danach: Was würden die drei möglichen Antwort-Varianten - ja, nein, vielleicht - für mich bedeuten, könnte ich damit leben und was würde daraus folgen? Und zuletzt: Was sagt es über die Beziehung zu meinem Gegenüber, sei sie beruflich oder privat, dass ich zögere, etwas für mich ganz Entscheidendes nicht anzusprechen? Vielfach ist allein das schon die Antwort: Ich bin hier an der falschen Stelle, und es wird Zeit, weiterzugehen.

Zum Autor: Attila Albert (43) begleitet mit seiner Firma Media Dynamics seit mehreren Jahren Medienprofis bei der beruflichen und persönlichen Neuorientierung. Albert hat selbst mit 17 Jahren als Journalist zu arbeiten begonnen. Anfangs bei der "Freien Presse" in Chemnitz, eine der größten deutschen Regionalzeitungen, später insgesamt 23 Jahre bei Axel Springer, unter anderem als Textchef und für Sonderaufgaben bei der "Bild"-Bundesausgabe, danach als Autor bei der Ringier AG in Zürich. Berufsbegleitend hat er sich in den USA zum Coach ausbilden lassen sowie vorher ein dreijähriges Webentwickler-Studium absolviert.

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