"kress pro": Mehr als 40 Prozent der T-Online-Zugriffe gingen laut IVW im September auf das Konto von E-Mail und anderen Aktivitäten. Man könnte auch sagen: Viele Nutzer kommen trotz der Inhalte.
Marc Schmitz: Wir wissen, dass unsere User beides nutzen. Unsere Umfragen zeigen, dass sich die Nutzung langsam in Richtung News verlagert. 83 Prozent kommen wegen der Nachrichten, nur 63 Prozent wegen des E-Mail-Service. Auf den Rängen dahinter sind dann aber gleich vier inhaltliche Nutzungsgründe: Wetter, Ratgeberthemen, Unterhaltung und Sport.
"kress pro": Ihre Wettbewerber haben deutlich mehr Mobil-Traffic. Warum?
Marc Schmitz: In der Vergangenheit lag der Fokus auf der Desktop-Nutzung. Man hat an der ein oder anderen Stelle einiges verschlafen. T-Online ist für uns ein riesiges Entwicklungsfeld. Im Übrigen fehlen T-Online die Mobilnutzer nicht. Es sind absolut immer noch rund fünf Millionen Nutzer. Sie sind einfach derzeit noch unterrepräsentiert.
"kress pro": Es gibt in Deutschland einige große Newsportale, beispielsweise von Spiegel, Bild und Focus. Was ist künftig Ihr Alleinstellungsmerkmal?
Marc Schmitz: Es wäre vermessen zu sagen, wir machen komplett andere Inhalte. Wir haben vier Leuchttürme definiert, wo wir eigene Storys und Meinungen liefern wollen: Politik, Sport, Unterhaltung und Digitales. Inhaltlich ist uns die User-Zentrierung wichtig. In Zeiten, in denen andere die Anzahl der kommentierbaren Artikel reduzieren, wollen wir auf die Nutzer zugehen. Das ist eine Frage der Ressourcen, aber auch, mit welcher Haltung wir auf den User zugehen.
"kress pro": Das bedeutet, Sie greifen mit Ihrer Positionierung die Platzhirsche an?
Marc Schmitz: Wir haben uns angeschaut: Was ist T-Online und wie können wir das entwickeln? Das Portal hat mit rund 47 Millionen Unique Usern via Online und Public Video unfassbar viel Reichweite, aber es hat keine eindeutige Positionierung und war in der Vergangenheit nicht auf Augenhöhe mit Spiegel Online und Co., was die Markenwahrnehmung angeht. Das wollen wir ändern. Wir greifen niemanden an – wir machen das Maximale aus unseren Möglichkeiten.
"kress pro": Was wollen Sie anders machen?
Marc Schmitz: Wir wollen natürlich auch im schnellen Tagesgeschäft gut sein. Aber zusätzlich wollen wir künftig viel erklären. Wir wollen auf allen Kanälen und Plattformen, auf denen wir vertreten sind, Erklärformate entwickeln und etablieren. Beim Thema Social haben wir eine Aufholjagd vor uns. Da müssen wir erst einmal auf ein Level kommen, auf dem die Wettbewerber heute schon sind. Bisher kommt nur 1 Prozent unserer Traffics über Social Media. Da haben wir riesiges Wachstumspotenzial.
"kress pro": Video gilt ebenfalls als Wachstumsfeld. Was planen Sie da?
Marc Schmitz: Wir bauen gerade ein eigenes Videoteam mit rund zehn Mitarbeitern auf. Die werden über alle Plattformen denken. Ein Riesenthema ist für uns natürlich Public Video, das auf unseren 4.000 Screens in Deutschland läuft und einer der Wachstumstreiber unseres Geschäfts ist. Wir bespielen das heute als Nachrichtenmedium. Wir arbeiten zudem daran, lokale Nachrichten auf die Screens zu bekommen. Wir haben den ersten Testmarkt in einer Handvoll Städte definiert, in denen unsere Roadside-Screens stehen, und einen ersten Regionalredakteur eingestellt.
"kress pro": Greifen Sie damit die Regionalverlage an?
Marc Schmitz: Nein, wir können damit lokale Informationen nicht ersetzen, sondern ergänzen. Nachrichten auf den Screens und Public Video sind eher flüchtige Medien, während Menschen auf eine U-Bahn warten.
kress.de-Tipp: Das Gespräch ist ein Auszug aus dem Titelinterview in "kress pro" 9/2017. Darin erklärt Marc Schmitz die Strategie hinter der Expansion der Ströer Content Group. Und er verrät "kress pro"-Chefredakteur Markus Wiegand, warum er sich dennoch nicht als Verleger fühlt. Die Ausgabe können Sie als E-Paper oder gedruckt - und im iKiosk erwerben. Per E-Mail können Sie sie unter vertrieb(at)oberauer.com bestellen.
"kress pro" - das Magazin für Führungskräfte bei Medien - erscheint wie kress.de im Medienfachverlag Oberauer. "kress pro"-Chefredakteur ist Markus Wiegand, Herausgeber Johann Oberauer. "Zum "kress pro"-Abo.
Zur Person: Marc Schmitz (44) ist CEO der Ströer Content Group. Darin bündelt der einstige Vermarkter Ströer seine Aktivitäten im Inhaltegeschäft. Neben dem Flaggschiff T-Online, das Ströer 2015 von der Telekom gekauft hat, zählen dazu Special-Interest-Portale wie giga.de (Spiele), kino.de und erdbeerlounge.de (Frauen). Ströer erwirtschaftete 2016 einen Umsatz von 1,12 Milliarden Euro. Rund 10 Prozent davon dürften aus dem Geschäft mit Inhalten kommen.
Marc Schmitz arbeitet seit Mai 2016 für Ströer. Zuvor war er rund acht Jahre lang für das Springer-Frauenportal gofeminin. de tätig, zunächst als Geschäftsführer gofeminin.de (2008 bis 2016), dann parallel als Managing Director International (2010 bis 2016). Zwischen 2005 und 2008 arbeitete er für Onvista Media (mit dem Gesundheitsportal Onmeda), zuletzt als Director Health Markets.
Kommentar hinzufügen ×
Hinweis zu Ihrem Kommentar
Die Beiträge nicht eingeloggter Nutzer werden von der Redaktion geprüft und innerhalb der nächsten 24 Stunden freigeschaltet.
Wir bitten um Ihr Verständnis.