Job-Kolumne: Der beste Moment, sein Leben zu verändern

 

Viele denken erst in einer Krise - Job weg, Trennung, Krankheit - daran, ihr Leben zu verändern. Andere warten so lange, bis die Ereignisse sie unter Entscheidungsdruck setzen. Das ist verständlich, aber der schwierigste, anstrengendste und teuerste Weg, sagt Mediencoach Attila Albert.

Es gibt viele Momente, in denen Menschen beschließen, ihr Leben zu verändern. Während einer Krise, etwa nach einer Krebsdiagnose, nach einer Entlassung oder Trennung. Wenn ein Zustand einfach nicht mehr auszuhalten ist, etwa jahrelange Überlastung in einer völlig unterbesetzten Redaktion bei höchst ehrgeizigen Zielen der Geschäftsführung. Oder auch aus einer Eingebung heraus: Der plötzlichen Einsicht, dass es so nicht mehr weitergeht.

Doch Veränderung ist anspruchsvoll: Man muss sich mit etwas beschäftigen können, etwas organisieren und ausprobieren. Ohne Ressourcen geht das nicht, und konkret sind das: Zeit, Kraft und Geld. So macht es durchaus einen entscheidenden Unterschied, unter welchen Umständen man sich entschließt, etwas Neues zu beginnen. Hier vier typische Zeitpunkte und die Besonderheiten, die sich daraus für geplante Veränderungen ergeben.

In der Krise: Häufigster, aber schlechtester Zeitpunkt

Der schlechteste - leider auch häufigste - Zeitpunkt ist die Krise. Etwas (oder fast alles) läuft gerade schief, die Gesundheit ist am Ende, das Konto leer, der Job weg. Solche Situationen erfordern derart viel Kraft und Aufmerksamkeit, dass sich kaum noch etwas gestalten lässt. Dazu überlagern sich praktische Probleme, die sofort gelöst werden müssten, mit ganz grundsätzlichen Fragen, etwa den Sinn des eigenen Lebens oder großen Ängsten, die eine ganz andere Taktung haben und sich auch nicht innerhalb weniger Tage klären lassen.  

Realistisch geht es in solch einer Phase vor allem darum, durchzuhalten und zwischen Trauer und Wut nicht ganz die Nerven zu verlieren. Der gelegentliche Blick nach vorn ist, bei all den starken und widersprüchlichen Emotionen, bereits ein anspruchsvolles Ziel. Jede größere Veränderung sollten Sie in dieser Phase auf später verschieben, wenn es Ihnen wieder etwas besser geht (übrigens eine Strategie, die auch Therapeuten empfehlen). Die Krise ist die Zeit der großen Einsichten und kleinen Schritte, haben Sie hier Geduld mit sich.

Unter Zeitdruck: Sanfter Druck, sich zu entscheiden

Schwierig sind auch Veränderungen unter enormen Zeitdruck, beispielsweise bei einem ein Abfindungs- oder Vertragsangebot, dass innerhalb weniger Tage entschieden werden soll. Hier liegt das Problem vor allem darin, dass die weitreichenden Folgen oft erst nach einigem Nachdenken und Recherchen (z. B., was würde ein Umzug in eine neue Stadt kosten) klar werden, aber für die Entscheidung bereits nötig wären. Der Vorteil dieser Situation: Meist läuft das Leben insgesamt recht gut, es sind also Ressourcen für eine Veränderung da.

Eine gute Strategie hier ist es, den Zeitdruck möglichst zu senken. Oft ist es, fragt man einmal genauer nach, doch nicht so dringend, wie behauptet. Fristen lassen sich nach Rücksprache verschieben, flexiblere Optionen vereinbaren. Günstig ist der sanfte Druck zu einer Entscheidung: Das hilft vor allem denjenigen, die nach (nicht existierenden) perfekten Lösungen suchen oder glauben, dass Entscheidungen ohne jede Unklarheit möglich sind.

Bei Dauerfrust: Günstige Phase, aber meist zu abgelenkt

Eine gute Phase für eine Lebensveränderung wäre die, in der zwar alles funktioniert, aber der Frust schon seit einigen Jahren anhält. Typisch für all die Angestellten, die schon ewig unglücklich in ihrem Job sind, immer wieder "überlegt" haben, etwas anderes zu machen, aber praktisch nichts wirklich unternommen haben (z. B. Bewerbung, Weiterbildung). Oft erschöpft sich die Aktivität hier auf Klagen gegenüber Kollegen und Trost durch immer neue Alltagsfluchten.

Typisch sind all die Kurzreisen, Wellness-Wochenenden und Lustkäufe von Smartwatches bis Rennrädern. Sie helfen einerseits durch den Alltag, sind anderseits eine doppelt teure Ablenkung, denn die Zeit und das Geld fehlen auch für eine echte Veränderung. Manche Führungskraft lebt seit Jahren mit Schulden, kann "deshalb gar nichts machen", plant aber bereits die nächste teure Reise mit der Familie. Hier ist oft vor allem mehr Ehrlichkeit mit Partnern und Kindern nötig, um Verantwortung besser zu teilen und moralische und praktische Unterstützung einzuwerben. Veränderung wäre danach sehr leicht.

Wenn alles gut läuft: Ideal, aber eine Frage der Motivation

Das führt zur Situation, die am seltensten für Veränderungen genutzt wird, aber die am besten geeignete ist: Wenn alles ziemlich gut läuft - der Job ist interessant und sicher, das persönliche Budget (Zeit, Kraft, Geld) gut ausbalanciert. Klienten, die ich in dieser Phase kennenlerne, haben meist erstaunliche freie Kapazitäten und wirken geradezu unterfordert. Sie sind nicht in einer Notlage, sondern interessieren sich aus anderen Gründen für eine Veränderung, vielfach wegen subtiler Langeweile oder der Suche nach mehr Lebenssinn.

Die Herausforderung hier liegt darin, sich verändern zu wollen, obwohl man nicht muss - was einen recht hohen Grad an Selbstreflektion erfordert. Intellektuell ist es leicht einzusehen, dass die besten Probleme diejenigen sind, die man sich selbst sucht. Es ist aber sehr gegen die allgemeine Gewohnheit und auch die Empfehlungen vieler Freunde oder Verwandte, etwas anzupacken, dass doch gerade so gut läuft. "Da würde ich jetzt gar nichts machen", hört man oft. Oder: "Diesen Vertrag würde ich nicht aufgeben, den kriegst Du nie wieder."

Über die Spanne eines Lebens ist man, und das ist das Schöne, in jeder dieser Phasen einmal und hat die Gelegenheit, ihre Eigenheiten kennenzulernen, sich darin auszuprobieren und zu bewähren. Gleichwohl gibt es dazu auch noch eine andere Dynamik: Wer gelernt hat, in guten Zeiten und ganz ohne Not etwas aktiv zu gestalten und vorzubereiten, hat nicht nur weniger Krisen, sondern ist - wenn doch einmal eine kommt - darauf vorbereitet und kann sie deutlich verkürzen.

 

Zum Autor: Attila Albert (45) begleitet mit seiner Firma Media Dynamics seit mehreren Jahren Medienprofis bei der beruflichen und persönlichen Neuorientierung. Albert hat selbst mit 17 Jahren als Journalist zu arbeiten begonnen. Anfangs bei der "Freien Presse" in Chemnitz, eine der größten deutschen Regionalzeitungen, später insgesamt 23 Jahre bei Axel Springer, unter anderem als Textchef und für Sonderaufgaben bei der "Bild"-Bundesausgabe, danach als Autor bei der Ringier AG in Zürich. Berufsbegleitend hat er sich in den USA zum Coach ausbilden lassen sowie vorher ein dreijähriges Webentwickler-Studium absolviert.

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