kress.de: Frau Teutenberg, es war ja lange viel von Politikverdrossenheit zu hören, mittlerweile medial etwas abgelöst vom unsäglichen "Lügenpresse"-Vorwurf und der Skepsis selbst gegenüber etablierten Medien. Um wie viel schwieriger, aber vielleicht auch spannender und herausfordernder macht Derartiges Ihre Arbeit?
Carina Teutenberg: Ich denke, wir haben es mit unserem Format "Endlich Klartext" geschafft, die Politik für ein breit(er)es Publikum zugänglich zu machen. Darauf bin ich stolz und das hat meinem Team und mir viel Freude bei der Arbeit bereitet, auch wenn es zugegeben in Teilen ein Kraftakt war. Wir haben Bürger auf den bis dato scheinbar unerreichbaren Politiker treffen lassen und diese Welten miteinander konfrontiert. Politik muss erlebbar und greifbar sein, damit die Verdrossenheit minimiert wird. Der Begriff "Lügenpresse" steht in Verbindung mit der Verdrossenheit. Was meine Arbeit als Produzentin anbelangt, empfinde ich diesen Fakt vielmehr als Ansporn, jetzt erst recht Formate ins Leben zu rufen, die ein Statement sind und vor allem eine Stahlkraft besitzen.
kress.de: Auch in Ihrer neuen Geschäftsführerinnen-Position geht es ja darum, Polit- und Infotainment-Inhalte attraktiv und zeitgemäß zu halten. Wie schafft man das konkret?
Carina Teutenberg: Es ist natürlich ein schmaler Grat, solche Inhalte auf der einen Seite unterhaltsam zu gestalten und andererseits niemals die Relevanz dieser Inhalte zu vernachlässigen. Konkret bedeutet dass, das mein Anspruch ist, Schubladen zu öffnen. Das beginnt bei der kreativen Arbeit bei uns im Team der B.vision media GmbH. Geht weiter über die Recherche und Auswahl unserer Protagonisten und mündet im Austausch mit den Verantwortlichen der Sender.
"Warum soll Politik nicht bei RTL2 stattfinden?"
kress.de: Was genau darf man sich unter Ihrem Ansatz vorstellen, der ja Brücken schlagen soll zwischen zunächst eher gegensätzlichen Programmtypen wie Doku-Soap und "echte" Dokumentation?
Carina Teutenberg: Unser Ansatz ist, dass es sich lohnt die gelernten Genre- und Sendergrenzen bisweilen zu überdenken. Sie teilweise aufzubrechen, umso neue Programme zu schaffen, die über eine besondere Strahlkraft verfügen. Warum soll eine unterhaltsame Doku-Soap sich nicht relevanter Themen annehmen, die wir ansonsten eher einer "echten" Dokumentation zuordnen würden? Warum soll Politik nicht bei RTL2 stattfinden? Und können persönliche und emotionale Geschichten nicht auch in einer politischen Talkshow erzählt werden? Ich denke schon. Mit den Formaten, die wir bei B.vision entwickeln, werden wir diesen Ansatz immer wieder verfolgen.
kress.de: Für Ihr RTL2-Format, den "Politiker-Check" unter dem Titel "Endlich Klartext" haben Sie unlängst den Deutschen Fernsehpreis erhalten. Wichtiger Rückenwind auch für Formate abseits des öffentlich-rechtlichen Gewohnten?
Carina Teutenberg: Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass das ein aufregender Moment für unsere junge Firma war und weiterhin ist. Es ist ein wichtiges Signal, zu erleben, dass sich die Fernsehpreis-Jury für solche Formate öffnet und mit der Vergabe des Preises neue Wege einschlägt und damit einen Sender für ein Publikum zugänglich macht, die diese Taste auf der Fernbedienung bisher eher nachlässig behandelten. Es heißt "Sender-Landschaft" und wenn ich es sinnbildlich betrachte, ist es doch bereichernd, dass es so viele unterschiedliche Orte gibt.
kress.de: Wenn Sie als Kennerin, aber auch als Insiderin auf den Markt der deutschen Polit-Talks blicken: Wie groß sind die Abnutzungserscheinungen bei den etablierten Marken und ihren Themen- und Einladungs-Ritualen? Was kann man besser machen?
Carina Teutenberg: Ich bin überzeugt, dass der Zuschauer "feste Bänke" im Programm zu schätzen weiß. Der Anspruch sollte meines Erachtens nach sein, dass man vor allem aufmerksam zuhört und hinschaut. Damit meine ich: Worüber reden die Menschen in meinem familiären und freundschaftlichen Umfeld? Was bewegt und tangiert sie wirklich? Denn das sind auch die Themen, die in genau diesen Formaten ein Forum bekommen müssen. Ein Polit-Talk wird dann langweilig, wenn er mit der Lebenswirklichkeit des Zuschauers keine Berührungspunkte hat. Was die Gästeauswahl anbelangt, bin ich ein großer Freund davon, um eine Ecke weiter zu denken. Man landet natürlich schnell bei den "alten Bekannten", aber genau an der Stelle dann noch mal abzubiegen und den Zuschauer zu überraschen - das ist eine Herausforderung, die für mich das Produzieren eines politischen Talks so spannend macht.
"Ein gutes Format wird maßgeblich durch die Persönlichkeit der Moderatorin/ Moderators geprägt"
kress.de: Sie haben Dunja Hayali über den "ZDFDonnerstalk" hin zur eigenen Gesprächsrunde unter ihrem Namen zu mehr Aufmerksamkeit verschafft. Was ist dort Ihr spezielles Erfolgsrezept?
Carina Teutenberg: Nun, allen voran steht da ganz klar die Moderatorin selbst. Ein gutes Format ist für mich eines, das maßgeblich durch die Persönlichkeit der Moderatorin/ Moderators getragen und geprägt wird. Das ist bei Dunja Hayali ganz klar der Fall. Sie ist eine Herzblut-Journalistin. Das spürt man nicht nur in der Vorbereitung zu unserer Sendung, sondern das macht sich vor allem in der Sendung selbst bemerkbar. Und was die Arbeit in der Redaktion anbelangt, ist es eine mutige Mischung der Themen und eine rege Diskussionskultur. Es muss ganz klar um die (tages)aktuellen Themen gehen. Einerseits. Aber es muss auch der Raum geschaffen werden, persönliche Schicksale und Geschichten zu erzählen, die fernab vom Bundestag stattfinden. Genau diese beiden Stränge fügen wir in diesem Format zusammen und ich freue mich, dass diese Rechnung so erfolgreich aufgeht.
kress.de: Neben dem eigentlichen Produzieren dürften mit der neuen Firma B.vision jetzt noch mehr administrative Pflichten für Sie hinzukommen. Wie tarieren Sie das persönlich aus?
Carina Teutenberg: Das tariere ich dank eines Teams aus, das sich super ergänzt und sich gegenseitig unter die Arme greift, wenn es nötig ist.
"Ich bin begeistert, wenn ein Ansatz mutig ist und mich überrascht"
kress.de: Sie gelten ja als Macherin. Wie sehr juckt es Sie in den Fingern, bei Produktionen aus Ihrem Haus selbst aktiv einzugreifen und Sie mitzuprägen?
Carina Teutenberg: Neben meiner Aufgabe als Geschäftsführerin verstehe ich mich im Wesentlichen auch als Produzentin und somit als Teil unseres noch kleinen Teams. Alles, was wir produzieren, jede Idee, die in unseren Köpfen rumspinnt, ist ein Gemeinschaftsprodukt. Deshalb würde ich das "Ich" in Ihrer Frage durch ein "Wir" ersetzen: Wir prägen. Am liebsten das Fernsehen. Und zwar relevant und nachhaltig.
kress.de: Was muss ein Kreativer aus Ihrem Haus, aber möglicherweise auch von außen mitbringen, um Sie etwa für einen Themenvorschlag zu begeistern?
Carina Teutenberg: Ich bin eine sehr intuitive Person. Das fällt mitunter natürlich manchmal schwer, weil man als Produzentin weiß, was bisher "funktionierte" oder häufig der Begriff "Sehgewohnheit" oder "Stammzuschauer" fällt. Die meiste Zeit kann ich mich davon frei machen und bin begeistert, wenn ein Ansatz mutig ist und mich überrascht. Ein Kreativer, der eine spannende Sicht auf die Welt hat. Eine Idee, die dafür sorgt, dass ich beginne umzudenken. Beides gute Voraussetzungen, um mich zu begeistern.
kress.de: Einen Profi, der stark am politischen Zeitgeschehen hängt, stellt man sich fast automatisch als Medienjunkie vor. Wie "abhängig" sind Sie von Ihren Apps, Lieblingszeitungen und TV-Klassikern?
Carina Teutenberg: Vor kurzem wurde ich noch von einer meiner Kolleginnen aufgezogen, weil ich in dem Netflix-Game nicht so "sehr drin bin". Das hat sich mittlerweile geändert und ich habe die Serien für mich entdeckt! Aber im Ernst: Ich habe bestimmte Formate, die ich seit Jahren schaue, bei denen ich mich "zuhause" fühle und die ich mit Begeisterung verfolge. Aber ich bin niemand, der zwischen zig Apps jongliert und 20 Zeitungen im Abo hat. Aber selbstverständlich gehört es zu meinem Alltag, immer umfassend informiert zu sein. Dafür reichen zwei bis drei Zeitungen, ein paar Zeitschriften und zwei Apps jedoch durchaus aus.
"Ein grundsätzliches Interesse an der menschlichen Psyche kann nicht schaden :)"
kress.de: Wenn Sie auf Ihre eigene bisherige Karriere zurückblicken: Wo haben sie am meisten gelernt und was hilft beim zähen Verhandeln, aber auch beim Kompromisse-Machen?
Carina Teutenberg: Am meisten gelernt habe ich durch die Wechsel von Produzenten zur Senderseite und wieder zurück. Die Bedürfnisse, Entscheidungswege und Zwänge auf "beiden Seiten" zu kennen, hilft mir beim Verhandeln und sicher auch beim oftmals schwierigen Kompromisse-Machen.
kress.de: Sie haben unter anderem ja einst auch mal Psychologie studiert. Unverzichtbares Rüstzeug für den Politik-Betrieb und speziell für eine Talk-Expertin?
Carina Teutenberg: Nein – ein Psychologie-Studium ist sicher kein unverzichtbares Rüstzeug. Weder für den Politik-Betrieb noch für die Produktion einer Talk-Sendung. Allerdings kann ein grundsätzliches Interesse an der menschlichen Psyche sicher in keinem Zusammenhang schaden. :)
kress.de: Berlin ist ja vielen Fernsehzuschauern zuletzt wieder als wahres "Babylon" in Erinnerung gerufen worden: Wie tanken Sie eigentlich privat Ihre Batterien auf?
Carina Teutenberg: Ich habe einen Rückzugsort, der im Grunde eine ideale grüne Tankstelle ist. Man hat kaum bis gar keinen Handy-Empfang. Das, gepaart mit regelmäßigen Joggingrunden, bringt mich privat auf 100% Akku.
kress.de: Welche Neuigkeiten und beruflichen Inspirationen ziehen Sie aus Ihrer Lektüre von kress.de und "kress pro"?
Carina Teutenberg: Seit vielen Jahren verfolge ich kress.de. Und der Newsletter kressexpress gehört zu meiner täglichen Lektüre. Ich fühle mich über die Neuigkeiten in der Medienbranche so immer gut informiert. Darauf möchte ich nicht verzichten.
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