"Wir fragen unsere kressköpfe": Wie Robert Jacobi mit Blockchain-Lösungen Vertrauen in die Medien zurückgewinnen will

 

Fake News, aber auch massiver Betrug beim Abrechnen von Online-Werbung erschüttern die Glaubwürdigkeit der Medien. Mit Blick auf Erfolge in den USA wird immer öfter die Blockchain-Technologie als Heilsbringer ins Spiel gebracht. Doch wie funktioniert sie wirklich? Und wann können deutsche Medienhäuser damit arbeiten? Robert Jacobi, Gründer von The Nunatak Group, bringt im kressköpfe-Interview Licht ins Dunkel.

kress.de: Herr Jacobi, nicht nur die Medienbranche hat die Blockchain als neues Buzz-Word für sich entdeckt. Darüber, was sich genau dahinter verbirgt, herrscht aber oft große Verwirrung. Können Sie mit knappen Worten aushelfen?

Robert Jacobi: Also die schwierigste Frage gleich am Anfang... Ich versuche es mal: Eine Blockchain ist eine Datenbank, die in identischer Form auf vielen einzelnen Rechnern liegt und Transaktionen verschiedenster Art speichert. Eine bestimmte Zahl an Transaktionen wird in einzelnen Blocks zusammengefasst. Jeder Block wird verschlüsselt und seine Inhalte sind unveränderbar. Die Technologie hat das Potenzial, Intermediäre jeglicher Art zu ersetzen.

"Ohne Bitcoin gäbe es die Blockchain nicht."

kress.de: Die Diskussion um mögliche Blockchain-Anwendungen wird oft vom Pressewirbel rund um mehr oder weniger dubiose Kryptowährungen überlagert. Inwieweit lenkt diese Engführung von den eigentlichen Chancen, auch für deutsche Publisher, ab?

Robert Jacobi: Ohne Bitcoin gäbe es Blockchain nicht, denn der Erfinder der Technologie wollte eine Währung schaffen, deren Wert und Verwendung von Mittelsleuten wie Banken oder Regierungen komplett unabhängig ist. Das Prinzip lässt sich aber für Transaktionen aller Art verwenden – insbesondere dann, wenn in einem Markt keine ausreichende Transparenz herrscht, Vertrauen fehlt oder Informationen ungleich verteilt sind. Letzteres ist ja auch in der Medienbranche der Fall, sei es in Sachen "Fake News" oder auch Anzeigen-Betrug im Onlinebereich.

"Noch ist Blockchain für Medienhäuser ein Zukunftsthema."

kress.de: Inwieweit können neue technologische Anwendungen auch den deutschen Medienhäusern helfen, Vertrauen auf dem Markt und bei den Lesern zurückzugewinnen?

Robert Jacobi: Noch ist Blockchain, anders als in der Finanzindustrie, für Medienhäuser ein Zukunftsthema. Allerdings ein sehr relevantes, denn schon vom Namen her handelt es sich um Intermediäre. In einer reinen Blockchain-Welt wäre ihr Vertrauenssiegel gar nicht zwingend nötig. Positiv gedacht könnte Blockchain dabei helfen, das Vertrauen in Werbung im Digitalen wiederherzustellen. Auch könnten Quellen in einer Blockchain hinterlegt werden. Derzeit haben die Medienhäuser aber vor allem die Aufgabe, diese Zukunftstechnologie ihren Nutzern inhaltich nahezubringen

kress.de: Vor allem Vermarkter und Anzeigenverkäufer hoffen auf neue Möglichkeiten durch Blockchain-Abwicklungen ihres Geschäfts. Wie schnell könnten derartige Lösungen Ihrer Meinung nach auch hierzulande marktreif werden?

Robert Jacobi: Das hängt von der Innovationsfreude und dem Leidensdruck sowohl der Advertiser als auch der Medienhäuser ab. Erste funktionierende Modelle gibt es, derzeit aber auch noch eher in den Kinderschuhen: Plattformen wie adchain ermöglichen Kauf, Tracking und Abrechnung von Ad Impressions über ein Blockchain-Register. So kann Werbebetrug dank Blockchain ausgeschlossen werden. Nyiax ist ein Beispiel für eine Handelsplattform für Anzeigenverträge auf Blockchain-Basis.

kress.de: In den USA bemüht sich im Umfeld der Mozilla-Foundation das Bestätigungssystem "Basic Attention Token", bei dem unter anderem Leser für die Interaktionen mit Anzeigen "belohnt" werden, um einen Durchbruch. Was macht das Angebot aus Ihrer Sicht reizvoll?

Robert Jacobi: Der Token belohnt User monetär für ihre Aufmerksamkeit. Im Gegenzug ermöglicht es eine zielgruppengenaue Ansprache für Advertiser. Eine Win-Win-Situation also. Und damit eine ideale Ausgangsbasis für einen schnellen Durchbruch der Technologie in diesem Segment. Die Publisher sind allerdings noch nicht so sicher, ob sie einsteigen wollen, denn es bestehen Parallelen zum Adblocking und damit die Sorge, dass die Werbeeinblendungen kurzfristig zurückgehen.

"Der Standort Deutschland wird oft schlecht geredet."

kress.de: Sie behalten nicht zuletzt für Ihre Strategieberatung The Nunatak Group die digitalen Entwicklungen weltweit im Blick, haben selbst einige Jahre in den USA studiert und gelebt. Wie sehr schmerzt es da, wenn Deutschland bei technologischen Trends doch oft recht weit zurückhängt? 

Robert Jacobi: Der Standort Deutschland wird oft schlechter geredet, als er ist. Mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) haben wir eine der weltweit renommiertesten Einrichtungen in einer der zentralen Zukunftstechnologien. Auch in der Digitalisierung der Industrie und der Sensorik, verbunden mit Automatisierung, sind wir durchaus weit vorne. Die Startup-Dichte ist in München und zunehmend auch Berlin hoch. Klar ist, dass in den USA auf lange Sicht mehr Geld für die Finanzierung neuer Technologien vorhanden sein wird. Aber das hindert die Europäer ja nicht daran, diese selbst gewinnbringend einzusetzen und weiterzuentwickeln.

kress.de: Nunatak hat mit klassischen Medienkunden angefangen. Mittlerweile ist Ihr Mandantenstamm breiter aufgestellt. Mit welchem Firmenzweck stellen Sie sich Ihrer Kundschaft eigentlich vor – als Digitalagentur-Inhaber? Oder als klassischer Unternehmensberater?

Robert Jacobi: Weder noch. Nunatak ist als digitale Strategieberatung positioniert. Wir sehen, dass klassische Beratungsunternehmen sich Digital-Kompetenz aufbauen und Agenturen wiederum Beratungs-Know how. Wir haben diesen Schnittmenge von Anfang an besetzt, indem wir analytisches Knowhow, klassische Business-Skills und authentisches Digital-Wissen mit Umsetzbarkeit verbinden. Dazu verstehen wir Nunatak als Netzwerk, indem wir Expertise zu technologischen Trends vermitteln und helfen, passende Geschäftsmodelle aufzubauen.  

"Ich bin aus Neugier auf die Welt Journalist geworden."

kress.de: Sie waren ja länger erfolgreicher Journalist. Warum fiel die Entscheidung, sich aus dem Redaktionsleben zu verabschieden und lieber Berater zu werden? 

Robert Jacobi: Ganz einfach – ich bin aus Neugier auf die Welt Journalist geworden, und dann hatte ich Neugier, auch mal ein anderes Berufsfeld auszuprobieren. Dazwischen lagen allerdings zwei Jahre an der Harvard University zu einer Zeit, als dort Facebook als uniinternes Netzwerk entstand und kaum ein Student noch Zeitung gelesen hat. An dieser Veränderung wollte ich mich aktiver beteiligen, als nur darüber zu schreiben, und auch meine analytische Seite noch stärker ausleben.

kress.de: Ihr Haus beschäftigt sich viel mit digitalen Erfolgsstrategien und Geschäftsmodellen. Warum haben Sie mit ihren Teams eigentlich nicht selbst ein digitales Startup gegründet anstatt andere dabei zu beraten?

Robert Jacobi: Wir sehen Nunatak durchaus als Startup im Beratungsumfeld, wenn auch kein ganz junges mehr. Oft genug hören wir von unseren Kunden, das sie genau nach dem gesucht haben, was wir bieten, aber gar nicht wussten, dass es so etwas gibt. Die gut vermarkteten Digital-Skills der Großberatungen werden oft als nicht so zielführend empfunden. In den ersten Nunatak-Jahren habe ich parallel noch eine Outdoor-Community namens mountix.com aufgebaut, inzwischen aber verkauft.

kress.de: Sie führen schon länger ein "kressköpfe"-Profil. Wie wichtig ist es für die Arbeit in Ihrem Netzwerk?

Robert Jacobi: Da wir nicht mehr nur in der Medienbranche, sondern auch anderswo unterwegs sind – z.B. im Finanz- oder Automobilbereich – ist es nicht mehr ganz so zentral wie früher. Aber ich halte es definitiv aktuell, denn gerade im Erstkontakt können potenzielle Auftraggeber sich hier die wichtigsten Informationen und Links zu Berichten über Nunatak holen.

kress.de: Welche Neuigkeiten und beruflichen Inspirationen ziehen Sie aus Ihrer Lektüre von kress.de und "kress pro"? 

Robert Jacobi: Angesichts der Fülle an Informationen lese ich sehr selektiv und spezifisch, jeweils passend zu unseren aktuellen Themen und Projekten. Dabei lande ich allerdings mit einer gewissen Regelmäßigkeit bei kress und finde es bewundernswert, wie aus der traditionellen Print-Marke eine digitale Plattform geworden ist. In meiner Zeit als Journalist und Newsjunkie habe ich auch die Newsletter intensiv genutzt, das ist allerdings etwas weniger geworden. In meiner Nunatak-Arbeit sind die tiefgehenden Infos aus "kress pro" oft nützlicher, und ja, manchmal sogar in der Print-Version.

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Tizia Koese

Tizia Koese

Buch-Autorin/freie Journalistin
freie Autorin

06.07.2018
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Mag sein, dass Modelle wie „BasicAttentionToken“ kurzfristig dazu führen, dass Werbeeinblendungen zurückgehen.

Es gibt aber viele User/Leser, die selbst darüber entscheiden wollen, was mit ihren Daten, respektive ihrer Aufmerksamkeit geschieht: „Ich schenke deiner Werbung meine Aufmerksamkeit und werde dafür mit Tokens/Coins belohnt.“ Das Ganze dann auf einer dezentralen Blockchain fixiert, könnte funktionieren. Und nützt langfristig hoffentlich beiden Seiten.


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