Funke muss bei den Tageszeitungen Kosten einsparen und Personal abbauen

07.02.2019
 

"Mehr denn je brauchen wir guten, verlässlichen Regional- und Lokaljournalismus. Wir dürfen uns aber nichts vormachen, seine Zukunft ist extrem gefährdet", sagt Ove Saffe, für das Zeitungsgeschäft verantwortlicher Geschäftsführer. Wie die Funke Mediengruppe die Regional- und Lokalmedien neu aufstellt. 

"Die Kosten für die Zeitungszustellung haben sich auch aufgrund staatlicher Maßnahmen drastisch erhöht, die Zustellung wird dadurch immer schwieriger. Wenn wir die Entwicklung unserer Auflagen und der Werbeerlöse in die Zukunft fortschreiben und Belastungen wie steigende Papierpreise hinzurechnen, wird deutlich, dass wir den Schalter jetzt umlegen müssen", so Ove Saffe. Genau das werde jetzt getan: "Wir schaffen ein Umfeld, in dem unabhängiger und professioneller Regional- und Lokaljournalismus gedeihen kann."

An diesem Donnerstag seien Betriebsräte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der betroffenen Bereiche über die Planungen informiert worden. So muss in Nordrhein-Westfalen die Ausgabe der "Westfalenpost" in Warstein eingestellt werden. "Sie ist trotz großer Anstrengungen seit Jahren schon nicht mehr wirtschaftlich zu führen. Aufgrund der strukturell rückläufigen Tageszeitungsauflagen sind die beiden NRW-Druckereien in Essen und Hagen jeweils nur noch etwa zur Hälfte ausgelastet. Diese Betriebsstruktur ist wegen der damit verbundenen Kosten nicht mehr zukunftsfähig und bedarf einer Anpassung. Deswegen ist geplant, die Druckaktivitäten an dem größeren Standort Hagen zusammenzuführen", heißt es bei Funke. In Hagen sollen durch den "Kapazitätsaufbau" neue Arbeitsplätze entstehen und ein Investitionsprogramm im niedrigen zweistelligen Millionenbereich aufgelegt werden. Mit den Mitarbeitern des Essener Betriebes bzw. deren Vertretern will die Funke-Führung beraten, inwiefern Beschäftigungen am Standort Hagen möglich sind.

In Braunschweig wird Funke die Wochenblattaktivitäten "reduzieren". In Hamburg ist eine zentrale Redaktion für alle Wochenblätter geplant. Für die "Berliner Morgenpost" prüft Funke zurzeit "Möglichkeiten eines effektiven Digitalkurses". Das Kompaktformat wird eingestellt, "da über 90 Prozent der Leserinnen und Leser das Großformat oder die Digitalausgabe bevorzugen". Für die Thüringer Titel werden "Szenarien erarbeitet, wie eine Versorgung der Leserinnen und Leser in ländlichen Gebieten mit digitalen Angeboten gewährleistet werden kann".

In der Berliner Zentralredaktion sollen die Aufgaben des Service-Ressorts ausgelagert, Redakteursstellen in der Produktion abgebaut werden. "Die Zentralredaktion ist für uns überaus wichtig, sie ist eine unüberhörbare publizistische Stimme in Deutschland geworden. Das wird auch so bleiben. Allerdings werden wir von Berlin aus künftig straffer und standardisierter die Regionaltitel beliefern", betont Ove Saffe.

Auch die Werbevermarktung stellt Funke neu auf - und streicht Stellen: Ziel sei eine "Zentralisierung bei gleichzeitiger Schaffung schlagkräftiger Teams vor Ort". "Die Neuaufstellung der Vermarktung ist eine besondere Herausforderung. Wir müssen hier ganz neu denken und kommen leider nicht am Abbau von Stellen vorbei", so Ove Saffe. Der Vertrieb wird ebenfalls zentralisiert. Darüber hinaus sei eine Neuaufstellung der kaufmännischen Bereiche vorgesehen, heißt es bei Funke.

DJV kritisiert: "Konfuser und völlig überzogener Aktionismus"

Der Deutsche Journalisten-Verband kritisiert die Pläne der Funke-Mediengruppe scharf. "Für diesen Kahlschlag gibt es keinen Grund", sagt der DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. Unbestritten sei, dass auch die Funke-Mediengruppe vom Strukturwandel der Medien betroffen sei. "Wer in einer wirtschaftlichen Durststrecke qualifizierte und verdiente Journalisten in die Arbeitslosigkeit entlässt, hat von verlegerischer Verantwortung keine Ahnung", so der DJV-Vorsitzende. Mit immer weniger Journalistinnen und Journalisten in den Redaktionen müsse zwangsläufig die Qualität der Produkte Schaden nehmen.

Nach Informationen des DJV sollen in der Berliner Zentralredaktion mehr als 20 Journalistinnen und Journalisten ihre Arbeitsplätze verlieren. An den drei Zeitungstiteln in Nordrhein-Westfalen will Funke laut DJV zehn Prozent der Stellen streichen. Die Ausbildung der Volontäre in der Medienakademie-Ruhr will der Konzern laut DJV für ein Jahr aussetzen. Von der Schließung der Druckerei in Essen seien 120 Mitarbeiter betroffen. 

Hintergrund: Funke hat das Zukunftsprogramm Funke 2022 aufgelegt. An erster Stelle sollen die digitalen journalistischen Bezahlangebote ausgebaut werden. In Hamburg hat Funke im September 2018 damit begonnen, die redaktionellen Prozesse bei den Regionalzeitungen auf das "User-First-Prinzip" umzustellen (kress.de berichtete). Die Redaktionen in Nordrhein-Westfalen starteten in der vorletzten Woche damit, die Berliner Morgenpost folgt im März, danach kommen die Titel in Braunschweig und Thüringen an die Reihe. Ove Saffe: "Die Ergebnisse sind sehr ermutigend, wir verzeichnen beim Hamburger Abendblatt eine Steigerung der Digital-Abo-Abschlüsse um fast 300 Prozent seit Juli vergangenen Jahres. Auch in Nordrhein-Westfalen ist bereits nach wenigen Tagen eine dynamische Entwicklung nach oben erkennbar."

Um die digitale Transformation zu beschleunigen, hat Funke unter Leitung von Ruth Betz und Carsten Erdmann die Stabsstelle Digitale Transformation eingerichtet (kress.de berichtete). Ove Saffe: "Hier geschieht nicht weniger als eine Kulturrevolution: Die Standorte entscheiden und priorisieren gemeinsam, was wann wie geschieht, und liefern dann schnell Resultate. Das ist eine Blaupause für uns: 2022 soll die gesamte Mediengruppe agil 'ticken'."

"Unsere Investitionen in journalistische Innovationen wie den Datenjournalismus und digitales Storytelling sind teuer und zahlen sich oft erst nach Jahren aus. Sie sind aber wichtig, um auch künftig Leserinnen und Leser für unsere Titel zu gewinnen", betont Andreas Schoo, für digitale Aktivitäten verantwortlicher Geschäftsführer. Und Schoo kündigt an: "Natürlich wollen wir uns auch die Möglichkeit offen halten, in die Übernahme von Produkten zu investieren, die zu unserem Regional- und Lokalportfolio passen."

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